BRÜSSEL (dpa) — Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Sanktio­nen gegen Russland in Kraft treten. Nun trifft es unter anderem einen der wohl bekann­tes­ten Milli­ar­dä­re des Landes und die Stahl­bran­che. In der EU wird manch einer zuneh­mend nervös.

Die Europäi­sche Union hat ihr viertes großes Paket mit Russland-Sanktio­nen in Kraft gesetzt. Es umfasst unter anderem eine Ausfuhr­sper­re für Luxus­gü­ter nach Russland, von der beispiels­wei­se neben Kunst­wer­ken und teuren Uhren auch Autos im Wert von mehr als 50.000 Euro betrof­fen sind.

Zudem wurden Einfuhr­be­schrän­kun­gen für bestimm­te Produk­te der russi­schen Eisen- und Stahl­in­dus­trie sowie ein umfas­sen­des Verbot neuer Inves­ti­tio­nen in den russi­schen Energie­sek­tor erlassen.

Der Import von Gas, Öl und Kohle aus Russland bleibt jedoch weiter möglich, weil Länder wie Deutsch­land die Energie­ver­sor­gung der EU ohne die Liefe­run­gen für nicht gesichert halten. Neben den genann­ten Maßnah­men sieht das Sankti­ons­pa­ket vor, Russland in Reakti­on auf die Invasi­on in die Ukrai­ne handels­po­li­ti­sche Vergüns­ti­gun­gen zu strei­chen, die es eigent­lich als Mitglied der Welthan­dels­or­ga­ni­sa­ti­on WTO hat. Konkret geht es dabei darum, Russland den sogenann­ten «Meist­be­güns­tig­ten­sta­tus» zu entziehen.

Sanktio­nen gegen Abramowitsch

Darüber hinaus gehört ab sofort auch der russi­sche Multi­mil­li­ar­där Roman Abramo­witsch zu denje­ni­gen Perso­nen, gegen die wegen des russi­schen Kriegs gegen die Ukrai­ne EU-Straf­maß­nah­men gelten. Konkret bedeu­tet dies unter anderem, dass die in der EU vorhan­de­nen Vermö­gens­wer­te des bishe­ri­gen Eigen­tü­mers des briti­schen Fußball­clubs FC Chelsea einge­fro­ren werden müssen.

Zur Begrün­dung heißt es im EU-Amtsblatt, Abramo­witsch sei ein russi­scher Oligarch «mit langjäh­ri­gen und engen Verbin­dun­gen zu Kreml­chef Wladi­mir Putin. Er habe einen privi­le­gier­ten Zugang zum Präsi­den­ten und unter­hal­te sehr gute Bezie­hun­gen zu ihm. Die Verbin­dun­gen hätten dem Großak­tio­när des Stahl­kon­zerns Evraz Group auch gehol­fen, «sein beträcht­li­ches Vermö­gen zu sichern». Die Evraz Group sei einer der größten Steuer­zah­ler Russlands.

Das Gesamt­ver­mö­gen von Abramo­witsch wurde vom US-Magazin «Forbes» auf zuletzt 7,2 Milli­ar­den US-Dollar (etwa 6,6 Mrd. Euro) geschätzt. Neben dem Champi­ons-League-Sieger FC Chelsea besitzt der 55-Jähri­ge demnach auch eine der größten Luxus-Jachten der Welt. Die rund 163 Meter lange «Eclip­se» wurde von der Hambur­ger Werft Blohm + Voss gebaut und 2010 in Dienst gestellt.

Großbri­tan­ni­en hatte im Zusam­men­hang mit der Invasi­on Russlands in die Ukrai­ne bereits in der vergan­ge­nen Woche Sanktio­nen gegen Abramo­witsch verhängt. Diese haben auch schwe­re Auswir­kun­gen auf den FC Chelsea. So darf der Fußball­ver­ein vorerst keine Spieler­trans­fers mehr tätigen und keine Eintritts­kar­ten für Spiele mehr verkau­fen. Auch das Budget für Auswärts­rei­sen ist stark beschränkt. Die Maßnah­men werden vermut­lich so lange gelten, bis Abramo­witsch den FC Chelsea verkauft hat. Der Russe hatte diesen Schritt bereits vor der Verhän­gung der Sanktio­nen gegen ihn angekündigt.

Maschi­nen­bau­er fordern Verzicht auf EU-Zölle

Sorgen berei­ten die Sanktio­nen und ihre Auswir­kun­gen unter­des­sen auch der europäi­schen Wirtschaft. Der Verband Deutscher Maschi­nen- und Anlagen­bau (VDMA) forder­te so bereits am Montag, alle EU-Stahl­zöl­le, EU-Stahl­quo­ten und EU-Dumping­zöl­le auf Stahl­pro­duk­te kurzfris­tig auszusetzen.

«Es ist wichtig, dass die EU mit weite­ren Sanktio­nen auf den von Russland immer hefti­ger geführ­ten Krieg in der Ukrai­ne reagiert», kommen­tier­te Haupt­ge­schäfts­füh­rer Thilo Brodt­mann. Um gleich­zei­tig in Europa die Auswir­kun­gen abzufe­dern, sollte die EU aber zusätz­li­che Maßnah­men ergrei­fen, um die Liefer­ket­ten der europäi­schen Wirtschaft zu stabi­li­sie­ren. Als Folge des russi­schen Krieges gegen die Ukrai­ne würden Stahl­pro­duk­te in der EU immer knapper.

EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen hatte am Freitag erklärt, die Eisen- und Stahls­ank­tio­nen sollten Russland um «Ausfuhr­er­lö­se in Milli­ar­den­hö­he» bringen und gewähr­leis­ten, dass EU-Bürger nicht ungewollt den Krieg von Kreml­chef Wladi­mir Putin subven­tio­nier­ten. Am Diens­tag hieß es aus der EU-Kommis­si­on, es sei möglich, dass es bereits in Kürze eine Erleich­te­rung für Stahl­im­por­te aus anderen Ländern geben könnte. Man habe den EU-Staaten einen entspre­chen­den Vorschlag gemacht.