Droht eine Klage­wel­le gegen den teilwei­sen Lockdown im Novem­ber? Gastro­no­men, Kultur­schaf­fen­de, aber auch Nagel­stu­dio-Betrei­ber könnten dagegen vorge­hen. Doch die Mehrheit der Bürger stärkt der Politik den Rücken.

Der Jurist und FDP-Vize Wolfgang Kubicki schreibt in einem Gastbei­trag für die «Passau­er Neue Presse»: «Die Beschlüs­se bleiben von solch einer bemer­kens­wer­ten Wider­sprüch­lich­keit, dass nur fraglich erscheint, wann das erste Gericht sie kippt und nicht ob.» Der Bundes­tags­vi­ze­prä­si­dent fragt: «Warum müssen Nagel­stu­di­os schlie­ßen, nicht aber Friseu­re? Wieso werden auch dort Restau­rants geschlos­sen, wo man noch weit entfernt ist von den selbst definier­ten Schwel­len­wer­ten?» All das sei nicht mehr zu erklären.

Der Staats­recht­ler Ulrich Battis erwar­tet eine erfolg­rei­che Klage­wel­le. «Ich gehe fest davon aus, dass es eine hohe Anzahl an Klagen geben wird und dass auch viele wie bisher in einst­wei­li­gen Rechts­schutz­ver­fah­ren damit durch­kom­men werden, siehe die gekipp­ten Beher­ber­gungs­ver­bo­te und Sperr­stun­den», sagte Battis der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung». Schon in der kommen­den Woche könne es erste Entschei­dun­gen geben. «Dass der gesam­te Lockdown von Gerich­ten gekippt wird, erwar­te ich aber nicht.»

Von Montag an sollen die Kontak­te auf zehn Perso­nen aus maximal zwei Haushal­ten begrenzt werden. Gastro­no­mie­be­trie­be sowie Kultur- und Freizeit­ein­rich­tun­gen bleiben den gesam­ten Novem­ber geschlos­sen. Hotels wird die Aufnah­me von Touris­ten verbo­ten. Schulen und Kitas sollen aber offen bleiben.

SONDERSITZUNGEN IN MEHREREN LÄNDERN

In mehre­ren Bundes­län­dern kommen an diesem Freitag die Landes­ka­bi­net­te zu Sonder­sit­zun­gen zusam­men. Die Regie­run­gen in Hamburg, Mecklen­burg-Vorpom­mern, Branden­burg, Sachsen und dem Saarland wollen die Beschlüs­se von Kanzle­rin Angela Merkel und den Minis­ter­prä­si­den­ten ins jewei­li­ge Landes­recht umset­zen. In Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfa­len hatten die Landes­re­gie­run­gen die entspre­chen­den Verord­nun­gen bereits am Donners­tag erlassen.

In mehre­ren Ländern sind heute zudem Sonder­sit­zun­gen der Landta­ge zum Thema geplant. So wollen etwa Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder (CSU) und die rhein­land-pfälzi­sche Minis­ter­prä­si­den­tin Malu Dreyer (SPD) ihren Kurs in Regie­rungs­er­klä­run­gen darlegen.

MEHRHEIT STEHT HINTER TEIL-LOCKDOWN

Die Mehrheit der Bürger unter­stützt nach einer Umfra­ge den geplan­ten Teil-Lockdown im Novem­ber oder wünscht sich sogar noch weiter­ge­hen­de Schrit­te, um die Pande­mie wieder einzu­däm­men. In einer Forsa-Erhebung für RTL und ntv befür­wor­te­ten 50 Prozent die von Bund und Ländern beschlos­se­nen strik­ten Maßnah­men. Weite­ren 16 Prozent der 1014 Befrag­ten reichen sie noch nicht aus. Genau einem Drittel dagegen gehen sie zu weit.

DROHEN NACH DER KRISE STEUERERHÖHUNGEN?

Um Umsatz­ver­lus­te von Unter­neh­men im Novem­ber wettzu­ma­chen, will der Bund nochmal zehn Milli­ar­den Euro zur Verfü­gung stellen. Angesichts der Rekord­ver­schul­dung des Staates wegen Corona will der SPD-Finanz­ex­per­te Lothar Binding Gutver­die­ner nach der Krise stärker zur Kasse bitten. «Die Menschen, die gut durch die Krise gekom­men sind, sollten dem Staat nach der Krise helfen, wieder auf die Beine zu kommen», sagte der finanz­po­li­ti­sche Sprecher der SPD-Frakti­on der «Bild»-Zeitung. «Das sollte eine Selbst­ver­ständ­lich­keit sein.»

Dagegen bekräf­tig­te Wirtschafts­mi­nis­ter Peter Altmai­er (CDU) in «Bild», er habe immer klar gesagt, «dass ich Steuer­erhö­hun­gen für Gift halte für die Wirtschaft und deshalb werde ich mich an Steuer­erhö­hungs­dis­kus­sio­nen nicht betei­li­gen. Ich werde mich auch dafür einset­zen, dass es in den nächs­ten vier Jahren nach der Bundes­tags­wahl im nächs­ten Jahr keine geben wird».

MERKEL GEGEN GRENZSCHLIESSUNGEN

Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel sprach sich bei einem EU-Video­gip­fel klar gegen die erneu­te Schlie­ßung von Grenzen inner­halb der Europäi­schen Union aus. Regie­rungs­spre­cher Steffen Seibert erklär­te nach dreistün­di­gen Beratun­gen der Staats- und Regie­rungs­chefs, dass sich Merkel für eine koordi­nier­te Bekämp­fung der Corona-Pande­mie in Europa einge­setzt habe: «Gerade für Deutsch­land als Land in der Mitte Europas ist es wichtig, dass die Grenzen offen bleiben, dass es einen funktio­nie­ren­den Wirtschafts­kreis­lauf gibt und dass wir gemein­sam die Pande­mie bekämpfen.»

Während der ersten Corona-Welle im Frühjahr hatten zahlrei­che EU-Länder ihre Grenzen ohne Abspra­chen geschlos­sen. Auch jetzt gibt es bereits wieder einsei­ti­ge Einrei­se­be­schrän­kun­gen. So hat die dänische Regie­rung vor einer Woche verfügt, dass Menschen aus Deutsch­land nicht mehr ohne trifti­gen Grund einrei­sen dürfen. Für den Großteil der weite­ren Staaten in Europa gilt das schon länger. Ungarn hat seine Grenzen schon wieder fast ganz für Auslän­der dicht gemacht.

INFEKTIOLOGE HÄLT AUSGANGSSPERRE FÜR DENKBAR

Gerd Fätken­heu­er, der Leiter der Infek­tio­lo­gie des Unikli­ni­kums Köln und Präsi­dent der Deutschen Gesell­schaft für Infek­tio­lo­gie, schließt eine Ausgangs­sper­re im Kampf gegen das Corona­vi­rus nicht aus. «Ich hoffe, wir können das vermei­den. Und ich bin optimis­tisch. Aber ganz ausschlie­ßen kann man eine solche Maßnah­me nicht, wenn die Zahl der Neufäl­le nicht sinkt», sagte der Kölner Chefarzt der «Rheini­schen Post». Aus seiner Sicht müsste in 10 bis 14 Tagen eine Wende erkenn­bar sein. «Das ist die Probe aufs Exempel. Sonst müssen wir noch nachle­gen, so hart es auch für viele ist.»