BONN (dpa) — Viele Corona-Patien­ten klagen über den Verlust ihres Geruchs- und Geschmacks­sinns. Nach mehr als einem Jahr Pande­mie wissen Medizi­ner mittler­wei­le mehr über das Symptom, das monate­lang andau­ern kann. Ein Exper­te rät zum sogenann­ten Riechtraining.

Der Verlust des Geruchs- und Geschmacks­sinns aufgrund einer Corona-Infek­ti­on kann nach Angaben eines Exper­ten monate­lang anhal­ten. Bei 80 bis 95 Prozent der betrof­fe­nen Corona-Infizier­ten sei der Riech- und Geschmacks­sinn inner­halb von ein oder zwei Monaten wieder normal oder fast wieder normal, sagte der Medizi­ner Thomas Hummel.

Bei 5 bis 20 Prozent aber dauere es länger. «Das geht dann über Monate oder Jahre», sagte Hummel, der Leiter des Inter­dis­zi­pli­nä­ren Zentrums für Riechen und Schme­cken am Univer­si­täts­kli­ni­kum Dresden ist. «Bei manchen aus dieser Gruppe kommt er auch gar nicht wieder.»

50 Prozent der Patien­ten entwick­len typische Symptome

Plötz­lich auftre­ten­de Riech- und Schmeck­stö­run­gen gelten nach mehr als einem Jahr Corona-Pande­mie mittler­wei­le als eines der bekann­tes­ten Sympto­me einer Infek­ti­on mit dem Sars-CoV-2-Virus. Viele Patien­ten klagen darüber. Insge­samt könne man sagen, dass etwa 50 Prozent der Menschen mit einer Corona-Infek­ti­on eine Riech- oder- Schmeck­stö­rung entwi­ckel­ten, erklär­te Hummel. Wahrschein­lich seien es sogar noch etwas mehr.

Stutzig sollte man werden, wenn der Geschmacks- und Geruchs­sinn von jetzt auf gleich verschwin­den. Wenn das ganz plötz­lich gesche­he, dann sei das «ein relativ deutli­ches Zeichen, dass es Corona sein könnte», so der Exper­te. Ein solcher Verlust trete zwar auch bei anderen Infek­ten auf — aber selte­ner. «Es ist damit schon ein relativ spezi­fi­sches Symptom. Wenn die Nase dabei nicht verstopft ist, dann ist es sogar noch spezi­fi­scher», sagte Hummel, der auch Mitglied der Arbeits­ge­mein­schaft Olfak­to­lo­gie und Gusto­lo­gie der Deutschen Gesell­schaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkun­de, Kopf- und Hals-Chirur­gie (DGHNO-KHC) ist, die sich von Mittwoch an zu einer Jahres­ver­samm­lung zusam­men­schal­tet. «Das ist dann wie eine Art Frühwarnsignal.»

Riech­zel­len können absterben

Hinter­grund bei Riech­stö­run­gen sei vermut­lich eine Schädi­gung der sogenann­ten Stütz­zel­len, die sich bei den Riech­zel­len befin­den und diese versor­gen. «Das Virus beein­träch­tigt diese Stütz­zel­len. Wenn sie abster­ben, sterben mit einer gewis­sen Wahrschein­lich­keit auch die Riech­zel­len ab», erklär­te Hummel. Zwar könnten sie sich unter norma­len Umstän­den nachbil­den — aber auch das werde vom Corona­vi­rus beein­träch­tigt. So werde die Regene­ra­ti­on verlangsamt.

Die Erfah­rung ist für viele Menschen verstö­rend. Riechen habe drei Funktio­nen, erläu­ter­te Hummel. Es warnte, es sei wichtig beim Essen und darüber hinaus auch für das Zwischen­mensch­li­che. «Einfach gesagt: Wenn man keine Körper­ge­rü­che wahrneh­men kann, weiß man nicht, ob man selbst stinkt oder nicht. Man kann auch seinen Partner nicht mehr riechen, was zum Beispiel Auswir­kun­gen auf die Sexua­li­tät hat.»

Training mit Geruchsträger

Ein Tipp für Erkrank­te ist ein sogenann­tes Riech­trai­ning. Dazu füllt man zum Beispiel in vier identi­sche Dosen gut unter­scheid­ba­re Geruchs­trä­ger — etwa Minze oder Gewürz­nel­ken. Daran riecht man — und versucht, die Gerüche zu unter­schei­den. Es gebe Hinwei­se, dass solche Übungen einen direk­ten Effekt auf die Riech­zel­len hätten, so Hummel.

«Da muss man aber konse­quent dran bleiben, wenn es etwas bringen soll. Das heißt: jeden Morgen und jeden Abend jeweils zwei Minuten Training — und über einen länge­ren Zeitraum, nicht nur mal ein Wochen­en­de lang», erklär­te er. Dann aber könne man die Wahrschein­lich­keit, dass sich das Riechen wieder besse­re, verdop­peln — oder sogar verdreifachen.