BERLIN (dpa) — Erste Stati­on Deutsch­land: Nach seiner Wieder­wahl als franzö­si­scher Präsi­dent reist Macron zuerst nach Berlin, um ein Zeichen für den deutsch-franzö­si­schen Motor in der EU zu setzen. In Sachen Ukrai­ne ist er sich mit Scholz einig, beim Thema EU-Refor­men nicht so ganz.

Zweiein­halb Monate nach Beginn des Ukrai­ne-Krieges haben Bundes­kanz­ler Olaf Scholz und der gerade wieder­ge­wähl­te franzö­si­sche Präsi­dent Emmanu­el Macron in Berlin gemein­sam konkre­te Schrit­te in Richtung Waffen­ru­he gefordert.

«Was wir errei­chen wollen, ist ein Waffen­still­stand, so schnell wie möglich», sagte Macron. Nur so könnten die Verhand­lun­gen zwischen der Ukrai­ne und Russland zu einem Abschluss gebracht werden, um einen Frieden zu errei­chen und in der Folge einen dauer­haf­ten Rückzug der russi­schen Truppen. «Das ist unser Ziel.»

Auch Scholz sagte, es müsse nach so vielen Kriegs­wo­chen nun bald entschei­den­de Schrit­te zu einer Beendi­gung des Konflikts geben. Es sei aber nicht vorstell­bar, dass die Ukrai­ne einen «Diktat­frie­den» akzep­tie­re, der Bedin­gun­gen vorschrei­ben wolle, die sie für ihre Souve­rä­ni­tät und Integri­tät als Nation nicht akzep­tie­ren könne.

Macron beton­te auch, dass für ihn die Rede des russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin bei der Militär­pa­ra­de in Moskau zum 77. Jahres­tags des Siegs der Sowjet­uni­on über Nazi-Deutsch­land noch kein Zeichen der Deeska­la­ti­on sei. Viele Beobach­ter hatten von Putin eine weitaus schär­fe­re Rede bis hin zur generel­len Mobil­ma­chung oder zu einer formel­len Kriegs­er­klä­rung an die Ukrai­ne erwartet.

Für Macron war der Besuch bei Scholz die erste Auslands­rei­se nach seiner Amtsein­füh­rung am Wochen­en­de. Vor zwei Wochen wurde er als Präsi­dent wieder­ge­wählt. Der rasche tradi­tio­nel­le Antritts­be­such wurde von franzö­si­scher Seite als Zeichen dafür gewer­tet, wie wichtig das deutsch-franzö­si­sche Tandem sei.

Scholz beton­te, dass es nun um «neuen Schwung» für Europa gehe. Der «entsetz­li­che Angriffs­krieg» Russlands auf die Ukrai­ne schwei­ße die europäi­schen Partner zusam­men. Es gelte auch, zusam­men zu handeln. Der Kanzler beton­te: «Die Ukrai­ne gehört zur europäi­schen Familie.» Er verwies auf die von der Regie­rung in Kiew vorge­leg­ten Beitritts­an­trä­ge. Scholz hob zudem die EU-Beitritts­pro­zes­se der Staaten des westli­chen Balkans hervor. Hier müssten Blocka­den überwun­den werden.

Skeptisch äußer­te sich Scholz zu Änderun­gen der EU-Verträ­ge, um die Union handlungs­fä­hi­ger zu machen. Größe­re Effizi­enz in vielen Feldern lasse sich auch noch errei­chen, ohne dass man gleich an Vertrags­än­de­run­gen gehen müsse, sagte er. Zum Beispiel seien Mehrheits­ent­schei­dun­gen in mehr Politik­fel­dern möglich als das heute der Fall sei.

Bürge­rin­nen und Bürger aus der EU hatten am Montag in Straß­burg Vorstel­lun­gen für eine Reform der Gemein­schaft an die Spitzen der EU-Insti­tu­tio­nen überge­ben. Macron sprach sich für eine umfas­sen­de Reform der EU sowie eine Änderung der grund­le­gen­den Verträ­ge aus. Er unter­stütz­te den Vorschlag des Europa­par­la­ments, dazu einen Verfas­sungs­kon­vent einzu­be­ru­fen. Zeitgleich zur Ankün­di­gung Macrons veröf­fent­lich­ten 13 EU-Staaten aber bereits ein Papier, in dem sie sich gegen einen Verfas­sungs­kon­vent aussprachen.

Macron: Koope­ra­ti­ons­form jenseits der EU

Scholz sagte, es gehe darum, wie man das Ziel Deutsch­lands und Frank­reichs verfol­gen könne, eine stärke­re und souve­rä­ne EU zu schaf­fen. Dazu gebe es eine Reihe von Vorschlä­gen. Da, wo ein Konsens erzielt werden könne, «sind wir gerne dabei und werden sicher­lich nicht dieje­ni­gen sein, die das aufhal­ten.» Fortschritt sei möglich, sagte der Kanzler. «Was wir jetzt als Grund­la­ge haben, ist ein ganz wichti­ger Motor dafür, dass er auch zustan­de kommt. Und wir werden ihn anwerfen.»

Zur Stärkung der Stabi­li­tät und Demokra­tie in Europa regte Macron auch eine Koope­ra­ti­ons­form jenseits der Europäi­schen Union an. Bisher habe man immer mit einer Auswei­tung der EU diese Ziele errei­chen wollen, meinte er. Diese Perspek­ti­ve aber sei für Länder wie die Ukrai­ne realis­ti­scher­wei­se nicht binnen weniger Jahre erreich­bar. Deshalb müssten neue politi­sche Formen gefun­den werden, um solche Länder an Europa zu binden und eine politi­sche Koordi­nie­rung zu schaffen.

Wie Macron sagte, gehe es dabei um Fragen etwa der Vertei­di­gung mit einer Solida­ri­tät jenseits der Nato, um Energie, Infra­struk­tur oder auch Reise­frei­heit. Länder, die in ihren Beitritts­be­mü­hun­gen zur EU schon weiter fortge­schrit­ten seien, sollten aber nicht zurück­ge­wie­sen werden.