BERLIN (dpa) — Die Gaskri­se droht sich zu verschär­fen. Die Bundes­re­gie­rung erwei­tert ihr Arsenal an Instru­men­ten, um gegen­steu­ern zu können. «Schar­fe Schwer­ter» will sie aber eigent­lich nicht ziehen.

Die Bundes­re­gie­rung will in der Gaskri­se mit der Stützung von Energie­un­ter­neh­men Verbrau­cher vor Preis­explo­sio­nen bewah­ren. Dazu könnte der Staat mit Milli­ar­den-Steuer­gel­dern bei angeschla­ge­nen Firmen wie Uniper einsteigen.

Um dies zu erleich­tern, brach­te das Kabinett gesetz­li­che Änderun­gen auf den Weg. Geplant ist außer­dem als Option ein Umlage­sys­tem, damit Preis­sprün­ge beim Gas für Energie­ver­sor­ger gleich­mä­ßi­ger an Kunden weiter­ge­ben werden können. Die Bundes­re­gie­rung will aber verhin­dern, dass dieses Instru­ment zum Einsatz kommen muss.

«Die Lage am Gasmarkt ist angespannt, und wir können eine Verschlech­te­rung der Situa­ti­on leider nicht ausschlie­ßen», sagte Wirtschafts­mi­nis­ter Robert Habeck. «Wir müssen uns darauf vorbe­rei­ten, dass sich die Lage zuspitzt.» Deshalb sollten Instru­men­te nachge­schärft werden. «Es geht darum, alles zu tun, um auch im kommen­den Winter die grund­le­gen­de Versor­gung aufrecht­zu­er­hal­ten und die Energie­märk­te so lange es geht am Laufen zu halten — trotz hoher Preise und wachsen­der Risiken.»

Proble­me könnten sich ab 11. Juli verschärfen

Hinter­grund ist die Drosse­lung russi­scher Gaslie­fe­run­gen durch die Ostsee­pipe­line Nord Stream 1. Dadurch geriet Deutsch­lands größter Impor­teur von russi­schem Erdgas, Uniper, in Turbu­len­zen und rief nach Staats­hil­fen. Die Proble­me könnten sich verschär­fen. Am 11. Juli begin­nen jährli­che Wartungs­ar­bei­ten von Nord Stream 1, die in der Regel zehn Tage dauern. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.

Uniper spielt eine zentra­le Rolle für die deutsche Energie­ver­sor­gung und belie­fert viele Stadt­wer­ke. Der Konzern kann aber derzeit Mehrkos­ten beim Einkauf von Gas nicht an die Kunden weiter­ge­ben. Daraus entstün­den deutli­che finan­zi­el­le Belas­tun­gen, hatte das Düssel­dor­fer Unter­neh­men bekanntgegeben.

Die Bundes­re­gie­rung verhan­delt mit Uniper über staat­li­che Hilfen. Möglich ist, dass sich der Bund betei­ligt. Das «Handels­blatt» berich­te­te, es werde in der Regie­rung darüber disku­tiert, dass der Bund ein Paket von neuen Aktien zeich­ne. Zudem sei eine stille Betei­li­gung im Gespräch. Das Volumen könnte zwischen drei Milli­ar­den und fünf Milli­ar­den Euro liegen.

Wie aus einer Ampel-Frakti­on verlau­te­te, könnten Stützungs­maß­nah­men von Unter­neh­men, etwa durch Kapital oder durch Übernah­me von Firmen­an­tei­len durch den Bund, notfalls auch gegen den Willen des Mehrheits­ei­gen­tü­mers gesche­hen. In der Corona-Krise hatte der Bund mit Milli­ar­den­gel­dern die Lufthan­sa gestützt und sich an dem Konzern beteiligt.

Stabi­li­sie­rungs­maß­nah­men für Energie­un­ter­neh­men als Priorität

Habeck sagte: «Wir werden nicht zulas­sen, dass wir einen syste­mi­schen Effekt im deutschen und europäi­schen Gasmarkt bekom­men, weil dann Domino­ef­fek­te eintre­ten und von einer Unter­neh­mens­plei­te andere Branchen oder gar die Versor­gungs­si­cher­heit insge­samt erfasst wird.»

Das Gas, das zu vergleichs­wei­se günsti­gen Verträ­gen in Russland bestellt worden sei, komme teilwei­se nicht. Die Verträ­ge, die Energie­ver­sor­ger aber mit Stadt­wer­ken oder der Indus­trie haben, müssten bedient werden. Die Energie­un­ter­neh­men müssten nun auf dem Markt Gas zu immens hohen Preisen nachkau­fen und würden so ins Minus geraten. «Das ist das Problem. Dieses Minus können Unter­neh­men eine zeitlang aushal­ten, aber sicher­lich nicht grenzenlos.»

Priori­tät sollen nun Stabi­li­sie­rungs­maß­nah­men für Energie­un­ter­neh­men haben — damit Gasver­sor­ger ihren Kunden nicht massen­haft die Verträ­ge kündi­gen und die Tarife erhöhen.

Der FDP-Energie­po­li­ti­ker Micha­el Kruse sagte: «Sollten Unter­neh­men etwa durch das Ausblei­ben von Gaslie­fe­run­gen in Schief­la­ge geraten, dann können diese unter hohen Aufla­gen vom Staat gestützt werden. So kann verhin­dert werden, dass große Preis­sprün­ge ungedämpft wie eine Schock­wel­le in den Markt gehen und Schäden produzieren.»

Umlage­sys­tem soll geschaf­fen werden

Zugleich soll ein Mecha­nis­mus als Option geschaf­fen werden, um Lasten im Fall der Fälle gleich­mä­ßi­ger auf alle Kunden vertei­len zu können. Dabei handelt es sich um ein Umlage­sys­tem — ähnlich wie bei der inzwi­schen abgeschaff­ten EEG-Umlage zur Förde­rung des Ökostroms über die Strom­rech­nung. Der bestehen­de Preis­an­pas­sungs­me­cha­nis­mus im Energie­si­che­rungs­ge­setz ist laut Wirtschafts­mi­nis­te­ri­um enger und hängt davon ab, welcher Impor­teur die Preise weiter­reicht. Die Umlage würde über alle Gaskun­den erfol­gen und wäre für alle Kunden gleich hoch.

Der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Stadt­wer­ke­ver­bands VKU, Ingbert Liebing, sagte, eine Umlage wäre weitaus besser als eine reine Preis­wei­ter­ga­be — eine solche könnte zu einer sehr hohen, kurzfris­ti­gen und unglei­chen Belas­tung der Gaskun­den führen. «Wichtig ist aber auch: Wir müssen uns auf weite­re Verwer­fun­gen im Gasmarkt vorbe­rei­ten. Daher brauchen wir außer­dem schnell ein Insol­venz­mo­ra­to­ri­um und die notwen­di­gen Verab­re­dun­gen über einen Schutz­schirm auch für Stadt­wer­ke.» Noch nie sei die Lage der Energie­ver­sor­gung in der Bundes­re­pu­blik so angespannt gewesen.

Der Verbrau­cher­zen­tra­len-Verband VZBV erklär­te, der Umlage­me­cha­nis­mus werde sicher Preis­spit­zen für einzel­ne Verbrau­cher abfedern. Dennoch habe der Geset­zes­ent­wurf eine Schlag­sei­te zulas­ten der Verbrau­cher, die die Preise haupt­säch­lich schul­tern müssten — durch die Umlage und indirekt durch den steuer­fi­nan­zier­ten Rettungsschirm.

Die Bundes­re­gie­rung will außer­dem ihren Instru­men­ten­kas­ten für mögli­che Einzel­maß­nah­men zum Energie­spa­ren erwei­tern. Maßnah­men sollen auch schon vor Eintritt des Krisen­falls über Verord­nun­gen getrof­fen werden können.

Von Andre­as Hoenig, dpa