BERLIN (dpa) — Die Corona­zah­len steigen — und im Bundes­tag und bei den Regie­rungs­chefs von Bund und Ländern wird das weite­re Vorge­hen beraten. Es geht um gelocker­te Schutz­auf­la­gen und die Frage, ob eine Impfpflicht kommt.

Die Corona-Zahlen in Deutsch­land errei­chen immer neue Höchst­stän­de. Die Gesund­heits­äm­ter melde­ten nach Angaben des Robert Koch-Insti­tuts von Donners­tag­mor­gen 294.931 Neuin­fek­tio­nen inner­halb von 24 Stunden.

Am 10. März hatte die Zahl erstmals in der Pande­mie die Marke von 250.000 überschrit­ten. Die Sieben-Tage-Inzidenz gibt das RKI nun mit 1651,4 an — ebenfalls ein Rekord. Deutsch­land­weit wurden binnen 24 Stunden 278 Todes­fäl­le verzeichnet.

FDP-Chef Chris­ti­an Lindner vertei­dig­te trotz­dem den Plan, die meisten bundes­wei­ten Corona-Aufla­gen am Sonntag auslau­fen zu lassen. «Es ist ein Schritt in Richtung Norma­li­tät, und ich sage, den brauchen wir auch», sagte Lindner in der ARD. Eine struk­tu­rel­le Überlas­tung des Gesund­heits­sys­tems sei derzeit nicht zu sehen. In Alten- und Pflege­hei­men sowie anderen Einrich­tun­gen mit beson­ders gefähr­de­ten Menschen bleibe es wie auch im öffent­li­chen Nahver­kehr bei der Masken­pflicht. Wo regio­nal das Gesund­heits­sys­tem nach einem Massen­aus­bruch überlas­tet werden könnte, «da braucht es zusätz­li­che Maßnahmen».

Ein entspre­chen­der Gesetz­ent­wurf von Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) und Justiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann (FDP) soll an diesem Freitag im Bundes­tag beschlos­sen werden. Die Länder sollen Corona-Aufla­gen weitge­hend selbst durch Landes­ge­set­ze neu ermög­li­chen können. Bis 2. April soll es eine Übergangs­frist geben. Die Länder wollen die Übergangs­frist nach ihren bishe­ri­gen jewei­li­gen Ankün­di­gun­gen und Beschlüs­sen auch weitge­hend nutzen.

Auch Lauter­bach vertei­dig­te die Pläne. «Ich muss Kompro­mis­se finden, die funktio­nie­ren, darf das aber nicht machen zu Lasten der Gesund­heit der Bevöl­ke­rung oder der eigenen Glaub­wür­dig­keit», sagte er am Mittwoch­abend bei RTL. Er habe Verständ­nis für die Bedin­gung der FDP, dass alle Maßnah­men künftig mit einer mögli­chen Überlas­tung des Gesund­heits­sys­tems in einer Region begrün­det sein müssten. Die Länder müssten ihre Möglich­keit jetzt nutzen.

An diesem Donners­tag berät der Bundes­tag über eine allge­mei­ne Corona-Impfpflicht. Auf der Tages­ord­nung steht die erste Lesung mehre­rer Gesetz­ent­wür­fe und Anträ­ge. Die Entschei­dung, ob es zu einer Impfpflicht kommt, fällt voraus­sicht­lich in drei Wochen. Dann ist die Abstim­mung geplant. Zudem ist die Corona-Pande­mie auch Thema bei der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz. Unklar war im Vorfeld, ob die Runde mit Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) Beschlüs­se fasst.

Beim Thema Impfpflicht ist nach den Beratun­gen im Bundes­tag eine Abstim­mung ohne Frakti­ons­zwang vorge­se­hen. Aller­dings haben CDU/CSU und AfD eigene Anträ­ge als Fraktio­nen vorge­legt. Scholz und Lauter­bach haben sich für eine allge­mei­ne Impfpflicht ausge­spro­chen, eine Mehrheit dafür ist aber nicht sicher.

Auf dem Tisch liegen mehre­re Vorschläge:

Impfpflicht ab 18:

Der Vorschlag kommt von einer Gruppe um den Grünen-Politi­ker Janosch Dahmen und den stell­ver­tre­ten­den SPD-Frakti­ons­chef Dirk Wiese. Nach dpa-Infor­ma­tio­nen hatten sich zuletzt 235 Abgeord­ne­te verschie­de­ner Partei­en dem Antrag angeschlos­sen. Der Bundes­tag hat 736 Abgeord­ne­te. Diesem Gesetz­ent­wurf zufol­ge würde eine Impfpflicht ab 1. Oktober greifen und wäre bis Ende 2023 befris­tet. Erwach­se­ne müssten ab Oktober in der Regel in der Lage sein, einen Impf- oder Genese­nen­nach­weis vorzu­zei­gen, sonst droht ein Bußgeld.

Mögli­che Impfpflicht ab 50:

Eine Abgeord­ne­ten­grup­pe um den FDP-Gesund­heits­po­li­ti­ker Andrew Ullmann spricht sich für eine Beratungs­pflicht und eine mögli­che Impfpflicht ab 50 Jahren aus. Dem Vorschlag haben sich laut Ullmanns Büro bisher 45 Politi­ker angeschlos­sen. Ungeimpf­te Erwach­se­ne sollen zunächst zu einer ärztli­chen Pflicht-Impfbe­ra­tung. Je nach Corona-Lage und Stand der Impfkam­pa­gne könnte der Bundes­tag später in einem zweiten Schritt eine Impfpflicht ab 50 beschlie­ßen — befris­tet bis Ende 2023.

«Impfvor­sor­ge­ge­setz»:

CDU und CSU machen als Frakti­on einen eigenen Vorschlag: Ein Impfre­gis­ter soll aufge­baut werden, damit klar wird, wer geimpft ist und wer gezielt angespro­chen werden müsste. Einen Impfpflicht­be­schluss zum jetzi­gen Zeitpunkt lehnt die Union ab und spricht sich statt­des­sen für einen «gestuf­ten Impfme­cha­nis­mus» aus. Dieser könnte eine Impfpflicht vorse­hen, aber nur für bestimm­te beson­ders gefähr­de­te Bevöl­ke­rungs- und Berufsgruppen.

Anträ­ge gegen die Impfpflicht:

Einen Antrag gegen die Einfüh­rung einer Impfpflicht hat eine Abgeord­ne­ten­grup­pe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki einge­bracht. Dem haben sich nach Angaben aus Kubickis Büro 50 Abgeord­ne­te verschie­de­ner Partei­en angeschlos­sen. Neben diesem partei­über­grei­fen­den Antrag hat auch die AfD einen Antrag gegen die Einfüh­rung einer Impfpflicht eingebracht.