BERLIN (dpa) — «Wandel durch Annähe­rung»: Das war der Leitsatz, unter dem Egon Bahr vor mehr als 50 Jahren die Ostpo­li­tik von Kanzler Willy Brandt maßgeb­lich mitge­stal­te­te. Am Freitag wäre er 100 gewor­den. Kanzler Scholz würdigt ihn.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) hat davor gewarnt, Russland mit dem russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin gleichzusetzen.

«Nicht das russi­sche Volk hat die fatale Entschei­dung des Überfalls auf die Ukrai­ne getrof­fen. Dieser Krieg ist Putins Krieg», sagte Scholz am Donners­tag­abend auf einer Veran­stal­tung der Fried­rich-Ebert-Stiftung zu Ehren des SPD-Politi­kers Egon Bahr, der am Freitag 100 Jahre alt gewor­den wäre.

«Diese Diffe­ren­zie­rung ist wichtig. Sie ist wichtig, um die Aussöh­nung zwischen Deutschen und Russen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aufs Spiel zu setzen», beton­te Scholz. Sie sei auch wichtig für das Zusam­men­le­ben mit den Russen und Ukrai­nern in Deutsch­land. «Und sie ist wichtig, um den mutigen russi­schen Männern und Frauen, die unter hohen persön­li­chen Risiken gegen Putins Angriffs­krieg auf die Straße gehen, eines zu zeigen: Ihr steht nicht allein. Wir stehen an Eurer Seite.» Dieses andere Russland sei das Funda­ment für die deutsch-russi­schen Bezie­hun­gen der Zukunft.

Bahr gilt als Archi­tekt der neuen Ostpolitik

Der 2015 verstor­be­ne SPD-Politi­ker Egon Bahr gilt als Archi­tekt der neuen Ostpo­li­tik von Bundes­kanz­ler Willy Brandt, die in Verträ­ge mit der DDR, Polen und der Sowjet­uni­on münde­te. Bahrs Leitsatz war «Wandel durch Annähe­rung». In den Jahren 1972 bis 1976 war er erst Bundes­mi­nis­ter für beson­de­re Aufga­ben und dann für wirtschaft­li­che Zusammenarbeit.

Scholz warf Putin vor, die Uhren zurück­dre­hen zu wollen «in eine Zeit, in der Großmäch­te die Landkar­te unter sich auftei­len». Er wolle die Länder Mittel- und Osteu­ro­pas als «bloße Puffer und Einfluss­zo­nen behandeln».

Zu den Erfolgs­chan­cen der laufen­den Bemühun­gen um ein Ende des Ukrai­ne-Kriegs äußer­te Scholz sich zurück­hal­tend. «Niemand weiß, ob Russland die Gesprä­che, die jetzt in Belarus statt­fin­den, nur führt, um den eigenen Vormarsch zu beglei­ten», sagte er.

Trotz­dem unter­stütz­te er die Verhand­lun­gen. Man sei dabei aber nicht naiv, beton­te Scholz. «Dialog ist ja kein Selbst­zweck. Dialog, in diesem Fall gerade mit Russland, setzt eigene Stärke voraus, das wussten übrigens auch Willy Brandt und Egon Bahr.» Scholz beton­te, dass der bisher höchs­te Anstieg der Vertei­di­gungs­aus­ga­ben in der Geschich­te der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land in ihre Regie­rungs­zeit gefal­len sei.