BERLIN (dpa) — Die Grünen-Doppel­spit­ze aus Baerbock und Habeck übergibt den Stab an ihre Nachfol­ger. Die Sozial­po­li­ti­ke­rin Lang und der Außen­po­li­ti­ker Nouri­pour sollen die Partei nun führen.

Die Grünen haben nach ihrem Einstieg in die Ampel-Bundes­re­gie­rung zwei neue Vorsit­zen­de gewählt. Die linke Sozial­po­li­ti­ke­rin Ricar­da Lang (28) und der Realo-Außen­po­li­ti­ker Omid Nouri­pour (46) wurden beim Online-Partei­tag zum neuen Führungs­duo gekürt.

Lang erhielt nach Partei­an­ga­ben 75,93 Prozent der Stimmen, Nouri­pour kam auf 82,58 Prozent. Die digita­len Voten müssen nun noch formal per Brief­wahl bestä­tigt werden, was bis zum 14. Febru­ar gesche­hen soll. Erst danach sind die beiden Neuen auch formell im Amt.

Baerbock und Habeck müssen aufhören

Die beiden bishe­ri­gen Partei­chefs Annale­na Baerbock und Robert Habeck sind in der neuen Bundes­re­gie­rung mit SPD und FDP Außen­mi­nis­te­rin sowie Minis­ter für Wirtschaft und Klima­schutz. Damit konnten sie gemäß der Grünen-Satzung nicht Partei­vor­sit­zen­de bleiben. Sie hatten die Grünen im Tandem vier Jahre lang geführt.

Lang trat ohne Gegen­kan­di­da­tin an. Laut Satzung muss dem Führungs­duo der Grünen mindes­tens eine Frau angehö­ren. Für den einer Frau vorbe­hal­te­nen Vorsitz­pos­ten gab es diesmal keine anderen Kandidatinnen.

Um den zweiten Posten bewarb sich neben Nouri­pour auch Mathi­as Ilka aus Hessen, der aber nur 17 Stimmen erhielt. Er kriti­sier­te den Koali­ti­ons­ver­trag der Ampel-Regie­rung scharf. Man habe in wirtschaft­li­chen und sozia­len Fragen der FDP zu viel Raum gelas­sen. Spontan seine Kandi­da­tur melde­te Torsten Kirsch­ke aus Berlin an und erklär­te, er wolle damit ein Zeichen gegen die Benach­tei­li­gung behin­der­ter Menschen setzen. Er bekam 60 Stimmen.

Das bislang beste Ergeb­nis bei einer Vorsit­zen­den­wahl seit der Fusion von Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 1993 hatte Baerbock bei ihrer Wieder­wahl im Novem­ber 2019 mit 97,1 Prozent eingefahren.

Lang mit Corona infiziert

Lang konnte wegen einer Corona-Infek­ti­on nicht auf der Bühne im Berli­ner Velodrom sprechen, wo ein überschau­ba­rer Kreis von Spitzen-Grünen versam­melt war. Die mehre­ren Hundert Delegier­ten waren online zugeschaltet.

In ihrer Bewer­bungs­re­de für den Co-Partei­vor­sitz beton­te Lang, ihr seien prakti­sche Verbes­se­run­gen wichti­ger als unrea­lis­ti­sche Ideale. Die Regie­rungs­be­tei­li­gung sei für die Grünen eine riesi­ge Chance, auch wenn dabei Kompro­mis­se notwen­dig seien. «Regie­ren ist doch keine Strafe, das ist eine riesen­gro­ße Chance», sagte sie. Die Verbin­dung von Klima­schutz und sozia­ler Gerech­tig­keit müsse zur Grund­la­ge der Grünen-Politik gemacht werden. «Wir müssen jetzt bewei­sen, dass es geht.» Lang wird dem linken Flügel der Partei zugerechnet.

Bisher war Lang Vizeche­fin und frauen­po­li­ti­sche Spreche­rin der Grünen und damit bereits seit 2019 Teil des Bundes­vor­stands. Damit war sie auch an jener umstrit­te­nen Entschei­dung im Winter 2020 betei­ligt, mit der der Vorstand Corona-Boni von 1500 Euro für alle Mitar­bei­ter der Bundes­ge­schäfts­stel­le geneh­mig­te — und damit auch für sich selbst. Die Berli­ner Staats­an­walt­schaft ermit­telt wegen Anfangs­ver­dachts der Untreue gegen den Vorstand.

Nouri­pour: «Wir sind die Unbeugsamen»

Nouri­pour ist ein profi­lier­ter Außen­po­li­ti­ker und sitzt seit 2006 als Abgeord­ne­ter aus Frank­furt am Main im Bundes­tag. Er wurde im Iran geboren und kam im Alter von 13 Jahren mit seiner Familie nach Deutschland.

In seiner Bewer­bungs­re­de sagte er, sein Ziel sei es, die Partei voran­zu­brin­gen, um «wieder in der K‑Frage mitspie­len zu können». Der 46 Jahre alte Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te ordnet sich dem Realo-Flügel zu. Er lobte junge Partei­kol­le­gin­nen, die sich von dem gegen sie gerich­te­ten Hass politi­scher Gegner nicht unter­krie­gen ließen. «Wir sind die Unbeug­sa­men!», rief Nouri­pour den Delegier­ten zu. Mit seiner Kandi­da­tur wolle er Menschen mit Migra­ti­ons­ge­schich­te motivie­ren, sich politisch zu engagieren.