Der Lockdown wird grund­sätz­lich bis zum 28. März verlän­gert. Aller­dings soll es je nach Infek­ti­ons­la­ge viele Öffnungs­mög­lich­kei­ten geben. Um Schnell- und Selbst­tests entbrennt bereits Streit.

BERLIN (dpa) — Kanzler­amts­mi­nis­ter Helge Braun (CDU) hält die neuen Beschlüs­se von Bund und Ländern in der Corona-Pande­mie für angemes­sen. «Man kann nicht eine Gesell­schaft nach vier Monaten jetzt weiter im Winter­schlaf halten. Deshalb sind diese Öffnungs­schrit­te richtig», sagte Braun am Donners­tag im ARD-«Morgenmagazin.»

Nach mehr als neunstün­di­gen Verhand­lun­gen hatten Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) und die Länder-Minis­ter­prä­si­den­ten neue Corona-Beschlüs­se ausge­ar­bei­tet. Verein­bart wurden eine neue Teststra­te­gie und stufen­wei­se Öffnun­gen mit einge­bau­ter Notbremse.

Der Kanzler­amts­chef versi­cher­te, dass es für die Teststra­te­gie ausrei­chen­de Kapazi­tä­ten in Deutsch­land gebe, was aus der Opposi­ti­on bezwei­felt wird. «Es sind sehr, sehr viele Schnell­test verfüg­bar. Bei den Herstel­ler liegen die in dreistel­li­gen Millio­nen­an­zah­len auf Halde», sagte Braun. Bei den Eigen­tests laufe der Vertrieb erst an. In den ersten Wochen würden zunächst weiter vor allem die herkömm­li­chen Schnell­test eingesetzt.

Auch Vizekanz­ler Olaf Scholz (SPD) erwar­tet schnell ausrei­chen­de Testka­pa­zi­tä­ten. Er verwies im ARD-«Morgenmagazin» ebenfalls auf Schnell­tests und die nun verfüg­ba­ren Selbst­tests. «Wir wollen diese beide Möglich­kei­ten einset­zen, um mit einer umfas­sen­den Teststra­te­gie uns mehr Spiel­raum für Öffnun­gen zu erarbei­ten», sagte der Bundesfinanzminister.

«Es gibt sehr viele Testan­ge­bo­te, die beschafft werden können», antwor­te­te Scholz auf die Frage, ob es zügig ausrei­chen­de Kapazi­tä­ten geben werde. «Und deshalb gehe ich davon aus, dass nach einer kurzen Übergangs­pha­se, die ja diesem Beschluss notwen­di­ger­wei­se folgen muss, überall genügend bestell­te Test zur Verfü­gung stehen und diese Testzen­tren, die dann einge­rich­tet werden können, auch mit den Test arbei­ten können.» Er ergänz­te, «irgend­wann und im großen Umfang wird es dann auch Selbst­tests geben», die sehr hilfreich seien, um sie beispiels­wei­se an Schulen einzusetzen.

Scholz’ Partei­kol­le­ge, SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach, äußer­te sich bei Twitter hinge­gen besorgt zu den Beschlüs­sen des Spitzen­tref­fens: «Das wahrschein­lichs­te Szena­rio ist, dass mit diesem Beschluss die 3. Welle langsam anläuft. Es kann sogar sein, dass das Termin­shop­ping und Außen­gas­tro kurz anläuft. Aber spätes­tens Anfang April liegt die Inzidenz über 100 und das Inter­mez­zo ist beendet.»

Vor allem für die Wirtschaft sei viel erreicht worden, sagte Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Peter Altmai­er (CDU). So werde es im März erste wichti­ge, aber verant­wort­ba­re Öffnungs­schrit­te geben. Zudem habe sich die Runde von der umstrit­te­nen 35er-Inzidenz verab­schie­det. «Die Inzidenz von 35, die sehr streng war, die viele verär­gert und aufge­regt hat, die ist nicht mehr für die Öffnung Voraus­set­zung.» Es gebe damit für den Einzel­han­del und die Gastro­no­mie die Möglich­keit, in vielen Teilen Deutsch­lands wieder zu verkau­fen, wieder an den Start zu gehen.

Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder (CSU) bezeich­ne­te den Monat März im Kampf gegen die Corona-Pande­mie als Übergangs­mo­nat. «Es kann sich zum Guten, aber auch zum Schlech­ten entwi­ckeln», sagte Söder in der Nacht zum Donners­tag. «Wir hoffen sehr, dass der März ein Chancen-Monat wird.» Gleich­zei­tig warnte Söder vor zu hasti­gen Öffnungs­schrit­ten. «Das Herz sagt uns: So viel öffnen wie möglich! Der Verstand mahnt aber eindeu­tig zur Vorsicht». Es gelte aufzu­pas­sen, um nicht in den nächs­ten Lockdown zu schlit­tern, mögli­cher­wei­se schon zu Ostern.

Angesichts der neuen Teststra­te­gie machte FDP-Frakti­ons­vi­ze Micha­el Theurer Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn und Altmai­er (beide CDU) für einen abseh­ba­ren Mangel bei Testka­pa­zi­tä­ten verant­wort­lich. «Dass es schein­bar noch einige Wochen dauern wird, bis Schnell­tests überhaupt flächen­de­ckend in ausrei­chen­der Zahl zur Verfü­gung stehen werden, grenzt an Arbeits­ver­wei­ge­rung der Minis­ter Spahn und Altmaier.»

Zudem fehle ein Gesamt­kon­zept, in das die Eigen­tests integriert werden könnten. «Damit geht das Impf-Desas­ter übergangs­los mit dem Test-Fiasko weiter», sagte der FDP-Politi­ker. «Es ist nicht zu verste­hen, warum die Bundes­re­gie­rung für den notwen­di­gen Impftur­bo und Testtur­bo nicht Erfah­run­gen aus erfolg­rei­chen Ländern wie den USA nutzt.»

Nach Ansicht von FDP-Vize Wolfgang Kubicki schadet das Corona-Krisen­ma­nage­ment der Bundes­re­gie­rung dem inter­na­tio­na­len Ansehen Deutsch­lands. «Kein vernünf­ti­ges Schnell­test­ma­nage­ment, kein Impfma­nage­ment, keine Alter­na­ti­ve zur einfäl­ti­gen Schlie­ßung ganzer Branchen — nach über einem Jahr Pande­mie. Mit dieser Politik schadet diese Bundes­re­gie­rung dem Ansehen Deutsch­lands in der Welt massiv», sagte Kubicki der «Rheini­schen Post» (Donners­tag).

Auch die beiden Vorsit­zen­den der AfD-Bundes­tags­frak­ti­on kriti­sier­ten die Ergeb­nis­se des Spitzen­tref­fens. «Diese Beschlüs­se sind ein Hohn für die Bürger, die zuneh­mend genug haben von der plan- und nutzlo­sen Lockdown-Politik der Bundes­re­gie­rung und der Länder», sagte Alice Weidel. Von einer «Ausstiegs­per­spek­ti­ve» könne keine Rede sein. Für die meisten Betrie­be in Einzel­han­del, Gastro­no­mie und Dienst­leis­tungs­ge­wer­be würden die Beschlüs­se weite­re Wochen der Unsicher­heit bedeuten.

Alexan­der Gauland bezeich­ne­te die aberma­li­ge Lockdown-Verlän­ge­rung bis Ende März als einen «Willkür­akt» und griff die Gesamt­stra­te­gie der Kanzle­rin an. «Die Bürger sollen dafür büßen, dass die von Merkel voran­ge­trie­be­ne «europäi­sche Lösung» direkt ins Impfstoff­de­sas­ter geführt hat. Auch bei der Beschaf­fung und Bereit­stel­lung von Schnell­tests hinkt die Bundes­re­gie­rung weit hinter­her», so Gauland.