Burschen­schaf­ten stehen immer wieder als frauen­feind­lich, ewig-gestrig und rechts­extrem in der Kritik. Für den Antise­mi­tis­mus­be­auf­trag­ten Blume stellt mancher Männer­bund eine Gefahr für den Staat dar.

Blumes Kritik richtet sich vor allem gegen den Dachver­band Deutsche Burschen­schaft. Dieser sei «rechts­extrem, rassis­tisch und antise­mi­tisch». «Ich forde­re den Verfas­sungs­schutz auf, endlich diese Organi­sa­ti­on zu beobach­ten und die Netzwer­ke, die in den Staats­dienst reichen bis hin zu Polizei und Justiz, endlich aufzuklären.»

Aus dem Dachver­band traten bereits einige Burschen­schaf­ten aus — 2016 gründe­te sich die Allge­mei­ne Deutsche Burschen­schaft (ADB) als neuer Dachver­band, der nach eigenen Angaben völki­schem Gedan­ken­gut entge­gen­tritt. Die Deutsche Burschen­schaft als Zusam­men­schluss von fast 70 Burschen­schaf­ten und 4500 Mitglie­dern gibt es aber noch immer. Eine Presse­an­fra­ge bei dem Verband blieb unbeantwortet.

«Wer heute immer noch zu diesem rechts­extre­men Verband hält, der weiß, was er tut», sagt Blume. «Wenn die Deutsche Burschen­schaft in zwei Jahren immer noch kein Beobach­tungs­ob­jekt des Bundes­ver­fas­sungs­schut­zes ist, wird es auch für mich in den betrof­fe­nen Städten schwie­rig zu erklä­ren, wofür diese zentra­le Sicher­heits­be­hör­de eigent­lich da ist.»

Zu dem Dachver­band gehört auch die Heidel­ber­ger Burschen­schaft Norman­nia. Ein mutmaß­lich juden­feind­li­cher Übergriff dort erschüt­ter­te vor kurzem die Öffent­lich­keit. Ein Gast mit jüdischen Vorfah­ren soll Ende August bei einer Verbin­dungs­fei­er mit Gürteln geschla­gen, mit Münzen bewor­fen und antise­mi­tisch belei­digt worden sein. Polizei und Staats­an­walt­schaft ermit­teln nun wegen gefähr­li­cher Körper­ver­let­zung und Belei­di­gung gegen mehre­re Burschen­schaf­ter der Norman­nia. Den Ermitt­lern zufol­ge handelt es sich bei dem Schla­gen mit den Gürteln, der sogenann­ten «Gürtelung», um ein gängi­ges Ritual der tatver­däch­ti­gen Personen.

Der Alther­ren­ver­band, dem die Mitglie­der angehö­ren, wenn sie das Studi­um abgeschlos­sen haben und im Beruf stehen, distan­zier­te sich von dem Übergriff. Die Studen­ten­grup­pe, in der der Vorfall passiert sein soll, sei bereits aufge­löst worden. Für Blume ist die Norman­nia nicht glaub­wür­dig. «Hier hat man klar eine natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Tradi­ti­ons­li­nie bis ins Jahr 2020 im wunder­schö­nen Heidelberg.»

Die Polizei führe die Ermitt­lun­gen mit allem Nachdruck, heißt es aus dem Innen­mi­nis­te­ri­um. Zweifel an der neutra­len Aufklä­rung des Falles seien nicht angebracht. «Es geht darum, den Sachver­halt lücken­los aufzu­klä­ren, und es wird — ohne Ansehen der Person — jedem Verdachts­mo­ment umfas­send nachge­gan­gen», betont ein Sprecher. Wen das Landes­amt für Verfas­sungs­schutz beobach­tet, entschei­de das Landes­amt für Verfas­sungs­schutz unabhän­gig in eigener Zuständigkeit.

Das Wort Burschen­schaft findet sich im Verfas­sungs­schutz­be­richt des Landes kein einzi­ges Mal. Derzeit werde im Land keine Burschen­schaft beobach­tet, teilte ein Sprecher der Behör­de mit. Aller­dings lägen Erkennt­nis­se vor, dass einzel­ne Rechts­extre­mis­ten zugleich Mitglie­der in Burschen­schaf­ten seien. Auch gebe es Kontak­te zwischen rechts­extre­mis­ti­schen Organi­sa­tio­nen und Burschen­schaf­ten. So habe die Norman­nia Verbin­dun­gen zur rechts­extre­men Identi­tä­ren Bewegung — und die wird in Deutsch­land vom Verfas­sungs­schutz beobachtet.

Nach dpa-Infor­ma­tio­nen haben die Verfas­sungs­schüt­zer zuletzt geplant, die Norman­nia stärker unter die Lupe zu nehmen. Da die aktive Gruppe der Burschen­schaft nach dem Vorfall Ende August aufge­löst worden sei, sei sie nicht mehr richtig zu greifen, heißt es.

Auch dem Bundes­amt für Verfas­sungs­schutz liegen derzeit keine hinrei­chen­den Anhalts­punk­te dafür vor, dass die Deutsche Burschen­schaft Bestre­bun­gen gegen die freiheit­li­che demokra­ti­sche Grund­ord­nung verfolgt. Aber dem Dachver­band gehör­ten einzel­ne Burschen­schaf­ten an, die von Landes­äm­tern beobach­tet würden, teilt die Berli­ner Behör­de mit.

Der Antise­mi­tis­mus­be­auf­trag­te Blume stellt sich nicht gegen jede Burschen­schaft. Es gebe neben völki­schen und rechts­extre­men auch republi­ka­ni­sche Tradi­tio­nen, sagt er. Aber alle Burschen­schaf­ten hätten ein struk­tu­rel­les Problem — «dem sich einige stellen und andere nicht». Die Verei­ne sprächen junge Männer an auf der Suche nach Identi­tät, sie lockten mit günsti­gem Wohnraum und Karrie­renetz­wer­ken. «Proble­ma­tisch sind Ritua­le der Demüti­gung», sagt Blume. «Junge Männer werden Gewalt­ri­tua­len unter­wor­fen und sollen sie auch bei anderen anwen­den. Da entste­hen Gemein­schaf­ten mit einem autori­tä­ren Männlich­keits­bild und einem völki­schen Verständ­nis von Staatsbürgerschaft.»

«Die Behaup­tung, Antise­mi­ten und Nazis seien dumm — die hat nie gestimmt», sagt Blume. Rechte Burschen­schaf­ten sind aus seiner Sicht gefähr­lich — als autori­tä­re Kader­schmie­den für Justiz und Polizei und als Brutstät­te rechter Eliten. Blume sagt, in der Ausein­an­der­set­zung mit Burschen­schaf­ten müsse man endlich verste­hen: «Man kann hochge­bil­de­ter Akade­mi­ker sein und trotz­dem Antise­mit und Rechts­extre­mist. Diese Leute wissen, was sie tun. Gerade deren Netzwer­ke sind gefähr­lich und unter­gra­ben das Vertrau­en der Mehrheit in den Staat.»