BERLIN (dpa) — Till Brönner lässt es im Trio weihnach­ten, die Broilers schmü­cken den Baum mit Punk-Lamet­ta, Norah Jones besingt «White Christmas»-Träume, und Jonas Kaufmann lädt zur «Stuben­mu­si».

Es ist wie mit den Weihnachts­plätz­chen im Oktober: Schon viele Wochen vor dem Fest liegen CDs und Vinyl­plat­ten mit besinn­li­chen Lieder stapel­wei­se in den Läden. Keines­wegs immer sind die bekann­tes­ten Namen mit den besten Ergeb­nis­sen gleich­zu­set­zen. Die Deutsche Presse-Agentur stellt einige neue Alben vor.

Till Brönner feiert zu dritt

Wenn einer der erfolg­reichs­ten deutschen Jazzmu­si­ker und weltbe­kann­tes­ten Trompe­ter im Trio-Format Weihnachts­lie­der spielt, kommt kein überzu­cker­ter Kitsch dabei heraus. Mit «Christ­mas» schafft Till Brönner (50) das Kunst­stück, selbst altbe­kann­tem Materi­al wie «Silent Night/Stille Nacht» oder «Jingle Bells» seine eigene Note hinzu­zu­fü­gen. Mit Frank Chasteni­er (Piano) und Chris­ti­an von Kapphengst (Bass) gelin­gen dem Berli­ner elf Weihnachts-Klein­ode — und zum berüh­ren­den Abschluss erklingt Heinz Rühmanns «La Le Lu».

Die Broilers mit Punk-Lametta

Von ganz anderem Kaliber sind die «Santa Claus»-Lieder der Düssel­dor­fer Punkro­cker. Sie sollen sicher­stel­len, «dass 2021 die Heili­ge Nacht weniger still wird als gewohnt». Der Album-Einstieg auf Charts­platz 4 Mitte Novem­ber lässt darauf schlie­ßen, dass demnächst so mancher Weihnachts­baum wackelt — wie bereits vor zehn Jahren mit «Santa Muerte». Zwölf Cover, darun­ter die Klassi­ker «Driving Home For Christ­mas» und «Feliz Navidad», sowie zwei eigene Songs mussten diesmal dafür herhal­ten, die Festta­ge mit Punk-Lamet­ta zu schmücken.

Kelly Clark­son ist gut bei Stimme

Wer mit Mariah Careys neues­tem Weihnachts-Hit «Fall In Love At Christ­mas» noch nicht ausrei­chend versorgt ist, der findet bei dieser mehrfa­chen Grammy-Gewin­ne­rin ein gutes Dutzend Zugaben. Auf «When Christ­mas Comes Around…» schmet­tert und jubiliert die 2002 als «Ameri­can Idol»-Gewinnerin berühmt gewor­de­ne Sänge­rin so stimm­ge­wal­tig, als wolle sie die «Queen of Christ­mas» vom Thron stoßen. Eine urame­ri­ka­ni­sche Mischung aus Swing und Schmacht­fet­zen, inklu­si­ve Promi-Gästen wie Ariana Grande und Chris Stapleton.

Nat «King» Cole grüßt aus dem Jenseits

Weihnachts­nost­al­gie und Pop-Aktua­li­tät finden bei diesem Projekt zuein­an­der. Das Album «A Senti­men­tal Christ­mas — Cole Classics Reimagi­ned» präsen­tiert Festklas­si­ker des ikoni­schen Sängers und Jazzpia­nis­ten (1919–1965) — digital aufpo­liert und mit Gaststars wie John Legend, Johnny Mathis, Calum Scott und Gloria Estefan ergänzt. Etwas seltsam muten diese musika­li­schen Verbin­dun­gen vom Dies- ins Jenseits zwar an, aber anderer­seits sind die von Cole mit samti­ger Stimme inter­pre­tier­ten Stücke irgend­wie doch unkaputtbar.

Brian Fallon geht in die Kirche

Eigent­lich ist der US-Sänger eher für Folkrock mit Punk-Einschlag zustän­dig. Doch vor Weihnach­ten zeigt er seine melan­cho­li­sche Seite bei tradi­tio­nel­len Kirchen­lie­dern auf «Night Divine». «Das waren die ersten Lieder, die ich je gehört und gelernt habe», erinnert sich der 41-Jähri­ge. «Die Idee hat also schon lange in meinem Kopf herum­ge­spukt.» Immer­hin: Auch bei einer Hymne wie «Amazing Grace», die schon größe­re Stimmen inter­pre­tiert haben, macht der Front­mann von The Gaslight Anthem keine schlech­te Figur.

Hiss Golden Messen­ger mit Songjuwelen

Bei weitem nicht jeder Rockmu­si­ker bekommt eine gute, geschmacks­si­che­re Weihnachts­plat­te hin — das Projekt von M.C. Taylor (46) macht auf «O Come All Ye Faithful» indes alles goldrich­tig. Nach «Quiet­ly Blowing It», einem der überra­gen­den Ameri­ca­na-Alben dieses Jahres, verwöhnt die Band aus North Caroli­na die Hörer mit einigen Christ­mas-Standards, vor allem aber auch neuen, selbst­kom­po­nier­ten festli­chen Liedern. Erneut gelin­gen Taylor und Co. präch­tig funkeln­de Songju­we­len zwischen Southern Soul und Folkrock.

Norah Jones glänzt mit Piano-Pop

Die 42-Jähri­ge könnte mit ihrer immer leicht schläf­ri­gen und grund­sym­pa­thi­schen Stimme vermut­lich auch das Telefon­ver­zeich­nis ihrer Geburts­stadt New York anmutig herun­ter­sin­gen — umso schöner, dass sie weihnacht­li­ches Liedgut aus fremder und eigener Feder bevor­zugt hat. Das mit einer fabel­haf­ten Band einge­spiel­te «I Dream Of Christ­mas» tänzelt zwischen Piano-Jazz, Swing und Folkpop. Wenn diese tolle Pianis­tin und Sänge­rin «White Christ­mas» anstimmt, dann fehlt wirklich nicht mehr viel zum erträum­ten Weihnachtsglück.

Jonas Kaufmann macht Stubenmusi

Voriges Jahr war dem Super-Tenor mit «It’s Christ­mas» ein hochse­riö­ses, stimmungs­vol­les Weihnachts­al­bum gelun­gen — kein Wunder bei dieser Wahnsinns­stim­me. Nun gibt es einen Nachschlag: die Exten­ded Editi­on inklu­si­ve sieben neuer Titel zur Konzert­tour­nee im Dezem­ber. Mit den Liedern habe er versucht, «einer Musik­gat­tung Tribut zu zollen, die für mich, der ich in Bayern und Tirol aufge­wach­sen bin, sofort Weihnachts­stim­mung auslöst: die alpen­län­di­sche Stuben­mu­si», sagt der 52 Jahre alte Opernstar.

Ibrahim Maalouf mit Engelschören

Während Brönner sich der Weihnachts­mu­sik mit einer schlan­ken Produk­ti­on nähert, fährt sein franzö­sisch-libane­si­scher Trompe­ter­kol­le­ge dick auf. Dank Kling­glöck­chen und Engels­chö­ren wird die Grenze zum senti­men­ta­len Schmalz auf «First Noel» des öfteren erreicht. 25 Klassi­ker von «Have Yours­elf A Merry Little Christ­mas» bis «Winter Wonder­land» und drei Eigen­kom­po­si­tio­nen spielt der Jazz-Virtuo­se — das dem kleinen Maaloof-Sohn und der jüngst gestor­be­nen Oma gewid­me­te Weihnachts­me­nü fällt allzu üppig aus.

Penta­to­nix ganz vokal

Wahre Fließ­band­ar­bei­ter des gepfleg­ten Weihnachts-Pops sind diese fünf A‑cap­pel­la-Virtuo­sen aus Texas. «Evergreen» ist das bereits sechs­te Album der Vokal­grup­pe mit Liedern zur besinn­lichs­ten Zeit des Jahres. Neben «Wonderful Christ­ma­sti­me» oder «We Wish You A Merry Christ­mas» enthält das Werk Kolla­bo­ra­tio­nen mit der kanadi­schen Künst­le­rin Alessia Cara und der populä­ren US-Violi­nis­tin Lindsey Stirling. Es könnte also zumin­dest in Ameri­ka den Erfolg des Doppel­pla­tin-Vorgän­gers «That’s Christ­mas To Me» wiederholen.

Martin Stadt­feld mag es klassisch

Wer seine Musik zum Fest am liebs­ten ganz ohne Bombast, aufs Wesent­li­che (also die feine Melodie) beschränkt hört, der sollte diesem 41-jähri­gen Pianis­ten aus Koblenz zuhören. Neu bearbei­tet hat er für «Christ­mas Piano» tradi­tio­nel­le Lieder wie «Stille Nacht, Heili­ge Nacht», «Maria durch ein Dornen­wald ging» oder «In The Bleak Midwin­ter», aber auch ein Orgel­werk von Johann Sebas­ti­an Bach. Mit einem elftei­li­gen Klavier-Zyklus setzt er zudem eigene Akzen­te. Eine zutiefst beruhi­gen­de Weihnachtswohltat.

Lucin­da Williams vermei­det den Kitsch

Wenn die Grande Dame der Alter­na­ti­ve-Country-Musik, des Blues und Folk ein Weihnachts­al­bum einspielt, dann bleibt sie sich und ihrem rauen Sound treu: «Have Yours­elf A Rockin’ Little Christ­mas» ist auch bei tradi­tio­nel­len Liedern ein Fest für die vom Leben gegerb­te Stimme der 68-Jähri­gen, gefühls­du­se­lig wird es nicht. Dass sie neben Tribu­te-Werken für Tom Petty, Bob Dylan und die Stones im Lockdown auch Stücke wie «Run Run Rudolph» oder «Christ­mas In New Orleans» auf ihre eigene Art aufnahm, war defini­tiv eine gute Idee.

Von Werner Herpell, dpa