BERLIN (dpa) — Seit Ausbruch der Pande­mie ist die Arbeit von Pflege­kräf­ten noch einmal beson­ders in den Fokus gerückt. Viele wünschen sich mehr Geld. Für einen Teil von ihnen soll sich dieser Wunsch nun erfüllen.

Die Mindest­löh­ne für Pflege­kräf­te in Deutsch­land sollen ab dem 1. Septem­ber in mehre­ren Schrit­ten deutlich steigen.

Darauf hat sich die zustän­di­ge Pflege­kom­mis­si­on einstim­mig geeinigt, wie Bundes­ar­beits- und Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um gemein­sam erklär­ten. Demnach sollen die Mindest­löh­ne für Hilfs­kräf­te bis Ende 2023 schritt­wei­se von aktuell 12 auf 14,15 Euro steigen, für quali­fi­zier­te Hilfs­kräf­te von 12,50 auf 15,25 Euro und für Pflege­fach­kräf­te von 15 Euro auf 18,25 Euro. Erhöhun­gen sind jeweils zum 1. Septem­ber 2022, 1. Mai 2023 und 1. Dezem­ber 2023 vorgesehen.

Bereits zum 1. April tritt eine Steige­rung der Mindest­löh­ne in Kraft, die die Kommis­si­on bereits beschlos­sen hatte: Demnach erhal­ten Hilfs­kräf­te pro Stunde dann bereits 55 Cent mehr (12,55 Euro), quali­fi­zier­te Hilfs­kräf­te 70 Cent mehr (13,20 Euro), und für Pflege­fach­kräf­te ist eine Mindest­lohn­er­hö­hung um 40 Cent auf 15,40 pro Stunde vorgesehen.

Nach Angaben der Minis­te­ri­en arbei­ten rund 1,2 Millio­nen Beschäf­tig­te in Einrich­tun­gen, die unter den Pflege­min­dest­lohn fallen.

Auch mehr Urlaubstage

Neben höheren Mindest­löh­nen empfiehlt die Kommis­si­on in ihrer aktuel­len Entschei­dung auch mehr Urlaubs­ta­ge. Demnach sollen Beschäf­tig­te mit einer Fünf-Tage-Woche für das Jahr 2022 über den gesetz­li­chen Anspruch hinaus zusätz­lich sieben Tage erhal­ten, für die Jahre 2023 und 2024 jeweils neun Tage extra. Somit würde der Mindest­ur­laubs­an­spruch in der Alten­pfle­ge ab 2023 für Beschäf­tig­te mit einer Fünf-Tage-Woche auf 29 Tage steigen.

Bundes­ar­beits­mi­nis­ter Huber­tus Heil (SPD) begrüß­te diese Entschei­dung. Wie er erst kürzlich angekün­digt hatte, will sein Haus die Empfeh­lun­gen bereits am 1. Mai per Verord­nung umset­zen. Somit wären die neuen Pflege­min­dest­löh­ne und der Anspruch auf Mehrur­laub allge­mein verbindlich.

«Die deutli­chen Lohnstei­ge­run­gen sind eine gute Nachricht für die Alten­pfle­ge­rin­nen und ‑pfleger in Deutsch­land, die jeden Tag anpacken und sich um die älteren und pflege­be­dürf­ti­gen Menschen in unserer Gesell­schaft kümmern», sagte Heil am Diens­tag. Sie seien «wichti­ge Schrit­te, um die Arbeits­be­din­gun­gen spürbar zu verbes­sern». Heil versprach: «Diesen Weg werden wir weitergehen.»«

«Erster wichti­ger Schritt zu einer fairen Entlohnung»

«Für viele Pflege­kräf­te zahlt sich ein höherer Mindest­lohn in besse­rer Bezah­lung aus», sagte auch Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD). Viele Arbeit­ge­ber würden aber bereits «aus guten Gründen deutlich mehr» an ihre Beschäf­tig­ten zahlen. Die Anhebung des Mindest­lohns sei deshalb «nur ein erster wichti­ger Schritt auf dem Weg zu einer fairen Entloh­nung des Pflege­per­so­nals», sagte Lauter­bach. «Nur wenn in der Pflege Tarif und mehr die Regel ist, wird der Beruf attrak­tiv bleiben. Dafür werden wir sorgen.»

Der Pflege­kom­mis­si­on gehören Vertre­te­rin­nen und Vertre­ter von Pflege­ein­rich­tun­gen, Arbeit­ge­bern und Arbeit­neh­mern an. Im April will sie erneut zusammenkommen.

Aus den Reihen ihrer Mitglie­der waren am Diens­tag unter­schied­li­che Töne zur Entschei­dung zu verneh­men. Der Arbeit­ge­ber­ver­band bpa, der priva­te Anbie­ter vertritt, begrüß­te die Lohnstei­ge­run­gen. «Damit wird das Gerede von angeb­lich schlecht bezahl­ten Pflege­kräf­ten hoffent­lich aufhö­ren», erklär­te bpa-Präsi­dent und Kommis­si­ons­mit­glied Rainer Brüderle.

Andere Arbeit­ge­ber­ver­bän­de wie der Arbeit­ge­ber­ver­band Pflege und die kommu­na­len Arbeit­ge­ber­ver­bän­de (VKA) und das Deutsche Rote Kreuz wiesen auf höhere Kosten hin, die mit den neuen Mindest­löh­nen auf Pflege­be­dürf­ti­ge und Angehö­ri­ge zukämen. «Von der Anhebung der Pflege­min­dest­löh­ne sind auch die Pflege­be­dürf­ti­gen und ihre Angehö­ri­gen betrof­fen, da dies insge­samt zu höheren Kosten führt. Klar ist, dass solche extre­men Steige­run­gen nicht dauer­haft möglich sind», mahnte etwa VKA-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Niklas Benrath.

Die nun von der Kommis­si­on empfoh­le­nen Mindest­löh­ne gelten zunächst einmal bis zum 31. Januar 2024.

Die Gewerk­schaft Verdi begrüß­te die höheren Löhne, kriti­sier­te aber, dass es in der Pflege nach wie vor keine umfas­sen­den Tarif­ver­trä­ge gebe. Allein über einen Mindest­lohn seien die «Perso­nal­pro­ble­me in der Alten­pfle­ge nicht zu lösen», erklär­te etwa Vorstands­mit­glied Sylvia Bühler.

Ein für die gesam­te Branche verbind­li­cher Tarif­ver­trag war im vergan­ge­nen Jahr am Wider­stand des Caritas-Verbands geschei­tert. Die Arbeits­recht­li­che Kommis­si­on des Verbands, die über die Allge­mein­ver­bind­lich­keit mitent­schei­den sollte, hatte dem Vorstoß die nötige Mehrheit verweigert.