Titel­ver­tei­di­ger FC Bayern steht vor dem K.o. in der Champi­ons League. Neben dem bitte­ren 2:3 beim Wieder­se­hen der Finalis­ten drücken Verlet­zun­gen und der verkün­de­te Boateng-Abschied auf die Stimmung.

MÜNCHEN (dpa) — Die Münch­ner Kampf­an­sa­gen wurden von einem vielsa­gen­den Auftritt von Hansi Flick und reich­lich Sorgen begleitet.

Neben dem drohen­den Aus des Titel­ver­tei­di­gers in der Champi­ons League drück­ten nach dem schmerz­haf­ten Final-Wieder­se­hen mit Paris Saint-Germain die Verlet­zun­gen von zwei weite­ren Stars und der nahen­de Abschied von Jérôme Boateng auf die Stimmung. «Wir haben noch ein Spiel in Paris, und wir werden alles bündeln, um es in ein positi­ves Ergeb­nis zu wenden», kündig­te Trainer Flick einen großen Kampf des Triple­si­e­gers für das Viertel­fi­nal-Rückspiel am kommen­den Diens­tag an. «Wir wollen ins Halbfinale.»

Anders als 277 Tage zuvor in der glorrei­chen Nacht von Lissa­bon, als sich die Bayern durch das 1:0 zu Europas Königen krönten, schlug beim mitrei­ßen­den 3:2 im ersten Teil der Revan­che PSG um den Doppel­tor­schüt­zen Kylian Mbappé und Doppel­vor­be­rei­ter Neymar gnaden­los zu. Und anders als im Finale war Manuel Neuer diesmal überwind­bar, beim 0:1 durch Weltmeis­ter Mbappé flutsch­te ihm der Ball sogar durch die Beine.

«Wenn wir den Killer­instinkt an den Tag legen, den wir oft sonst zeigen, sähe alles anders aus», klagte Thomas Müller. Der verletz­te Weltfuß­bal­ler Robert Lewan­dow­ski dürfte auf dem heimi­schen Sofa angesichts von Münch­ner Chancen en masse mit 29 vergeb­li­chen Versu­chen schier verzwei­felt sein. Die Treffer seines gut agieren­den Ersatz­man­nes Eric Maxim Choupo-Moting und von Müller waren für die klar überle­ge­nen Bayern zu wenig — bei der Kür zum Bald-Meister in Leipzig hatte das Ensem­ble am Samstag noch mit Effek­ti­vi­tät geglänzt.

«Wir haben uns das Ei selbst ins Nest gelegt. Jetzt müssen wir dem Rückstand hinter­her­lau­fen», hader­te Müller. Und das vielleicht nicht nur ohne Lewan­dow­ski und Serge Gnabry nach dessen positi­vem Corona-Test, sondern vielleicht auch noch ohne die verletzt ausge­wech­sel­ten Leon Goretz­ka und Niklas Süle. «Natür­lich dürfen sich nicht noch mal drei, vier Spieler weh tun», sagte Müller.

Zweimal verlo­ren die Münch­ner in der K.o.-Runde der Königs­klas­se das Hinspiel zu Hause, zweimal schie­den sie in den Jahren 2017 und 2018 gegen Real Madrid aus. Bei einer Heimnie­der­la­ge mit einem Tor kamen in Europas Elite­li­ga überhaupt nur vier Teams weiter. «Aber wir sind Bayern München, und es gibt noch ein Rückspiel. Und dann schau­en wir mal», verkün­de­te Vorstand Oliver Kahn passend zu seinem frühe­ren «Titan»-Motto: Weiter, immer weiter.

Das gilt für Boateng beim FC Bayern nicht mehr. Am Saison­ende ist Schluss, wie Sport­vor­stand Hasan Saliha­mid­zic vor dem Anpfiff verkün­de­te. Als Flick nach dem ärger­li­chen Abend gefragt wurde, ob ihn eine solche Bekannt­ma­chung kurz vor einem wichti­gen Spiel störe, ließ er mächtig Ärger erkennen.

«Ich muss hier profes­sio­nell auch Fragen beant­wor­ten. Alles muss ich jetzt auch nicht beant­wor­ten, weil ich es auch nicht möchte», sagte Flick, legte aber vielsa­gend nach. «Ich muss da ein bisschen Schau­spie­lern auch. Gehört auch dazu zum Trainer­job.» Der Aussa­ge ließ er ein Lächeln folgen — und viel Interpretationsspielraum.

Der Burgfrie­den zwischen ihm und Saliha­mid­zic ist brüchig, dazu geht die Dauer-Debat­te um Flicks Zukunft an die Nerven. Die wieder­hol­ten Verwei­se der Protago­nis­ten auf den bis 2023 laufen­den Vertrag und die aktuel­len sport­li­chen Heraus­for­de­run­gen bringen keine Klarheit. Vorstands­chef Karl-Heinz Rumme­nig­ge beton­te vor dem Paris-Knaller zwar noch einmal, dass der DFB «ohne Hansi» planen müsse. Zweifel bleiben aber.

Das nächs­te Aus der bereits im Pokal geschei­ter­ten Bayern, die nach 19 Spielen und erstmals überhaupt unter Flick in der Königs­klas­se verlo­ren, könnte das Betriebs­kli­ma beim Sechs­fach-Champi­on verschlech­tern. Beim Kampf um den Einzug in das Halbfi­na­le, in dem Manches­ter City um Pep Guardio­la oder Borus­sia Dortmund der nächs­te Gegner wäre, hofft Flick auf eine recht­zei­ti­ge Genesung von Süle und Goretz­ka nach deren musku­lä­ren Proble­men. Am Samstag gegen Union Berlin fehlen sie in jedem Fall.

Über ein überra­schen­des Mitwir­ken des am Knie verletz­ten Lewan­dow­ski mochte Flick erst gar nicht speku­lie­ren. «Wunder­hei­lung ist immer ein bisschen übertrie­ben», sagte Flick. Lewan­dow­ski geht selbst nicht von einer Rückkehr für das PSG-Spiel aus. Der Gegner bangt seiner­seits um den Einsatz von Kapitän und Torschüt­ze Marquin­hos, der ebenfalls in Hälfte eins verletzt raus musste.

«Noch ist nichts gewon­nen, es gibt noch das Rückspiel», warnte Mbappé, der im Achtel­fi­na­le gegen Lionel Messis FC Barce­lo­na vierfach getrof­fen hatte. Mbappé spricht aus Erfah­rung: Im Jahr 2019 schied PSG nach einem 2:0‑Erfolg bei Manches­ter United nach einem 1:3 zu Hause aus — das würde auch den Bayern reichen.

Von Chris­ti­an Kunz, dpa