BERLIN/KÖLN (dpa) — Abkehr von #alles­dicht­ma­chen: Auch das Schau­spie­ler-Paar Martin Brambach und Chris­ti­ne Sommer hat seine umstrit­te­nen Corona-Videos gelöscht. Und distan­ziert sich von einer Verein­nah­mung durch Rechts.

Es hagelt Kritik an der Inter­net­ak­ti­on #alles­dicht­ma­chen — und immer mehr der promi­nen­ten Teilneh­mer selbst sind nicht mehr davon überzeugt, dass die satiri­schen Clips das richti­ge Mittel waren.

So ruder­te auch das Schau­spie­ler­paar Martin Brambach und Chris­ti­ne Sommer zurück. «Es war vielleicht ein Fehler, solche Videos ohne jegli­chen Kontext oder wenigs­tens ein paar erklä­ren­de Worte zu veröf­fent­li­chen…», erklär­te das Paar — und distan­zier­te sich von «einer Verein­nah­mung durch die AfD und anderen rechten Gruppen.» Die gesell­schaft­li­che Spaltung müsse gestoppt werden.

Doch die Gemüter sind erhitzt. Ob Schau­spiel­kol­le­gen oder promi­nen­te Stimmen aus der Branche: Viele empfin­den die sarkas­ti­sche und unein­ge­ord­ne­te Art und Weise als proble­ma­tisch. Unter dem Motto #alles­dicht­ma­chen hatten Dutzen­de Film- und Fernseh­schau­spie­ler — darun­ter Stars wie Jan Josef Liefers, Heike Makat­sch und Volker Bruch — mit ironisch-satiri­schen Clips die Corona-Politik der Bundes­re­gie­rung kommentiert.

Die Videos waren am Donners­tag veröf­fent­licht worden und thema­ti­sier­ten etwa die politi­sche Entschei­dungs­fin­dung oder die Kontakt­be­schrän­kun­gen in der Pande­mie. Kritik und Unver­ständ­nis folgten prompt. Rasch ließen einige der Künst­ler ihre Clips löschen und entschul­dig­ten sich, andere erklär­ten ihre Absichten.

Am Sonntag reagier­ten vor allem Ärzte, Ärztin­nen und Kranken­haus­per­so­nal mit einer eigenen Aktion: #allemal­ne­schicht­ma­chen. Die Notärz­tin und Blogge­rin Carola Holzner, im Netz bekannt als «Doc Caro», rief die an der Aktion betei­lig­ten Künst­ler dazu auf, mal für eine Schicht im Rettungs­dienst oder auf einer Inten­siv­sta­ti­on mitzuarbeiten.

«Ihr habt eine Grenze überschrit­ten», sagte Holzner, Leiten­de Oberärz­tin am Univer­si­täts­kli­ni­kum Essen, in einem Insta­gram-Video. «Und zwar eine Schmerz­gren­ze all jener, die seit über einem Jahr alles tun.»

Der Präsi­dent der Deutschen Filmaka­de­mie, Schau­spie­ler Ulrich Matthes, sagte der Deutschen Presse-Agentur, er habe sich sehr gewun­dert über die Unter­stel­lung in den meisten der Videos, es gäbe keinen Diskurs darüber, ob die Maßnah­men in der Pande­mie berech­tigt seien. «Und die Kolle­gin­nen und Kolle­gen bekla­gen mittels dieser vermeint­li­chen Satire, dass dieser Diskurs nicht statt­fän­de und geben damit — und das ist meine Haupt­kri­tik — indirekt Schüt­zen­hil­fe für die Querden­ker­sze­ne und die AfD.»

Ähnlich äußer­te sich der Daten- und Politik­wis­sen­schaft­ler Josef Holnbur­ger. «Leider bedie­nen viele der Promi­nen­ten hämisch Narra­ti­ve, welche Bestand­teil vieler Verschwö­rungs­er­zäh­lun­gen sind», sagte er der dpa. «Etwa vermeint­lich gleich­ge­schal­te­te Medien oder ein Kritik­ver­bot an der Regie­rung. Es wundert mich deshalb nicht, dass der Applaus aus dieser Szene beson­ders laut ist.»

Am Samstag wurde auf der Seite allesdichtmachen.de ein State­ment veröf­fent­licht. «Die Gruppe hat keinen “Kopf” und keine gemein­sa­me Stimme», hieß es darin. «Das Projekt ist kollek­tiv entstan­den, die Gruppe ist divers, die Meinun­gen gehen auch hier auseinander.»

Einige der Teilneh­mer hatten sich noch am Freitag distan­ziert. Ulrike Folkerts etwa bezeich­ne­te ihre Betei­li­gung als Fehler. «Ich habe einen Fehler gemacht, ich war naiv genug zu glauben, mit meinen Kollegen*innen ein gewinn­brin­gen­des Gespräch in Gang zu bringen. Das Gegen­teil ist passiert», schrieb die «Tatort»-Kommissarin auf Instagram.

Ihr «Tatort»-Kollege Liefers äußer­te sich nachdenk­lich. «Ich finde auch den Punkt inter­es­sant, dass vielleicht Ironie wirklich ein ungeeig­ne­tes Mittel ist», sagte er in der Radio Bremen-Talkshow «3nach9». Er sehe aber eine Lücke: «Es gibt nicht nur auf der Seite der Erkrank­ten Trauer und Leid, sondern auch auf der Seite derer, die unter diesen Maßnah­men inzwi­schen nun wirklich anfan­gen zu leiden, die sehe ich nicht so richtig vertreten.»

Im State­ment auf der Seite hieß es: «Wir leugnen auch nicht Corona oder stellen in Abrede, dass von der Krank­heit Gefahr ausgeht und Menschen daran sterben. Vielmehr geht es uns um die Corona-Politik, ihre Kommu­ni­ka­ti­on und den öffent­li­chen Diskurs, der gerade geführt wird.»

Doch nach Ansicht des Daten- und Politik­wis­sen­schaft­lers Holnbur­ger trägt die Aktion nicht zu einer konstruk­ti­ven Debat­te bei. «Die vor allem polemisch darge­stell­te Kritik seitens der #alles­dicht­ma­chen-Aktion wird den öffent­li­chen Diskurs nicht versach­li­chen, sondern verschär­fen», sagte er. «Verschwö­rungs­ideo­lo­gi­sche Narra­ti­ve drohen durch solche Aktio­nen hoffä­hig gemacht zu werden.»

Von Sophia Weimer, Jonas-Erik Schmidt und Lisa Forster, dpa