BERLIN (dpa) — 100 Milli­ar­den Euro will die Bundes­re­gie­rung zusätz­lich in die Vertei­di­gung inves­tie­ren. Jetzt zeich­net sich ein erstes großes Rüstungs­pro­jekt ab, für das ein Teil des Geldes verwen­det werden könnte.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz erwägt die Errich­tung eines Raketen­schutz­schilds für ganz Deutsch­land nach israe­li­schem Vorbild.

«Das gehört ganz sicher zu den Dingen, die wir beraten, aus gutem Grund», sagte der SPD-Politi­ker in der ARD-Sendung «Anne Will» auf die Frage, ob ein Schutz­schirm gegen Raketen­an­grif­fe wie in Israel über das Land gespannt werden soll.

Zur Begrün­dung des mögli­chen Milli­ar­den­pro­jekts sagte er mit Blick auf Russland: «Wir müssen uns alle darauf vorbe­rei­ten, dass wir einen Nachbarn haben, der gegen­wär­tig bereit ist, Gewalt anzuwen­den, um seine Inter­es­sen durch­zu­set­zen. Deswe­gen müssen wir uns gemein­sam so stark machen, dass das unterbleibt.»

Zu den Details wollte Scholz sich aber noch nicht äußern. «Ich habe mir vorge­nom­men, jetzt nicht die Einzel­hei­ten eines noch nicht zu Ende abschlie­ßend berate­nen Plans hier auszuplaudern.»

«Arrow 3» kann Raketen in Strato­sphä­re zerstören

Über den Plan hatte die «Bild am Sonntag» zuvor berich­tet. Danach wird die Anschaf­fung des israe­li­schen Systems «Arrow 3» erwogen. Es ist in der Lage, Langstre­cken­ra­ke­ten sehr hoch über der Erde zu zerstö­ren, bis in die Strato­sphä­re hinein, die zweite von fünf Schich­ten der Erdat­mo­sphä­re. Dazu ist die Bundes­wehr bisher nicht in der Lage.

Die Kosten würden laut «BamS» bei zwei Milli­ar­den Euro liegen. Einsatz­fä­hig wäre das System 2025. Scholz hatte nach Beginn des Ukrai­ne-Kriegs ein 100-Milli­ar­den-Euro-Programm zur Aufrüs­tung der Bundes­wehr angekün­digt. Am Mittwoch hatte er mit Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lambrecht und General­inspek­teur Eberhard Zorn darüber beraten.

Keine Steuer­erhö­hun­gen zur Krisenfinanzierung

Steuer­erhö­hun­gen zur Finan­zie­rung der Kriegs­fol­gen lehnte Scholz ab und bekräf­tig­te die Gültig­keit der Schul­den­brem­se. Er verwies auf die Verein­ba­run­gen der Ampel-Partei­en in ihrem Koali­ti­ons­ver­trag. «Wir haben eine Verstän­di­gung gefun­den in der Koali­ti­on zwischen den drei Partei­en über die Fragen sowohl der Schul­den­brem­se als auch die Frage der Steuer­erhö­hun­gen. Und an die werden sich alle drei im Ergeb­nis halten.»

«Drama­ti­sche Maßnah­men» bei Chemiewaffeneinsatz

Dem russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin drohte Scholz mit «drama­ti­schen Maßnah­men» bei einem Einsatz von Chemie­waf­fen. «Ein Einsatz von biolo­gi­schen und chemi­schen Waffen darf nicht statt­fin­den, und deswe­gen sind wir auch alle so expli­zit, so ausdrück­lich in dieser Frage», sagte er. Es gebe bereits Überle­gun­gen zu solchen Maßnah­men, sagte Scholz, wurde aber nicht konkre­ter. Er machte aller­dings klar, dass die Nato selbst bei einem Einsatz chemi­scher oder biolo­gi­scher Waffen durch Russland nicht in den Krieg um die Ukrai­ne eintre­ten werde. «Die Nato wird nicht Kriegs­par­tei werden, das ist klar.»

Macht­wech­sel in Russland «nicht das Ziel der Nato»

Scholz stell­te auch klar, dass die Nato keinen Macht­wech­sel in Russland anstrebt: «Das ist nicht das Ziel der Nato, übrigens auch nicht des ameri­ka­ni­schen Präsi­den­ten.» Der Kanzler reagier­te damit auf eine Äußerung des US-Präsi­den­ten Joe Biden, der am Samstag wegen des Ukrai­ne-Kriegs die Herrschaft des russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin offen in Frage gestellt hatte. «Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben», sagte Biden.

Scholz verwies darauf, dass er mit Biden bei seinem Antritts­be­such im Weißen Haus — noch vor dem Ukrai­ne-Krieg — über diese Frage gespro­chen habe. «Wir sind beide völlig einig, dass Regime Change (Regime­wech­sel) kein Gegen­stand und Ziel von Politik ist, die wir mitein­an­der verfol­gen.» Es sei die «Sache der Völker und Natio­nen selber», sich ihre Freiheit zu erkämpfen.

Gas-Milli­ar­den: Russland kann damit «gar nichts anfangen»

Die Kritik, Deutsch­land finan­zie­re mit seinen Energie­im­por­ten aus Russland den Ukrai­ne-Krieg mit, wies Scholz zurück. «Russland kann mit dem Geld, das es auf seinen Konten lagert, gegen­wär­tig gar nichts anfan­gen wegen unserer Sanktio­nen», sagte er. Es gehe um ein paar Hundert Milli­ar­den an Devisen­re­ser­ven. «Deshalb ist es sehr unwahr­schein­lich, dass es diesen Zusam­men­hang überhaupt gibt.» Deutsch­land überweist Schät­zun­gen zufol­ge jeden Tag einen dreistel­li­gen Millio­nen­be­trag für Energie­lie­fe­run­gen an Russland — aller­dings in der Regel in Euro oder US-Dollar.