BERLIN (dpa) — Was kommt auf die Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer in einer immer älter werden­den Gesell­schaft zu? Exper­ten warten für das Haus von Wirtschafts­mi­nis­ter Altmai­er mit Vorschlä­gen voller Zündstoff auf.

Berater der Bundes­re­gie­rung haben rund drei Monate vor der Bundes­tags­wahl eine Reform hin zur Rente mit 68 vorgeschlagen.

Es drohten «schock­ar­tig steigen­de Finan­zie­rungs­pro­ble­me in der gesetz­li­chen Renten­ver­si­che­rung ab 2025», prognos­ti­zier­te der Wissen­schaft­li­che Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium.

Nach gelten­der Rechts­la­ge wird die Alters­gren­ze für die Rente ohne Abschlä­ge bis 2029 schritt­wei­se von 65 auf 67 Jahre angehoben.

Die Vorschlä­ge könnte das Thema Renten stärker in die bisher von Corona und Klima­po­li­tik dominier­ten Debat­ten vor der Bundes­tags­wahl katapul­tie­ren. Bei SPD, Grünen, Linken und Gewerk­schaf­ten dürften die Positio­nen des Beirats auf strik­te Ableh­nung stoßen.

Das Renten­ein­tritts­al­ter könne nicht langfris­tig von der Entwicklung
der Lebens­er­war­tung abgekop­pelt werden, beton­ten die Exper­tin­nen und Exper­ten für das Minis­te­ri­um von Ressort­chef Peter Altmai­er (CDU). «Statt­des­sen müssen die zusätz­li­chen Lebens­jah­re nach einer klaren Regel zwischen mehr arbei­ten und länger Rente bezie­hen aufge­teilt werden.» Dafür solle es eine «dynami­sche Kopplung des Renten­al­ters an die Lebens­er­war­tung» geben.

Das Verhält­nis der in Arbeit und in Rente verbrach­ten Lebens­zeit solle konstant bleiben. Gemäß den derzei­ti­gen Progno­sen der Lebens­er­war­tung würde mit einer solchen Regel das Renten­al­ter im Jahr 2042 mit 68 Jahren erreicht, sagte der Direk­tor am Max-Planck-Insti­tut für Sozial­recht und Sozial­po­li­tik in München, Axel Börsch-Supan, bei dem die Feder­füh­rung des Gutach­tens lag. Der Beirat beton­te in seiner Mittei­lung: «Sollte die Lebens­er­war­tung abneh­men, kann auch das Renten­al­ter sinken.»

Das Gremi­um machte mit der Forde­rung der Koppe­lung des Renten­ein­tritts­al­ters an die Lebens­er­war­tung einen Vorschlag, der bereits seit Jahren immer wieder für hohe Wellen in den renten­po­li­ti­schen Debat­ten in Deutsch­land sorgt. Illusio­när sei es zu erwar­ten, «dass sich höhere Beiträ­ge und ein niedri­ge­res Renten­ni­veau dauer­haft vermei­den lassen», so die Expertenrunde.

Nach Einschät­zung des Beirats müssten «stark steigen­de Zuschüs­se aus dem Bundes­haus­halt» in die Renten­kas­se fließen, wenn die gülti­gen Halte­li­ni­en für die Beiträ­ge und das Renten­ni­veau gehal­ten werden sollten. «Das ginge zulas­ten von Zukunfts­in­ves­ti­tio­nen zum Beispiel in Bildung, Infra­struk­tur und Klima­schutz und würde die Tragfä­hig­keit unseres Sozial­sys­tems unter­gra­ben», sagte der Vorsit­zen­de des Beirats, Klaus M. Schmidt, laut der Mittei­lung. Zu den Vorschlä­gen des Beirats zählt auch, bei den Renten­er­hö­hun­gen Bestands­ren­ten weniger stark zu dynami­sie­ren als neue Renten.

Aktuell gab es aber auch gute Renten-Nachrich­ten. Rentne­rin­nen und Rentner müssen eines nicht befürch­ten: gravie­ren­de Auswir­kun­gen der Corona-Krise auf ihre Bezüge. Der tiefe Wirtschafts­ein­bruch hat wohl nur gerin­ge Auswir­kun­gen auf die Renten­an­sprü­che, so das von der gewerk­schafts­na­hen Hans-Böckler-Stiftung geför­der­te Insti­tut DIW in einer Studie.

Die Folgen etwa für die Gruppe der 50- bis 64-Jähri­gen seien gering. Sie muss vergli­chen mit einem Szena­rio ohne Corona-Krise einen «leich­ten Rückgang von etwa einem Prozent der Renten­an­wart­schaf­ten» hinneh­men. Der pande­mie­be­ding­te Arbeits­aus­fall schla­ge sich vor allem wegen der Kurzar­beit nicht stark nieder — gezahlt werden hier Renten­bei­trä­ge für 80 Prozent des ausge­fal­le­nen Verdienstes.