STUTTGART (dpa/lsw) — Sie frühstü­cken allein, gehen allein einkau­fen, kochen allein und schau­en dann Fernse­hen. Allein. Die Einsam­keit ist für Millio­nen Menschen in Deutsch­land eine tägli­che Beglei­te­rin. In Baden-Württem­berg greifen Senio­ren nun eine Idee auf, um die Not ein wenig zu lindern.

Millio­nen Menschen leben in Deutsch­land allein. Durch Pande­mie, Lockdown und die Angst vor dem Virus hat das Gefühl der Einsam­keit nach einer Umfra­ge nochmal deutlich zugenom­men. Im Sommer 2020 lag der Anteil sehr einsa­mer Menschen im Alter von 46 bis 90 Jahren bei knapp 14 Prozent und damit 1,5‑mal höher als in den Vorjah­ren, wie das Deutschen Alters­sur­vey erfasst hat. Was fehlt, sind vor allem Gesprächspartner.

Der baden-württem­ber­gi­sche Landes­se­nio­ren­rat greift deshalb eine Idee auf, die bereits in Großbri­tan­ni­en populär gewor­den ist und auch in einigen deutschen Regio­nen Nachah­mer gefun­den hat. Mit dem «Schwätz­bänk­le» sollen Menschen am Sonntag (5. Septem­ber) zum Gespräch zusammenkommen.

An 20 Orten im Land sollen Schil­der an Bänken darauf aufmerk­sam machen, dass Menschen hier offen zum «Schwät­zen» mit Fremden sind. Wer locker ins Gespräch kommen will, über Gott, die Welt, das Wetter oder vielleicht die Sprit­prei­se sprechen möchte, der kann Platz nehmen.

«Wir kapern sozusa­gen die Bänke und wollen diesen nieder­schwel­li­gen Zugang bieten, damit Menschen Gesell­schaft finden», sagt Eckart Hammer, der Vorsit­zen­de des baden-württem­ber­gi­schen Landes­se­nio­ren­rats der dpa. «Die Idee soll Schule machen.» Einsam­keit sei aller­dings nicht allein ein Problem der älteren Menschen, beton­te Hammer. Sie hätten kein höheres Risiko, einsam zu sein, als jünge­re Menschen.

Wissen­schaft­ler sehen das anders. Denn nach den Ergeb­nis­sen des Deutschen Alters­sur­veys besteht insbe­son­de­re bei Älteren über 80 Jahren ein deutlich höheres Risiko einer sozia­len Isola­ti­on, wenn multi­ple Problem­la­gen dazukom­men, die Einsam­keit und sozia­le Isola­ti­on begüns­ti­gen oder auslö­sen können. Schick­sals­schlä­ge können das sein oder Erkran­kun­gen, der nachlas­sen­de Körper, die mangeln­de Mobili­tät oder die zuneh­men­de Altersarmut.

«Einsam­keit gehört für viele ältere Menschen leider zum Alltag – unabhän­gig von Corona», sagt auch Sozial­mi­nis­ter Manne Lucha (Grüne). Deshalb sei es vor allem für ältere Menschen wichtig, Orte der Begeg­nung zu schaf­fen. Mit einem starken gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt könne schon viel erreicht werden. Ein Lächeln gehöre dazu, ein Anruf bei der Oma oder dem Opa, ein Gespräch mit der Nachba­rin. «So kann auch jede und jeder von uns dazu beitra­gen, Einsam­keit zu verhindern.»

Am Sonntag will der Landes­se­nio­ren­rat mit gutem Beispiel voran­ge­hen und die Sitzbän­ke an mehr als 20 Orten selbst beset­zen. «Wer sich dazusetzt, signa­li­siert: Ich habe Lust, zuzuhö­ren und Lust, zu erzäh­len», sagt Hammer. «Es geht dabei nicht um Krisen­ge­sprä­che, sondern um eine Möglich­keit, sich einfach locker über das, was einen gerade beschäf­tigt, zu unterhalten.»

Die Idee entstand nach Angaben der Organi­sa­to­ren im Jahr 2018 in England, wo die erste «chat bench» aufge­stellt wurde. Inzwi­schen gebe es Plauder­bän­ke in verschie­de­nen Ländern.