BERLIN (dpa) — Die Legali­sie­rung von Canna­bis ist ein zentra­les Projekt der Ampel-Koali­ti­on — und heftig umstrit­ten. Nun wurden konkre­te Überle­gun­gen bekannt. Und schon setzt es Kritik von allen Seiten.

Eine mögli­che Canna­bis-Freiga­be in Deutsch­land rückt näher. Derzeit arbei­te die Bundes­re­gie­rung an einer «großen Lösung», hieß es am Mittwoch in Berli­ner Regie­rungs­krei­sen. Demnach soll nicht nur der Eigen­an­bau von Canna­bis straf­frei werden, sondern auch der Verkauf und die Beschaffung.

Konkret könnten ab 18 Jahren 20 Gramm des Hanfge­wäch­ses mit psycho­ak­ti­ver Wirkung legal gekauft werden, berich­te­te das Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND) unter Berufung auf ein Eckpunk­te­pa­pier des Gesund­heits­res­sorts. Die Union reagier­te prompt mit hefti­ger Kritik — Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) solle die Pläne stoppen. Die Grünen, die Linke und der Hanfver­band mahnten dagegen, das Gesetz solle nicht zu restrik­tiv ausfallen.

Ein Sprecher von Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) beton­te, dass noch kein in der Regie­rung abgestimm­tes Eckpunk­te­pa­pier vorlie­ge. Die Ressorts für Gesund­heit, Justiz, Wirtschaft, Agrar, Inneres und das Auswär­ti­ge Amt arbei­te­ten aber zusam­men an der Umset­zung des Koali­ti­ons­ver­trags. Dort hatten SPD, Grüne und FDP verein­bart, eine «kontrol­lier­te Abgabe von Canna­bis an Erwach­se­ne zu Genuss­zwe­cken in lizen­zier­ten Geschäf­ten» einzu­füh­ren. Zur Vorbe­rei­tung umfang­rei­cher Regelun­gen dafür waren mehre­re Exper­ten­an­hö­run­gen organi­siert worden. Lauter­bach hatte zum Herbst Eckpunk­te und für Ende des Jahres einen Gesetz­ent­wurf angekündigt.

«Es wird ein Riesengesetz»

Wie es in Minis­te­ri­ums­krei­sen am Mittwoch weiter hieß, gebe es noch «erheb­li­chen Klärungs­be­darf». Ziel sei es, durch die Legali­sie­rung die gesund­heit­li­chen Risiken zu verklei­nern, die durch den Schwarz­markt und den unkon­trol­lier­ten Anbau und Verkauf entstün­den. Der Kinder- und Jugend­schutz stehe im Vorder­grund. «Es wird ein Riesen­ge­setz», hieß es im Gesund­heits­res­sort weiter.

Unter­schied nach Alter:

Nach dem Bericht des RND sehen die vorläu­fi­gen Eckpunk­te vor, den Eigen­an­bau von bis zu zwei Canna­bis-Pflan­zen zu erlau­ben. Die Menge des berau­schen­den Wirkstoffs THC solle maximal 15 Prozent betra­gen dürfen. Um «canna­bis­be­ding­te Gehirn­schä­di­gun­gen» zu verhin­dern, dürften an jünge­re Menschen von 18 bis 21 Jahre nur Produk­te mit einem THC-Gehalt von höchs­tens 10 Prozent verkauft werden. Würden Jugend­li­che unter 18 Jahre mit Canna­bis erwischt, solle Straf­frei­heit gelten. Aller­dings sollten Jugend­äm­ter sie zur Teilnah­me an Präven­ti­ons­kur­sen verpflich­ten. Für Stand­or­te von Canna­bis-Geschäf­ten stünden Mindest­ab­stän­de zu Schulen, Kinder- und Jugend­ein­rich­tun­gen im Blick. Trotz einer Legali­sie­rung solle es unter­sagt bleiben, für Canna­bis-Produk­te zu werben.

Recht­li­che Hürden in Europa:

Verhin­dern will die Regie­rung vor allem ein Schei­tern in Europa, ein «Morbus Scheu­er», wie es in Berlin weiter hieß. In der Ampel wird damit der frühe­re Verkehrs­mi­nis­ter Andre­as Scheu­er (CSU) gemneint, der mit einem Presti­ge­pro­jekt der CSU, einer Pkw-Maut, europa­recht­lich geschei­tert war. Deshalb sollen erst Eckpunk­te abgestimmt und dann im Bundes­ka­bi­nett verab­schie­det werden — und erst wenn Brüssel und Straß­burg grünes Licht signa­li­sie­ren, soll ein Gesetz­ent­wurf folgen, wie es hieß. «Wenn die Prüfung ergibt, dass es recht­lich nicht geht, werden wir kein Gesetz vorle­gen», verlau­te­te aus der Regie­rung. Aller­dings sei man doch zuver­sicht­lich, dass es recht­lich gehe. Hinter­grund sind unter anderem recht­li­che Vorga­ben, nach denen die Staaten zu Maßnah­men verpflich­tet sind, die zur Unter­bin­dung von unerlaub­tem Handel mit Betäu­bungs­mit­teln nötig sind. In Deutsch­land könnte Canna­bis künftig recht­lich gar nicht mehr als Betäu­bungs­mit­tel einge­stuft werden.

Lauter­bachs Angaben zufol­ge nutzten etwa vier Millio­nen Erwach­se­ne Canna­bis. Es gebe einen großen Schwarz­markt, organi­sier­te Krimi­na­li­tät und Verun­rei­ni­gun­gen. «Der Canna­bis­kon­sum in Maßen, gut abgesi­chert, in Quali­tät und ohne Beschaf­fungs­kri­mi­na­li­tät ist etwas, was man akzep­tie­ren muss und was zu einer moder­nen Gesell­schaft dazuge­hört», hatte der Minis­ter betont.

Kritik an den Plänen:

Bayerns Gesund­heits­mi­nis­ter Klaus Holet­schek (CSU) forder­te Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) auf, die Canna­bis-Legali­sie­rungs­plä­ne seiner Ampel-Koali­ti­on zu stoppen. «Damit droht — unabhän­gig von den bislang nicht bestä­tig­ten Einzel­hei­ten — eine weite­re Verharm­lo­sung der Risiken durch diese Droge.» Zu den Canna­bis-Risiken zählten neben der Gefahr einer Abhän­gig­keits­ent­wick­lung negati­ve Auswir­kun­gen auf das Gedächt­nis sowie auf Lern- und Denkleistungen».

CSU-Gesund­heits­po­li­ti­ker Stephan Pilsin­ger sagte dem RND: «Wenn Canna­bis mit begrenz­tem THC-Gehalt in Deutsch­land produ­ziert werden muss, dann wird der Preis bei den für die Aufzucht schwie­ri­gen klima­ti­schen Bedin­gun­gen hierzu­lan­de (…) deutlich über dem Schwarz­markt­preis liegen.» Der Schwarz­markt werde deshalb nicht ausgetrocknet.

Warnung vor restrik­ti­ver Regelung:

Die Grünen-Gesund­heits­po­li­ti­ke­rin Kirsten Kappert-Gonther sagte: «Eine Legali­sie­rung, die den Gesund­heits- und Jugend­schutz verbes­sert, kann nur gelin­gen, wenn sie nicht zu restrik­tiv ist, denn sonst bezie­hen die Konsu­mie­ren­den ihr Canna­bis weiter vom Schwarz­markt.» Eine THC-Obergren­ze, gestaf­fel­te Alters­gren­zen und eine Begren­zung des Eigen­an­baus auf zwei Pflan­zen könnten dazu führen, dass einige Konsu­mie­ren­den weiter auf illega­les Canna­bis zurück­grei­fen würden. Das EU-Recht zu Canna­bis sei rudimen­tär. «In voraus­ei­len­dem Gehor­sam allein auf den Anbau in Deutsch­land zu setzen, kann dazu führen, dass der Bedarf nicht gedeckt werden kann.»

Auch der Linke-Politi­ker Ates Gürpi­nar warnte vor zu starren Vorga­ben. «Es ist so, als würde man in Bayern nur Leicht­bier erlau­ben. 2,5 Prozent bis 21 Jahre, darüber dann 3,5 Prozent Alkohol.» Der Deutsche Hanfver­band warnte ebenso vor restrik­ti­ven Regeln. Sprecher Georg Wurth sagte dem Nachrich­ten­por­tal t‑online: «Wir brauchen Regeln, die es für einen Konsu­men­ten attrak­tiv machen, in einen Laden zu gehen und eben nicht den Schwarz­markt zu besuchen.»

Von Sascha Meyer und Basil Wegener, dpa