SCHWEDT/BERLIN/MOSKAU (dpa) — Der Bund entzieht Rosneft die Kontrol­le über die PCK-Raffi­ne­rie und verbrei­tet Zuver­sicht für das Schwed­ter Unter­neh­men. Der russi­sche Konzern will dies nicht hinnehmen.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz sieht für die PCK-Raffi­ne­rie in Schwedt gute Perspek­ti­ven. Das machte der SPD-Politi­ker bei einer Beleg­schafts­ver­samm­lung in der branden­bur­gi­schen Stadt deutlich. Zuvor hatte die Bundes­re­gie­rung angekün­digt, die Mehrheits­eig­ner der PCK-Raffi­ne­rie — zwei Töchter des russi­schen Staats­kon­zerns Rosneft — unter Treuhand­ver­wal­tung der Bundes­netz­agen­tur und damit unter staat­li­che Kontrol­le zu bringen. Das will Rosneft aber nicht hinnehmen.

Aus Sicht von Bundes­kanz­ler Olaf Scholz muss Deutsch­land darauf vorbe­rei­tet sein, dass Russland nach den Gas- auch die Öl-Liefe­run­gen einstellt. «Ich war von Anfang an sehr sicher, dass man sich nicht darauf verlas­sen kann, dass Russland seine Verpflich­tun­gen einhält, was zum Beispiel Gas-Liefe­run­gen betrifft», sagte der Kanzler im am Samstag online veröf­fent­lich­ten «Inter­view der Woche» des Deutsch­land­funks. «Und genau­so berei­ten wir uns jetzt darauf vor, dass eine ähnlich schwie­ri­ge Situa­ti­on entste­hen kann für die beiden ostdeut­schen Raffi­ne­rien, die an der Drusch­ba-Pipeline hängen.»

Scholz, Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grüne) und Branden­burgs Minis­ter­prä­si­dent Dietmar Woidke (SPD) hatten das Maßnah­men­pa­ket am Freitag in Berlin erläu­tert. Der Kanzler kündig­te im Rahmen eines Zukunfts­pa­kets eine Milli­ar­de Euro an Inves­ti­tio­nen an. Der Stand­ort und die Arbeits­plät­ze seien damit gesichert. Niemand in der PCK-Raffi­ne­rie müsse sich um seinen Arbeits­platz Sorgen machen.

Scholz: «Hier wird noch lange Öl verar­bei­tet werden»

Am Rande der Beleg­schafts­ver­samm­lung in Schwedt sagte Scholz, das Unter­neh­men habe eine lange Tradi­ti­on, die mit vielen Geschich­ten verbun­den sei. «Deshalb ist die Botschaft von heute: Es wird auch noch eine Zeit für die Zukunft geben. Hier wird noch lange Öl verar­bei­tet werden», sagte Scholz. Aber auch mit Blick auf die Entwick­lung hin zu einer klima­neu­tra­len Wirtschaft werde es hier Arbeit geben, «die dem entspricht, was es bisher gegeben hat. Das ist eine wichti­ge Botschaft». Auch Woidke und Habecks Staats­se­kre­tär Micha­el Kellner waren in Schwedt vor Ort.

PCK hat rund 1200 Mitar­bei­ter und ist eine wirtschaft­li­che Säule der Region um Schwedt. Die Raffi­ne­rie versorgt große Teile des Nordos­tens mit Treib­stoff. Hinter­grund der Treuhand­ver­wal­tung ist das Ölembar­go gegen Russland wegen des Ukrai­ne-Kriegs, das am 1. Januar greift. Deutsch­land hat sich auf EU-Ebene verpflich­tet, auch auf russi­sches Pipeline-Öl zu verzich­ten. PCK wird bisher über die Drusch­ba-Pipeline mit russi­schem Öl belie­fert. Alter­na­tiv soll unter anderem Öl aus Rostock kommend in Schwedt verar­bei­tet werden.

Rosneft spricht von «illega­lem» Zugriff

Rosneft warf der Bundes­re­gie­rung eine «Zwangs­ent­eig­nung» seiner deutschen Tochter­fir­men vor. Das Unter­neh­men sprach in einer Mittei­lung in Moskau von einem «illega­len» Zugriff auf sein Vermö­gen und kündig­te an, zum Schutz seiner Aktiva vor Gericht gegen die Aktion Berlins vorzu­ge­hen. «Rosneft sieht darin eine Verlet­zung aller grund­le­gen­den Prinzi­pi­en der Markt­wirt­schaft, der zivili­sier­ten Grund­la­gen einer moder­nen Gesell­schaft, die auf dem Prinzip der Unantast­bar­keit von Privat­ei­gen­tum aufbaut», hieß es in der Stellungnahme.

Der Konzern beton­te, dass er zu jeder Zeit seine Verpflich­tun­gen erfüllt habe. Es seien auch weite­re Inves­ti­tio­nen und Projek­te geplant gewesen. Die bishe­ri­gen Inves­ti­tio­nen in Deutsch­land bezif­fer­te der Konzern auf 4,6 Milli­ar­den Euro.

Zugleich machte Rosneft deutlich, durch die Entschei­dung aus Berlin nun keine Möglich­keit mehr zu haben, «die indus­tri­el­le und ökolo­gi­sche Sicher­heit des Werkes zu gewähr­leis­ten». Der Konzern sei aber auch bereit, einen mögli­chen neuen Vertrag auszu­han­deln — unter der Bedin­gung, dass es eine Garan­tie gebe für die Bezah­lung der Öllie­fe­run­gen, für die Inves­ti­tio­nen und die Rechte der Beschäf­ti­gen des Unternehmens.

Minis­ter: Basis für Erhalt der PCK-Raffi­ne­rie jetzt da

Branden­burgs Wirtschafts­mi­nis­ter Jörg Stein­bach (SPD) sieht die staat­li­che Kontrol­le der Mehrheits­eig­ner der PCK-Raffi­ne­rie als Grund­la­ge für einen Erhalt, aber noch nicht als Garan­tie dafür. «Mit der Treuhand­schaft wird die Voraus­set­zung geschaf­fen, die notwen­di­gen Schrit­te zum Erhalt der PCK-Raffi­ne­rie gehen zu können», sagte Stein­bach der Deutschen Presse-Agentur. «Ohne sie wäre das nicht möglich gewesen, mit ihr schafft der Bund die notwen­di­ge Handlungs­frei­heit.» Er beton­te aber auch: «Nun kommt es auf eine erfolg­rei­che Umset­zung an.»

Ostbe­auf­trag­ter sieht neue Perspektiven

Der Ostbe­auf­trag­te der Bundes­re­gie­rung, Carsten Schnei­der, sagte, mit Rosneft habe es am Stand­ort keine Fortschrit­te mehr gegeben. Geschäfts­part­ner hätten sich zurück­ge­zo­gen, Rosneft habe anderer­seits große, brach liegen­de Areale nicht für andere Inves­to­ren freige­ge­ben, sagte der SPD-Politi­ker dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND). Mit der Entschei­dung des Bundes sieht er nun eine Perspek­ti­ve für Schwedt. «Ich wage sogar die Progno­se, dass es in Schwedt in einigen Jahren deutlich mehr Arbeits­plät­ze als heute geben wird», sagte er. Auf die Frage, ob er den Mitar­bei­tern guten Gewis­sens sagen könne, dass sie eine beruf­li­che Zukunft haben, antwor­te­te der Ostbe­auf­trag­te: «Defini­tiv ja!».

Die Kontrol­le des Bundes über eine Treuhand­ver­wal­tung ist zunächst auf sechs Monate befris­tet. Woidke ging im ZDF-«heute journal» davon aus, dass der Bund hier für «länge­re Zeit» die Kontrol­le übernimmt. Die Entschei­dung sei richtig gewesen, sie eröff­ne dem Stand­ort Perspek­ti­ven. Nun könne hier inves­tiert werden. Branden­burgs Minis­ter­prä­si­dent warnte davor, die Rolle von Schwedt zu «vernied­li­chen». Die PCK-Raffi­ne­rie sei system­re­le­vant für ganz Deutschland.

Die «Wirtschafts­wei­se» Veroni­ka Grimm findet die Übernah­me der Kontrol­le bei der deutschen Rosneft-Gruppe durch den Bund sinnvoll, um den Weiter­be­trieb der Raffi­ne­rie zu sichern. Zugleich wies Grimm in der «Rheini­schen Post» aber auf Unsicher­hei­ten für die künfti­ge Ölver­sor­gung bei der großen Raffi­ne­rie hin. Die Anbin­dung über Rostock könne die benöti­gen Mengen nicht kurzfris­tig erbrin­gen. Es wären auch Liefe­run­gen über polni­sche Häfen notwen­dig. Es sei unklar, ob die Treuhand­ver­wal­tung ausrei­che, um Polen zu überzeu­gen, Öllie­fe­run­gen über polni­sche Häfen zuzulassen.