LOS ANGELES (dpa) — Harvey Weinstein wird im Rollstuhl ins Gericht gescho­ben. Ankla­ge und Vertei­di­gung halten ihre Eröff­nungs­plä­doy­ers. Der Prozess um sexuel­le Übergrif­fe beginnt mit viel Drama — und drasti­schen Details.

Zum zweiten Mal steht der frühe­re Filmmo­gul Harvey Weinstein wegen sexuel­ler Übergrif­fe vor Gericht. Nach einem Prozess in New York, der 2020 mit einem Schuld­spruch und langer Haft endete, spielt das neuer­li­che Gerichts­dra­ma in Los Angeles, wo Weinstein einst als Star-Produ­zent von Filmhits gefei­ert wurde. Im Rollstuhl sitzend wurde der 70-Jähri­ge zum Prozess­auf­takt am Montag aus der Haftan­stalt in den Gerichts­saal gebracht. Mit Mühe sei er aufge­stan­den, um neben seinen Anwäl­ten auf einem Stuhl Platz zu nehmen, wie vor Ort anwesen­de Journa­lis­ten berichteten.

Bei den Eröff­nungs­plä­doy­ers erhob die Staats­an­walt­schaft in Kalifor­ni­en schwe­re Vorwür­fe. Ankla­ge­ver­tre­ter Paul Thomp­son zeigte am Montag (Ortszeit) vor Gericht Fotos von Frauen, die bei dem Prozess über Verge­wal­ti­gung und andere sexuel­le Übergrif­fe Weinsteins aussa­gen würden. Er zitier­te vor den zwölf Geschwo­re­nen Auszü­ge aus Schil­de­run­gen dieser Frauen mit teils drasti­schen Details.

Weinsteins Anwalt Mark Werks­man wies die Vorwür­fe in seinem Auftakt­plä­doy­er katego­risch zurück und stell­te Weinstein als unschul­di­gen Mann dar. Die Kläge­rin­nen hätten einver­nehm­li­chen Sex mit dem einfluss­rei­chen Produ­zen­ten gehabt, um ihre Karrie­re in Holly­wood voran­zu­brin­gen, führte der Vertei­di­ger aus.

Tatort Bever­ly Hills

Es gibt elf Ankla­ge­punk­te, darun­ter Verge­wal­ti­gung und andere sexuel­le Übergrif­fe. Es geht um Vorwür­fe von fünf Frauen in einem Zeitraum von 2004 bis 2013. Ihre Namen wurden als «Jane Doe #1 — #5» umschrie­ben und anony­mi­siert. Die meisten Übergrif­fe sollen in Hotels in Bever­ly Hills statt­ge­fun­den haben.

Kläge­rin Jane Doe #4 hatte vorab ihre Identi­tät enthüllt — es ist Jenni­fer Siebel Newsom, die Ehefrau des kalifor­ni­schen Gouver­neurs Gavin Newsom. Bei ihrer Begeg­nung mit Weinstein im Jahr 2005 hätte sie versucht, als Schau­spie­le­rin in Holly­wood Fuß zu fassen, sagte Thomp­son am Montag. Weinstein habe sie mit dem Verspre­chen, über ihre Karrie­re zu reden, in sein Hotel­zim­mer einge­la­den. Dort sei sie von ihm verge­wal­tigt worden.

Thomp­son zeich­ne­te ein erschre­cken­des Bild von dem Angeklag­ten — und das anhand von Aussa­gen mehre­rer Frauen. Weinstein habe vor ihnen mastur­biert, seine Opfer gewalt­sam bedrängt, zum Oralver­kehr genötigt. Er ging auch auf intime Details über Weinsteins Genita­li­en ein. Im Laufe des Prozes­ses sollen mehre­re Frauen die angeb­li­chen Übergrif­fe im Zeugen­stand schildern.

«Sex als Ware» ganz üblich

Weinstein-Anwalt Werks­man holte zum Auftakt gegen die Kläge­rin­nen aus. Sie würden lügen, Begeg­nun­gen erfin­den oder sie nun unter dem Eindruck der MeToo-Bewegung völlig anders darstel­len. Die Frauen hätten damals mit seinem Mandan­ten einver­nehm­lich Sex gehabt, um in Holly­wood weiter­zu­kom­men, sagte Werks­man. Das sei in der Branche so üblich gewesen. Das sei die «Casting-Couch» gewesen, mit Sex als Ware, führte der Anwalt nach Angaben der Repor­ter im Gericht aus. Weinstein sei nicht Brad Pitt oder George Clooney, aber die schönen Frauen hätten sich auf ihn einge­las­sen, weil er mächtig war.

Der Auftakt am Montag war ein Vorge­schmack für das zu erwar­ten­de Prozess-Drama, das sich nach Einschät­zung von Beobach­tern bis Dezem­ber hinzie­hen könnte. Dutzen­de Zeugen werden erwar­tet, darun­ter Sachver­stän­di­ge, aber auch Promis, wie etwa Schau­spie­ler Mel Gibson. In den vergan­ge­nen zwei Wochen war die Jury — neun Männer und drei Frauen — aus einem Pool von über 200 Kandi­da­ten ausge­wählt worden.

Mit Jane Doe #1 trat am Montag bereits die erste Kläge­rin in den Zeugen­stand. Ihrer Aussa­ge nach, war sie im Febru­ar 2013 für ein Filmfes­ti­val aus Rom nach Holly­wood gereist. Weinstein sei unter dem Vorwand, reden zu wollen, in ihr Hotel­zim­mer gekom­men. Er habe sie dort zum Oralver­kehr gezwun­gen, erzähl­te sie schluch­zend. Unter Tränen habe die Frau um Fassung gerun­gen, berich­te­ten anwesen­de Repor­ter. Die Befra­gung sollte am Diens­tag fortge­setzt werden.

Weinstein war im März 2020 in New York unter anderem wegen Verge­wal­ti­gung und sexuel­ler Nötigung zu 23 Jahren Haft verur­teilt worden. Die Jury glaub­te den Zeugen­aus­sa­gen mehre­rer Frauen entge­gen Weinsteins Unschulds­be­teue­run­gen. Dieser Prozess markier­te einen Meilen­stein der Rechts­ge­schich­te. Der Fall hatte die #MeToo-Bewegung maßgeb­lich mit ausgelöst.

Von Barba­ra Munker, dpa