Die Kabinetts­vor­la­ge ist geschrie­ben, aber noch sind nicht alle Fragen geklärt. Das Innen­mi­nis­te­ri­um setzt sich für messer­freie Zonen in Baden-Württem­berg ein. Eine Stadt zeigt bereits großes Interesse.

Ein 22-Jähri­ger wird am helllich­ten Tage in Stutt­gart in einen Hinter­halt gelockt, verprü­gelt und mit einem Messer getötet. Blumen, Bilder und Kerzen am Tatort erinnern noch immer an den jungen Mann, der im vergan­ge­nen Oktober jäh aus dem Leben geris­sen wurde. Tödli­che Messer­an­grif­fe wie dieser sind keine Selten­heit: Bei jedem zweiten Fall von Mord oder Totschlag im Südwes­ten ist ein Messer im Spiel. Laut Innen­mi­nis­te­ri­um überleb­ten das 24 Menschen im vergan­ge­nen Jahr nicht.

Das Ressort von Minis­ter Thomas Strobl (CDU) will solche Taten erschwe­ren und es Kommu­nen erleich­tern, gegen Messer­an­grif­fe vorzu­ge­hen. Die derzei­ti­ge Lage: Die Gewalt­kri­mi­na­li­tät mit dem Tatmit­tel Messer hat abgenom­men. Mit etwa 1500 Fällen ist sie 2021 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 10 Prozent gesun­ken — auf ein Fünfjah­res­tief. 1000 Fälle gingen auf das Konto schwere/gefährliche Körper­ver­let­zung, gefolgt von räube­ri­schem Angriff oder Erpres­sung (340), Mord und Totschlag (141) sowie Straf­ta­ten gegen die sexuel­le Selbst­be­stim­mung (18).

Damit diese Entwick­lung sich fortsetzt, will das Minis­te­ri­um den Kommu­nen erlau­ben, messer­freie Zonen einzu­rich­ten. Dabei umfasst der Begriff Messer auch Bajonet­te, Butter­fly­mes­ser, Dolche und Haushalts-/Küchen­mes­ser. Nach Angaben der Deutschen Polizei­ge­werk­schaft bleibt das bekann­te Schwei­zer Taschen­mes­ser erlaubt. «Ein wenig überspitzt kann man sagen: Es ist gerade das Messer gestat­tet, mit dem man beim Grillen gerade noch einen Stock anspit­zen kann», erläu­tert Landes­chef Ralf Kusterer.

Die Kabinetts­vor­la­ge für eine entspre­chen­de Verord­nung ist in der Abstim­mung der Minis­te­ri­en. Details will ein Sprecher von Strobl noch nicht nennen. Er verweist darauf, dass damit das von Grün-Schwarz im Koali­ti­ons­ver­trag angekün­dig­te Vorha­ben verwirk­licht wird, nieder­schwel­li­ge Möglich­kei­ten für kommu­na­le Waffen­ver­bots­zo­nen zu schaffen.

Für Gewerk­schaf­ter Kuste­rer ist die Maßnah­me eine von vielen, um die Sicher­heit im öffent­li­chen Raum zu erhöhen.Laut Innen­mi­nis­te­ri­um passie­ren etwa 40 Prozent aller Aggres­si­ons­de­lik­te — Körper­ver­let­zung, gefähr­li­che Körper­ver­let­zung und Raub — auf Straßen und Plätzen.

Bei der neuen Verord­nung ist vieles zu klären, wie ein Sprecher des Innen­mi­nis­te­ri­ums sagte. Ein Beispiel: «Wie kann ein Mensch ein bei einem Innen­stadt­ge­schäft gekauf­tes Küchen­mes­ser nach Hause bringen, ohne dass er damit gegen ein Verbot verstößt?» Weite­re Fragen: Welche Voraus­set­zun­gen müssen erfüllt sein, um eine solche Zone zu recht­fer­ti­gen? Und wann sollen die Verbo­te gelten — jeden Tag, nur am Wochen­en­de oder zu bestimm­ten Uhrzeiten?

Die Stadt Stutt­gart zeigt großes Inter­es­se an dem Novum. Um schwe­re Straf­ta­ten mit einem Messer zu verhin­dern, soll es verbo­ten werden, Messer mit einer festste­hen­den oder feststell­ba­ren Klinge von mehr als vier Zenti­me­tern mit sich zu führen. Die Stadt geht davon aus, dass sie auch Verbo­te an Orten anord­nen kann, an denen sich beson­ders viele Menschen aufhal­ten — nicht nur an Krimi­na­li­täts­schwer­punk­ten. Oberbür­ger­meis­ter Frank Nopper (CDU) wartet sehnlichst auf grünes Licht vom Minis­te­ri­um. Verbo­te sollen nach seinen Angaben in den Berei­chen Kleiner Schloss­platz, Schloss­platz, Schloss­gar­ten und Stadt­gar­ten gelten.

Die Stadt reagiert mit dieser und anderen Maßnah­men wie mehr Video­über­wa­chung unter anderem auf die Krawall­nacht im Juni 2020. «Wir stellen bei Kontrol­len vermehrt fest, dass Messer mitge­führt werden», sagt der Stutt­gar­ter Vize-Polizei­prä­si­dent Markus Eisen­braun. Und es bestehe auch die Bereit­schaft, sie einzu­set­zen. Ein Verstoß gegen das Verbot soll mit bis zu 10 000 Euro geahn­det werden können. Über den räumli­chen und zeitli­chen Geltungs­be­reich eines Messer­ver­bots wird der Stutt­gar­ter Gemein­de­rat entscheiden.

Für andere Städte wie Mannheim und Freiburg, die ebenfalls mit aggres­si­vem Verhal­ten im öffent­li­chen Raum zu tun hatten, ist ein Messer­ver­bot derzeit kein Thema. Anders sieht das der Mannhei­mer Chef der Gewerk­schaft der Polizei, Thomas Mohr: «Ich bin für eine messer­freie Zone dort, wo sich unser Klien­tel bewegt.» Messer­an­grif­fe seien für die Beamten «Alltags­ge­schäft.»

Der Städte­tag hält ein Verbot für eng begrenz­te Gebie­te unter bestimm­ten Voraus­set­zun­gen für zweck­mä­ßig. Es müsse aber mit weite­ren Maßnah­men verzahnt werden.

Hamburg hat als erstes Bundes­land 2007 Waffen­ver­bots­zo­nen einge­führt — auf der Reeper­bahn. Die hansea­ti­sche Polizei zieht eine positi­ve Bilanz. Waffen und gefähr­li­che Gegen­stän­de wie Messer konnten aus dem Verkehr gezogen werden. «Jeder einzel­ne dieser Gegen­stän­de ist einer zu viel», hieß es.