DAKAR (dpa) — USA, Israel, Japan: Bisher hat Kanzler Scholz außer­halb Europas nur die engsten Partner besucht. Jetzt geht’s nach Afrika — ein deutli­ches Zeichen.

Zum Auftakt seiner Afrika-Reise hat Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) den von der weltwei­ten Ernäh­rungs­kri­se betrof­fe­nen Ländern des Konti­nents Hilfe zugesagt und dem Senegal eine Zusam­men­ar­beit bei der Gasför­de­rung angeboten.

Es mache Sinn, eine solche Koope­ra­ti­on «inten­siv zu verfol­gen», dies sei ein «gemein­sa­mes Anlie­gen», sagte der Kanzler nach einem Gespräch mit dem senega­le­si­schen Präsi­den­ten Macky Sall in Dakar.

Es geht um die Erschlie­ßung eines Gasfelds vor der westafri­ka­ni­schen Küste, an dem neben dem Senegal auch Maure­ta­ni­en betei­ligt ist. Man habe begon­nen, sich darüber auszu­tau­schen, sagte Scholz. «Wir werden das im Anschluss an diese Gesprä­che auch sehr inten­siv auf Fachebe­ne fortset­zen.» Sall beton­te, der Senegal sei bereit Europa mit Gas zu belie­fern. Der Kanzler zeigte sich auch zu einer stärke­ren Koope­ra­ti­on bei den erneu­er­ba­ren Energien bereit. Er besuch­te zum Abschluss seines Aufent­halts in Dakar eine Solaranlage.

Scholz zur Ernäh­rungs­kri­se: «Darf uns nicht kalt lassen»

Was die aktuel­le Ernäh­rungs­kri­se angeht warnte der Kanzler davor, dass viele Länder in große Schwie­rig­kei­ten kommen könnten, ihre Bevöl­ke­rung zu ernäh­ren. «Das darf uns nicht kalt lassen, das lässt uns nicht kalt», sagte er. Deutsch­land werde «alles tun, was wir unter­neh­men können», um dem entgegenzuwirken.

Die russi­sche Blocka­de der Weizen­ex­por­te aus der Ukrai­ne haben die Lebens­mit­tel­prei­se steigen lassen und die Krise vor allem in den von massi­ver Dürre betrof­fe­nen ostafri­ka­ni­schen Länder Somalia, Äthio­pi­en und im Norden Kenias verschärft. «Viele Länder auf der Welt sind von diesem Krieg betrof­fen, die weit weg davon sind», sagte Scholz. Die Bundes­re­gie­rung werde weiter Hilfs­pro­gram­me unter­stüt­zen und sich aktiv dafür einset­zen, dass die Blocka­de des Exports von Getrei­de doch noch gelingt.

Drei Länder in drei Tagen

Dakar ist die erste Stati­on der ersten Afrika-Reise von Scholz seit seinem Amtsan­tritt vor einem halben Jahr. Weite­re Statio­nen der dreitä­gi­gen Reise sind mit dem Niger eins der ärmsten Länder der Welt und mit Südafri­ka das wichtigs­te Partner­land im Afrika südlich der Sahara.

Scholz besucht den Nachbar­kon­ti­nent relativ früh. Seine Vorgän­ge­rin Angela Merkel (CDU) war erst knapp zwei Jahre nach ihrem Amtsan­tritt zu ihrer ersten länge­ren Reise nach Afrika aufge­bro­chen. Bisher hat der Kanzler außer­halb Europas nur engste Verbün­de­te besucht: die USA, Israel und Japan. Jetzt also Afrika — ein Signal, dass der Nachbar­kon­ti­nent auch in europäi­schen Kriegs­zei­ten nicht in Verges­sen­heit geraten sollte.

Hohe Erwar­tun­gen bei Hilfsorganisationen

Bei Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen sind die Erwar­tun­gen hoch. World Vision beklagt, dass Merkel ab 2015 den Fokus zu stark auf «Migra­ti­ons­ab­wehr» gelegt habe. «Das muss aufhö­ren», fordert Ekkehard Forberg, der bei der Organi­sa­ti­on für humani­tä­re Krisen zustän­dig ist. «Von Kanzler Scholz erwar­ten wir eine Politik der Augen­hö­he.» Deutsch­land sollte dem Konti­nent keine «pater­na­lis­ti­schen Lösun­gen» aufzwin­gen, sondern die Länder selbst Konzep­te entwi­ckeln lassen und die dann unterstützen.

«Statt so viel in die Partner­schaft mit der Wirtschaft zu inves­tie­ren, sollte mehr in die staat­li­chen Syste­me für Gesund­heit, Bildung und sozia­le Siche­rung gesteckt werden», sagt Tobias Hauschild von Oxfam. «Außer­dem sollte mehr Geld für die einkom­mens­schwächs­ten Länder zur Verfü­gung gestellt werden und Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit stärker geför­dert werden.»

Senegal, Niger, Südafri­ka: Reise­zie­le mit Bedacht gewählt

- Der SENEGAL hat derzeit den Vorsitz in der Afrika­ni­schen Union, dem afrika­ni­schen EU-Pendant mit 55 Mitglied­staa­ten. Außer­dem zählt der Senegal neben Südafri­ka, Indien und Bangla­desch zu den Gastlän­dern, die Scholz für Ende Juni zum G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern einge­la­den hat.

- Der NIGER gilt der Bundes­re­gie­rung anders als das Nachbar­land Mali als «Stabi­li­täts­an­ker» in der Sahel­zo­ne südlich der Sahara, wo verschie­de­ne Terror­grup­pen seit vielen Jahren für Angst und Schre­cken sorgen. Während der Bundes­tag den Ausbil­dungs­ein­satz der Bundes­wehr in Mali am Freitag beendet hat, wird die Ausbil­dung von Spezi­al­kräf­ten im Niger fortge­setzt. Scholz macht sich ein Bild von der Missi­on «Gazel­le» — sein erster Truppen­be­such im Ausland.

- SÜDAFRIKA gilt als Schlüs­sel­part­ner Deutsch­lands in Afrika mit engen wirtschaft­li­chen, politi­schen und kultu­rel­len Bezie­hun­gen. Es ist außer­dem das einzi­ge afrika­ni­sche Mitglied der G20 führen­der Wirtschaftsmächte.

18 afrika­ni­sche Länder stimm­ten nicht für UN-Resolution

Scholz wird auf seiner Reise auch darüber sprechen, warum viele afrika­ni­sche Länder bisher auf eine klare Verur­tei­lung des russi­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne verzich­tet haben. Bei der Abstim­mung in der UN-Vollver­samm­lung über die Verur­tei­lung des russi­schen Angriffs­kriegs stimm­ten 141 der 193 UN-Mitglied­staa­ten dafür, fünf dagegen, darun­ter das afrika­ni­sche Eritrea. Unter den 35 Enthal­tun­gen waren neben China, Indien und Brasi­li­en auch 17 afrika­ni­sche Staaten, darun­ter Südafri­ka und der Senegal, zwei der Ziellän­der des Kanzlers.

Der senega­le­si­sche Präsi­dent Sall sagte, sein Land verur­tei­le die russi­sche Aggres­si­on zwar, wolle aber keine Partei in dem Konflikt sein. Er setze auf eine Verhandlungslösung.

Das Abstim­mungs­ver­hal­ten spiegelt den Einfluss wider, den Russland auf dem Konti­nent hat. Südafri­ka als zweit­größ­te Volks­wirt­schaft Afrikas ist mit Russland im Brics-Staaten­bund verban­delt. Statt einer knall­har­ten Verur­tei­lung Russlands fordert der Kap-Staat Versu­che, den Konflikt auf diplo­ma­ti­schem Wege zu lösen. Neben Russland und Südafri­ka gehören dem Brics-Verbund Brasi­li­en, Indien und China an, das seit der Jahrtau­send-Wende seine Rolle in Afrika durch milli­ar­den­schwe­re Inves­ti­tio­nen zuneh­mend ausbaut.

Sowjet­uni­on hatte Unabhän­gig­keits­be­we­gun­gen unterstützt

Obwohl Russland auf dem Konti­nent überwie­gend im Sicher­heits­be­reich («Wagner-Söldner­grup­pe») und in Bergbau-Projek­ten aktiv ist, genießt es als Nachfol­ge­staat der Sowjet­uni­on dort hohe Sympa­thie­wer­te. Die hatte während des Kalten Krieges zahlrei­che afrika­ni­sche Unabhän­gig­keits­be­we­gun­gen unterstützt.

Europa versucht sich vor diesem Hinter­grund als privi­le­gier­ter Partner zu positio­nie­ren, stand dabei bisher aber noch im Schat­ten der Chine­sen. Mit ihrer Strate­gie «Global Gateway» will die Europäi­sche Union nun aufho­len und rund 150 Milli­ar­den Euro für Infra­struk­tur­pro­jek­te in Afrika bereitstellen.

Von Micha­el Fischer, Eva Krafc­zyk und Ralf Krüger, dpa