BERLIN (dpa) — Seit Tagen gibt es Kritik am Kanzler. Nun will er einem großen Publi­kum seine Positio­nen erklä­ren. Sein angekün­dig­ter TV-Auftritt fällt zusam­men mit den Ukrai­ne-Reise­plä­nen von Opposi­ti­ons­füh­rer Merz.

Nach viel Kritik will Bundes­kanz­ler Olaf Scholz seinen Kurs zum Ukrai­ne-Krieg noch einmal ausführ­lich erklä­ren. Wie das ZDF mitteil­te, ist der SPD-Politi­ker heute Abend um 19.20 Uhr in der Sendung «Was nun, …?» zu Gast.

Scholz hatte am Wochen­en­de deutlich gemacht, dass er trotz Vorwür­fen der Opposi­ti­on an seinem Kurs festhält. «Ich treffe meine Entschei­dun­gen schnell — und abgestimmt mit unseren Verbün­de­ten. Übereil­tes Agieren und deutsche Allein­gän­ge sind mir suspekt», sagte er der «Bild am Sonntag». Bei einer Mai-Kundge­bung beton­te Scholz: «Wir werden die Ukrai­ne weiter unter­stüt­zen, mit Geld, mit humani­tä­rer Hilfe, aber auch das muss gesagt werden: Wir werden sie unter­stüt­zen, dass sie sich vertei­di­gen kann, mit Waffen­lie­fe­run­gen, wie viele andere Länder in Europa das auch machen.»

Merz übt Kritik — und plant Kiew-Reise

Der CDU-Vorsit­zen­de Fried­rich Merz hatte dem Kanzler am vergan­ge­nen Donners­tag im Bundes­tag «Zögern», «Zaudern» und «Ängst­lich­keit» in der Ukrai­ne-Politik vorge­wor­fen. CSU-Chef Markus Söder warf dem Kanzler am Samstag bei einem kleinen CSU-Partei­tag vor, sich davor zu drücken, der deutschen Bevöl­ke­rung in diesen schwie­ri­gen Zeiten Orien­tie­rung zu geben. «Ein solches Zögern, Sich-Verste­cken oder Sich-davor-Drücken ist eines deutschen Kanzlers unwür­dig», sagte er in Würzburg. «Deutsch­land macht seit Wochen eine peinli­che Figur.»

Merz selbst will nun in die ukrai­ni­sche Haupt­stadt Kiew reisen, um sich ein Bild von der Lage und den Unter­stüt­zungs­wün­schen zu machen. Die CDU verbrei­te­te auf Twitter eine Nachricht seines Stabs­chefs Jacob Schrot, in der dieser ohne Nennung eines Datums schrieb: «In der Tat ist eine Reise von Fried­rich Merz in die Ukrai­ne geplant.»

Nach Infor­ma­tio­nen von «Bild» und «Tages­spie­gel» will Merz schon an diesem Montag starten. Dem «Tages­spie­gel» zufol­ge soll das Bundes­kri­mi­nal­amt ihm geraten haben, die Reise aus Sicher­heits­grün­den zu verschie­ben. So etwas brauche einen länge­ren Vorlauf.

Unions­frak­ti­ons­vi­ze Johann Wadephul (CDU) sprach in der ARD-Sendung «Anne Will» mit Blick auf die geplan­te Merz-Reise von einem wichti­gen Zeichen. CSU-Vertei­di­gungs­po­li­ti­ker Flori­an Hahn rief Scholz auf, wie der Opposi­ti­ons­füh­rer in die Ukrai­ne zu reisen. «Worten müssen auch Taten folgen», sagte Hahn den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Montag). «Wer wie der Bundes­kanz­ler die Zeiten­wen­de ausruft, und danach über Wochen ständig abtaucht, hinter­lässt nicht nur bei den Verbün­de­ten ein ungutes Gefühl.»

Strack-Zimmer­mann: «Sehr konkret sein»

Die FDP-Vertei­di­gungs­exper­tin Marie-Agnes Strack-Zimmer­mann beton­te bei «Anne Will», wie wichtig eine gute Vorbe­rei­tung einer solchen Reise ist. «Aber es geht jetzt hier nicht darum, wer zuerst fährt, wer zum Schluss fährt.» Wenn man fahre, dann müsse man auch etwas mitbrin­gen. «Das heißt: Man muss sehr konkret sein». Sie glaube nicht, dass sich der Kanzler von den Reise­plä­nen treiben lasse. Strack-Zimmer­mann, Vorsit­zen­de des Vertei­di­gungs­aus­schus­ses des Bundes­tags, war vor kurzem selbst in die Ukrai­ne gereist.

Die FDP-Politi­ke­rin bedau­er­te zugleich die Geheim­hal­tung bei den bislang getätig­ten Waffen­lie­fe­run­gen für die Ukrai­ne. Sie halte dies für einen Fehler, «weil dies deutlich mehr ist, als sich manche vorstel­len können».

SPD-General­se­kre­tär Kevin Kühnert wies derweil in der «Augsbur­ger Allge­mei­nen» (Montag) die Söder-Kritik an Scholz zurück. «Söder macht wie so oft keine Politik, sondern setzt auf Stimmun­gen. Krawall und Remmi­dem­mi ist in Zeiten des Krieges nicht die richti­ge Tonla­ge für einen führen­den Politi­ker», sagte Kühnert. Nach zwei Jahren ohne Volks­fes­te schei­ne dem bayeri­schen Minis­ter­prä­si­den­ten das Gespür dafür abhan­den gekom­men zu sein, dass man auch bei schmis­si­gen Bierzelt­re­den staats­po­li­ti­sche Verant­wor­tung trage.

Busch­mann warnt vor «klein­li­chem» Parteienstreit

Bundes­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann (FDP) rief dazu auf, in diesen Zeiten auf alles zu verzich­ten, «was nach einem takti­schen klein­li­chen Partei­en­streit aussieht». Der «Rheini­schen Post» sagte er: «Die Ukrai­ne hat jedes Recht, sich gegen den russi­schen Angriff zu vertei­di­gen. Dabei hat sie unsere entschlos­se­ne Unter­stüt­zung — nicht nur mit Worten und Diplo­ma­tie, sondern auch mit finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung und Liefe­rung von Waffen.» Das habe der Bundes­kanz­ler auch am Wochen­en­de nochmals namens der Bundes­re­gie­rung betont.

Die Bundes­re­gie­rung hatte am Diens­tag die Liefe­rung von Gepard-Flugab­wehr­pan­zern der deutschen Rüstungs­in­dus­trie geneh­migt. Sie sind die ersten schwe­ren Waffen, die direkt aus Deutsch­land in die Ukrai­ne gelie­fert werden. Vor dem Ukrai­ne-Krieg galt der Grund­satz, keine Waffen in Krisen­ge­bie­te abzuge­ben. Am Donners­tag hatte der Bundes­tag zudem einen gemein­sa­men Antrag von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU mit einem Plädoy­er für die Liefe­rung schwe­rer Waffen an die Ukrai­ne verabschiedet.