STUTTGART (dpa/lsw) — Die Automa­ten­wirt­schaft läuft gegen die Schlie­ßung von Spiel­hal­len Sturm. Von Juli an gilt ein Mindest­ab­stand von 500 Metern. Sucht­ex­per­ten, Land und Städte­tag vertei­di­gen das Vorgehen.

Die Landes­stel­le für Sucht­fra­gen in Baden-Württem­berg erwar­tet durch die verschärf­ten Regeln für Spiel­hal­len langfris­tig weniger Spiel­süch­ti­ge. «Aus der Sucht­per­spek­ti­ve erhof­fen wir uns davon präven­ti­ve Wirkun­gen, denn Angebot schafft Nachfra­ge», sagte Chris­ta Niemei­er, Referen­tin für Sucht­fra­gen bei der Landes­stel­le, der Deutschen Presse-Agentur. Vom 1. Juli an gilt die Regelung, wonach ein Mindest­ab­stand von 500 Metern zwischen Spiel­hal­len unter­ein­an­der greift sowie zu Kinder- und Jugendeinrichtungen.

Niemei­er sagte: «Bei Alkohol und Zigaret­ten etwa ist es fachlich unbestrit­ten, dass die Griff­nä­he und das Angebot reduziert werden müssen, damit der Konsum zurück­geht. Wenn man das auf das Glücks­spiel­an­ge­bot überträgt, ist das nur folge­rich­tig.» Natür­lich werde die Zahl der Glücks­spiel­süch­ti­gen nicht sofort zurück­ge­hen, wenn Einrich­tung schlie­ßen müssten. «Jemand, der bereits süchtig ist, der wird deshalb nicht aufhö­ren. Der findet auf jeden Fall sein Angebot.» Es bestehe aber die Möglich­keit, dass insge­samt der Konsum zurückgehe.

Im Jahr 2019 hätten sich in Baden-Württem­berg 3256 Menschen mit proble­ma­ti­schem und patho­lo­gi­schem Glücks­spiel­ver­hal­ten an eine Beratungs­stel­le gewandt. Die wahre Zahl der Menschen mit Glück­spiel­sucht-Proble­men liege aber viel höher. Beson­ders junge Männer seien gefähr­det, sagte Niemei­er. Nochmals häufi­ger betrof­fen seien junge Männer mit auslän­di­schen Wurzeln.

Aus Sicht des Dachver­bands Deutsche Automa­ten­wirt­schaft geht Baden-Württem­berg einen Sonder­weg mit unerwünsch­ten Folgen. «Baden-Württem­berg ist das einzi­ge Flächen­land, das ausschließ­lich auf diese Abstän­de fixiert ist», sagte Vorstands­spre­cher Georg Stecker. Damit würden im Südwes­ten 8000 sozial­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Arbeits­plät­ze — haupt­säch­lich von Frauen besetzt — «vom Markt gefegt». Der Verband macht gerade mit einer Anzei­gen­kam­pa­gne gegen die Schlie­ßun­gen mobil.

Das Wirtschafts­mi­nis­te­ri­um wies die Kritik des Verbands zurück. Die Spiel­hal­len­be­trei­ber hätten seit 2012 Gelegen­heit gehabt, sich auf das neue Recht und die Abstands­re­ge­lun­gen einzu­stel­len. Außer­dem verwies es auf den Koali­ti­ons­ver­trag von Grün-Schwarz: «Beim Glücks­spiel setzen wir uns für konse­quen­ten Spieler­schutz und im Rahmen des neuen Glücks­spiel­staats­ver­trags regulier­te Angebo­te ein.»

Der Städte­tag stärk­te dem Land den Rücken. Eine Spreche­rin sagte, er setze sich nicht für eine Abkehr, sondern für eine Weiter­ent­wick­lung des Mindest­ab­stands­ge­bots ein. «Die Regelung zum Mindest­ab­stand sollte als Grund­satz bestehen bleiben, aber aus städte­bau­li­chen Gründen kommu­na­le Abwei­chun­gen ermög­li­chen.» Der Mindest­ab­stand diene dem Spieler­schutz, der allein durch quali­ta­ti­ve Krite­ri­en nicht hinrei­chend gewähr­leis­tet werden könne und als unver­meid­ba­re Neben­fol­ge auch den Wegfall von Arbeits­plät­zen mit sich bringe.

In allen baden-württem­ber­gi­schen Kommu­nen müssen nun Spiel­hal­len dicht machen. In Kehl an der Grenze zu Frank­reich, wo Spiel­hal­len bislang mancher­orts auffäl­lig das Stadt­bild prägten, müssen nach Stadt­an­ga­ben wohl 23 von 28 Einrich­tun­gen schlie­ßen. Dadurch würden sich im kommen­den Jahr die Einnah­men aus der Vergnü­gungs­steu­er im Vergleich zu 2018 voraus­sicht­lich um mindes­tens die Hälfte reduzie­ren: von 6,1 Millio­nen Euro auf 3,055 Millio­nen Euro. Gericht­li­che Eilrechts­schutz­an­trä­ge seien von Seiten der Spiel­hal­len­be­trei­ber und deren Anwäl­ten schon angekün­digt worden. In der Stutt­gar­ter Innen­stadt sollen von ehemals 56 Spiel­hal­len nur noch drei übrig bleiben, wie ein Sprecher mitteilte.