FRANKFURT/MARBURG (dpa) — Kann ein Offener Brief den russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin zur Umkehr bewegen? Psycho­lo­gen aus 20 Ländern warnen Putin und nennen Konse­quen­zen des Krieges für die Bevöl­ke­rung und den Machthaber.

Psycho­lo­gen aus rund 20 Ländern wollen mit einem Offenen Brief den russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin zum Umden­ken bewegen.

«Wir schrei­ben an Sie, um unser wissen­schaft­li­ches und prakti­sches Wissen über die Konse­quen­zen eines Krieges für denje­ni­gen, der den Krieg beginnt, mit Ihnen zu teilen und einen Ausweg aus dieser gefähr­li­chen Situa­ti­on aufzu­zei­gen», beginnt das Schrei­ben, das von den hessi­schen Sozial­psy­cho­lo­gen Rolf van Dick (Uni Frank­furt) und Ulrich Wagner (Uni Marburg) initi­iert wurde. Unter­schrie­ben haben knapp 40 Kolle­gen von den USA bis Polen, Norwe­gen bis Südafri­ka, Indien und Pakistan.

Mit dem Brief wollen sie Putin über «negati­ve Effek­te» seiner Politik in Kennt­nis setzen, wie sie schrei­ben. Mit Verweis auf wissen­schaft­li­che Fachli­te­ra­tur erklä­ren sie, welche Prozes­se der Krieg gegen die Ukrai­ne im Einzel­nen in Gang setzt. Letzt­end­lich führe all das «zur Ableh­nung, Isola­ti­on und physi­scher Bedro­hung» der als verant­wort­lich gelten­den politi­schen Führungspersonen.

Bürger auf beiden Seiten eines Krieges erleb­ten «natio­na­le Isolie­rung», heißt es in dem Brief. Das führe zu einem Streben nach Verän­de­run­gen. Aus ökono­mi­schen Krisen entste­he das Gefühl, benach­tei­ligt zu sein «und dieses Gefühl ist häufig der Auslö­ser für Wider­stand, Protest und Revolu­tio­nen gegen staat­li­che Institutionen».

Die Erschaf­fung eines Weltbil­des, in dem man selbst positiv und der Feind negativ erscheint, «bindet Ressour­cen und führt dazu, dass die politi­schen Führungs­per­so­nen sich isolie­ren und in einer Blase von “Ja-Sagern” enden – und sie sind immer der Gefahr ausge­setzt, dass ihre Lügen enttarnt werden», schrei­ben die Autoren.

Wenn keiner­lei Sicher­heit mehr bestehe, entwi­ckel­ten Bürger ein starkes Bedürf­nis nach Erklä­run­gen: «Dies führt letzt­lich zu einer Wahrneh­mung der Situa­ti­on wie sie wirklich ist: Die Menschen werden erken­nen, wer für den Kriegs­aus­bruch und all sein Leiden, Verlet­zun­gen und Tod verant­wort­lich ist.»

«Aus unserer psycho­lo­gi­schen Perspek­ti­ve ist die wichtigs­te Empfeh­lung, unver­züg­lich mit Kriegs­hand­lun­gen aufzu­hö­ren», raten die Wissen­schaft­ler Putin: «Denken Sie noch einmal darüber nach, welche Ziele Sie mit dem Krieg verfol­gen wollten und was Sie tatsäch­lich mit der Gewalt errei­chen werden: für die russi­sche Bevöl­ke­rung und für Sie persön­lich!» Der Brief schießt mit dem Appell: «Bleiben Sie offen für Verhandlungen!»

Prof. van Dick hält es nicht für völlig ausge­schlos­sen, dass der Brief Putin erreicht, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. Das Schrei­ben sei unter anderem auf einem Inter­net­por­tal hochge­la­den worden, über das russi­sche Bürger dem Präsi­den­ten schrei­ben können. Die Unter­zeich­ner wollen auch die kriti­sche Opposi­ti­on in Russland errei­chen und ein Signal an die Ukrai­ne senden.