NÜRNBERG (dpa) — Die einsti­ge Arbei­ter­stadt Nürnberg verliert ein weite­res Stück Indus­trie­ge­schich­te: Nach so klang­vol­len Namen wie Grundig, Zündapp oder Schöl­ler verschwin­det nun auch die Großdru­cke­rei des Bertelsmann-Konzerns.

Quelle-Katalog? — Gibt es nicht mehr. Otto-Katalog? — Gibt es nicht mehr. Ikea-Katalog? — Gibt es nur noch online. Mit ihren einsti­gen Aushän­ge-Produk­ten ist auch die Nürnber­ger Großdru­cke­rei der zum Bertels­mann-Konzern gehöri­gen Prino­vis-Gruppe bald Geschich­te. Am 30. April schlie­ßen die Tore des 1947 als Buchdru­cke­rei gegrün­de­ten riesi­gen Indus­trie­stand­or­tes im Stadt­teil Langwas­ser. Eines der großen Kapitel deutscher Drucke­rei­ge­schich­te endet damit.

Seit der Schlie­ßungs­ent­schei­dung im Jahr 2019 sind nach Bertels­mann-Angaben 600 Arbeits­plät­ze in Nürnberg wegge­fal­len. Gut 120 seien bereits in andere Jobs vermit­telt, mindes­tens 150 hätten eine direk­te Anschluss­auf­ga­be oder gingen in den vorzei­ti­gen Ruhestand. 350 Leute können in eine Trans­fer­ge­sell­schaft wechseln. 40 bleiben vorerst im Unter­neh­men — und bauen die Anlagen zurück, darun­ter neun riesi­ge Druck­ma­schi­nen. Der Großteil wird verschrottet.

Die Schlie­ßungs­ent­schei­dung folgt tiefgrei­fen­den Verän­de­rungs­pro­zes­sen auf dem europäi­schen Drucke­rei­markt. Insbe­son­de­re Produk­te mit sehr hohen Aufla­gen wie Versand­haus­ka­ta­lo­ge gingen deutlich zurück, sagte ein Sprecher der Bertels­mann-Tochter Arvato. Der letzte Otto-Katalog wurde 2019 gedruckt. Ikea stieg vor kurzem aus physi­schen Katalo­gen aus. «Die Entschei­dung, den Stand­ort in Nürnberg in knapp zwei Jahren zu schlie­ßen, ist uns sehr schwer gefal­len. Sie ist aufgrund der deutli­chen Mengen- und Preis­rück­gän­ge im Jahr 2018 jedoch unumgäng­lich, um unser Druck­ge­schäft insge­samt zukunfts­wei­send aufzu­stel­len», hatte Bertels­mann-Vorstands­chef Thomas Rabe schon 2019 erklärt.

Der Druck­stand­ort war 1947 als Drucke­rei Maul & Co. durch die Porst-Gruppe gegrün­det worden. 1975 übernahm der Bertels­mann-Konzern mit 75 Prozent der Antei­le die Regie, 25 Prozent hielt die Schicke­danz-Gruppe (Quelle). 2006 gingen die Nürnber­ger in dem neu gegrün­de­ten Gemein­schafts­un­ter­neh­men Prino­vis auf, das die Bertels­mann-Dienst­leis­tungs­toch­ter Arvato gemein­sam mit der Konzern­schwes­ter Gruner&Jahr und Axel Sprin­ger aus der Taufe gehoben hatte.

Schon damals regier­te in der Druck­bran­che der Rotstift — die zuneh­men­de Digita­li­sie­rung und effizi­en­te­re Druck­sys­te­me forder­ten ihren Tribut. Nach und nach machten Prino­vis-Druck­stand­or­te dicht — 2019 kam dann die Entschei­dung zum Aus auch für Nürnberg.

Die Stadt Nürnberg hat inzwi­schen bereits die Hälfte des rund zehn Hektar großen Areals gekauft. «Mit der Schlie­ßung der Prino­vis-Drucke­rei zum Ende dieses Monats geht eine 70-jähri­ge Ära in Langwas­ser zu Ende. Wir stellen nun die Weichen in Richtung Zukunft, indem wir den östli­chen Teil des Prino­vis-Areals zu einem Raum für Bildung entwi­ckeln», sagte Nürnbergs Wirtschafts­re­fe­rent Micha­el Fraas. Es soll ein Schul­zen­trum mit drei Schulen entste­hen — ein Gymna­si­um, eine Berufs­schu­le und eine Realschule.

Die zweite Hälfte des frei werden­den Areals soll zu einer Art Indus­trie­park werden — in der Nähe startet in Kürze die neue Techni­sche Univer­si­tät Nürnberg.