BERLIN (dpa) — In der weltwei­ten Ranglis­te der Presse­frei­heit fällt Deutsch­land erstmals aus der Spitzen­grup­pe. Grund: Angrif­fe auf Journa­lis­ten haben zugenom­men. Beson­ders gefähr­det sind Repor­ter bei Corona-Demos.

Die Lage der Journa­lis­ten gilt hierzu­lan­de nicht mehr als «gut»: Die Bundes­re­gie­rung hat mit Sorge auf die Herab­stu­fung Deutsch­lands in der weltwei­ten Ranglis­te der Presse­frei­heit reagiert.

«Die Angrif­fe auf Journa­lis­tin­nen und Journa­lis­ten vor allem bei Protes­ten von Corona-Leugnern sind Angrif­fe auf die Presse­frei­heit, die wir als demokra­ti­sche Gesell­schaft keines­falls hinneh­men dürfen», sagte Bundes­jus­tiz­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lambrecht (SPD). «Wer “Lügen­pres­se” brüllt oder von “System­me­di­en” fabuliert, berei­tet einem Klima der Gewalt den Boden.» Lambrecht verwies auf Initia­ti­ven der Regie­rung wie den Gesetz­ent­wurf gegen sogenann­te Feindeslisten.

In weltwei­ten Ranglis­te der Presse­frei­heit der Organi­sa­ti­on Repor­ter ohne Grenzen (RSF) fiel Deutsch­land erstmals aus der Spitzen­grup­pe heraus: «Aufgrund der vielen Übergrif­fe auf Corona-Demons­tra­tio­nen mussten wir die Lage der Presse­frei­heit in Deutsch­land von “gut” auf nur noch “zufrie­den­stel­lend” herab­stu­fen: ein deutli­ches Alarm­si­gnal», so RSF.

Im Kalen­der­jahr 2020 zählte RSF mindes­tens 65 gewalt­tä­ti­ge Angrif­fe gegen Journa­lis­ten in Deutsch­land. Damit habe sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr verfünf­facht. Die Bundes­re­pu­blik rangiert im globa­len Ranking von 180 Ländern auf dem 13. Platz. Nach vergleich­ba­rer Metho­dik gibt es die Aufstel­lung seit dem Jahr 2013.

Als «so beschä­mend wie alarmie­rend» bezeich­ne­te der medien­po­li­ti­sche Sprecher der FDP im Bundes­tag, Thomas Hacker, das Abschnei­den Deutsch­lands. Der Rechts­staat müsse «sofort mit aller Entschie­den­heit» reagie­ren. «Bei Demo-Gesche­hen müssen Angrif­fe auf Journa­lis­ten die gleichen Konse­quen­zen für die Täter haben wie etwa Volks­ver­het­zung oder Plünde­run­gen. Berech­tig­te Kritik an Bericht­erstat­tung muss es immer geben, aber Medien­ver­tre­ter sind niemals Freiwild», so Hacker.

RSF-Geschäfts­füh­rer Chris­ti­an Mihr forder­te im Radio­sen­der Bayern 2 mehr Rücken­de­ckung für Journa­lis­ten, die über Kundge­bun­gen von Gegnern der Corona-Maßnah­men berich­ten. Man müsse kritisch sagen, dass die Polizei in Deutsch­land «nicht immer die Rechte von (…) Journa­lis­ten angemes­sen schützt», sagte Mihr. «Deshalb fordern wir auch, dass in der polizei­li­chen Aus- und Weiter­bil­dung das gestärkt wird, dass Polizis­tin­nen und Polizis­ten besser lernen: Was sind die Rechte von Journa­lis­ten im Rahmen von Berichterstattung?»

Die Mehrheit der körper­li­chen und verba­len Angrif­fe ereig­ne­te sich 2020 laut den Angaben der Repor­ter-Organi­sa­ti­on auf oder am Rande von Demons­tra­tio­nen gegen Corona-Maßnah­men. «Journa­lis­ten wurden geschla­gen, getre­ten und zu Boden gesto­ßen, sie wurden bespuckt und bedrängt, belei­digt, bedroht und an der Arbeit gehin­dert. Mehr als drei Viertel aller körper­li­chen Angrif­fe ereig­ne­ten sich auf oder am Rande von Demons­tra­tio­nen, darun­ter neben den Corona-Protes­ten zum Beispiel auch auf Demos gegen das Verbot der linken Inter­net­platt­form linksunten.indymedia.org und auf Demos zum 1. Mai», bilan­ziert RSF.

Der Deutsche Journa­lis­ten-Verband (DJV) sprach von einem «Alarm­si­gnal, das Politik und Gesell­schaft aufhor­chen lassen muss». DJV-Bundes­vor­sit­zen­der Frank Überall beton­te, dass es auch in den ersten Monaten dieses Jahres immer wieder zu Gewalt­ta­ten gegen Bericht­erstat­ter gekom­men sei: «Wenn das wichti­ge Grund­recht der Presse- und Meinungs­frei­heit immer weiter einge­schränkt wird, haben wir in Deutsch­land ein massi­ves Problem.»