RAVENSBURG (dpa/lsw) — Die coronabe­ding­te Schlie­ßung von Bordel­len hat im Südwes­ten viele Prosti­tu­ier­te in finan­zi­el­le Not gebracht. Das landes­wei­te Projekt «Works» will ihnen den Wechsel in andere Berufe ermög­li­chen. Eine erste Bilanz fällt positiv aus — verbun­den mit einer Forderung.

Etwas mehr als ein Jahr nach dem Start des landes­wei­ten Projekts «Works» zur beruf­li­chen Neuori­en­tie­rung von Prosti­tu­ier­ten haben die Leiter eine positi­ve Zwischen­bi­lanz gezogen. Bislang habe man mit den Angebo­ten 163 Menschen erreicht, teilte der Paritä­ti­sche Wohlfahrts­ver­band mit. «Angesichts der Pande­mie, die die Zusam­men­ar­beit mit der Zielgrup­pe in hohem Maße erschwert, ein klarer Erfolg.» Details wollen die Verant­wort­li­chen am Freitag (15.00 Uhr) am Rand einer Fachdis­kus­si­on in Ravens­burg vorstellen.

Seit dem Beginn der Corona-Krise habe sich die ohnehin oft schwie­ri­ge Finanz­la­ge von Menschen in der Prosti­tu­ti­on stark verschlech­tert, teilte der Wohlfahrts­ver­band mit. Das Bedürf­nis nach einem Berufs­wech­sel sei daher gestie­gen. Auf dem Weg dorthin wolle man Hinder­nis­se abbau­en — zum Beispiel durch Hilfe bei der Wohnungs­su­che und die Vermitt­lung von Maßnah­men zur beruf­li­chen Quali­fi­zie­rung. Das Projekt läuft in Stutt­gart und Pforz­heim sowie den Landkrei­sen Enzkreis, Reutlin­gen, Tübin­gen, Ravens­burg und Bodenseekreis.

Sozial­ar­bei­te­rin­nen und Sozial­ar­bei­ter hätten sich dort unter anderem mit kleinen Geschenk­tü­ten vor Bordel­le gestellt oder Prosti­tu­ier­te zur Corona-Impfung beglei­tet, um den Kontakt mit Sexar­bei­te­rin­nen und Sexar­bei­tern herzu­stel­len. «Wir haben Unter­schied­li­ches auspro­biert», sagte Riccar­da Freitag von der im Zuge des Projekts neu gegrün­de­ten Beratungs­stel­le PROUT der Aidshil­fe Tübin­gen-Reutlin­gen. «Und irgend­wann fing das Eis dann an zu brechen.»

Die Beratung der Teilneh­me­rin­nen und Teilneh­mer erfor­de­re aber oft sehr viel Zeit, beton­te Projekt­lei­te­rin Lydia Kissel von der Werkstatt Parität, einer Tochter­ge­sell­schaft des Wohlfahrts­ver­bands. Drohen­de Obdach­lo­sig­keit, fehlen­de Kinder­be­treu­ung und ein Mangel an Berufs­aus­bil­dung führten dazu, «dass eine beruf­li­che Neuori­en­tie­rung extrem beratungs- und damit zeitin­ten­siv ist», sagte Kissel. Deshalb wünsche man sich eine Verlän­ge­rung des Angebots. «Jetzt geht es darum, mehr Zeit für unsere Arbeit zu gewinnen.»

Das Sozial­mi­nis­te­ri­um in Stutt­gart fördert das Projekt bis zum Jahres­en­de mit EU-Mitteln zur Reakti­on auf die Corona-Pandemie.