BRÜSSEL (dpa) — Jetzt ist es offizi­ell: Schwe­den und Finnland haben die Aufnah­me in die Nato beantragt. Ob der Beitritt so schnell erfol­gen kann wie von den meisten gewünscht, ist aller­dings unklar.

Schwe­den und Finnland haben offizi­ell die Mitglied­schaft in der Nato beantragt. Botschaf­ter der beiden Staaten überga­ben General­se­kre­tär Jens Stolten­berg am Mittwoch in der Brüsse­ler Bündnis­zen­tra­le die entspre­chen­den Dokumente.

Dieser sprach von einem «histo­ri­schen Schritt». «Dies ist ein guter Tag zu einem kriti­schen Zeitpunkt für unsere Sicher­heit», sagte Stolten­berg mit Blick auf den russi­schen Angriffs­krieg gegen die Ukraine.

Grund für Schwe­dens und Finnlands Beitritts­wunsch sind Sicher­heits­sor­gen wegen des russi­schen Einmarschs in das Nachbar­land. Beide Staaten haben bisher jahrzehn­te­lang entschie­den eine Politik der militä­ri­schen Bündnis­frei­heit verfolgt.

Mit den Aufnah­me­an­trä­gen wird sich nun der Nato-Rat beschäf­ti­gen. In ihm sitzen Vertre­ter der 30 Bündnis­staa­ten der Militär­al­li­anz, die im Konsens eine Entschei­dung über das weite­re Vorge­hen treffen müssen.

Überschat­tet werden die histo­ri­schen Entwick­lun­gen von den Vetodro­hun­gen des Nato-Mitglieds Türkei. Die Führung in Ankara hatte zuletzt mehrfach deutlich gemacht, dass sie dem Beitritt Finnlands und Schwe­dens nur gegen Zugeständ­nis­se zustim­men will.

Präsi­dent Recep Tayyip Erdogan erklärt seine Haltung mit der angeb­li­chen Unter­stüt­zung der beiden Länder für die verbo­te­ne kurdi­sche Arbei­ter­par­tei PKK und die Kurden­mi­liz YPG in Syrien. Zugleich wird kriti­siert, dass auch Nato-Staaten wegen des türki­schen Vorge­hens gegen diese Gruppie­run­gen die Liefe­rung von Rüstungs­gü­tern einge­schränkt haben.

Wie die Türkei von einem Veto gegen einen Nato-Beitritt von Schwe­den und Finnland abgehal­ten werden kann, war bis zuletzt unklar. Nach Angaben von Diplo­ma­ten könnten neben Erklä­run­gen der beiden Nordlän­der zum Kampf gegen den Terro­ris­mus auch Waffen­ge­schäf­te eine Rolle spielen. So will die Regie­rung in Ankara in den USA F‑16-Kampf­jets kaufen — in Washing­ton war ein mögli­chen Deal zuletzt aber politisch umstritten.

Hoffnung ist nun, dass für diesen Mittwoch angesetz­te Gesprä­che des türki­schen Außen­mi­nis­ters Mevlüt Cavuso­glu in New York Bewegung in den Streit bringen könnten. Cavuso­glu will sich dort unter anderem mit seinem US-Kolle­gen Antony Blinken treffen.

Sollte die Türkei ihre Vorbe­hal­te gegen einen Nato-Beitritt aufge­ben, dürfte alles ganz schnell gehen. Bereits im Juni könnten dann die sogenann­ten Beitritts­pro­to­kol­le unter­zeich­net werden und in den Mitglied­staa­ten die Ratifi­zie­rungs­ver­fah­ren begin­nen. Im Ideal­fall wären Finnland und Schwe­den dann bis Ende des Jahres Nato-Mitglied. Sollte Ankara aller­dings hart bleiben, wäre das Bündnis wegen des für alle Entschei­dun­gen gelten­den Einstim­mig­keits­prin­zips machtlos.

Beson­ders unange­nehm ist für die Nato, dass die Türkei das Aufnah­me­ver­fah­ren an mehre­ren Stellen blockie­ren kann. So könnte das Land beispiels­wei­se zunächst einmal den Start des Beitritts­ver­fah­rens ermög­li­chen, dann aber die Unter­zeich­nung der Beitritts­pro­to­kol­le oder noch später die Ratifi­zie­rung verweigern.

Stolten­berg: Sicher­heits­in­ter­es­sen aller berücksichtigen

General­se­kre­tär Stolten­berg rief die Bündnis­staa­ten am Mittwoch dazu auf, die Sicher­heits­in­ter­es­sen aller zur berück­sich­ti­gen und zusam­men­zu­ste­hen. «Wir sind entschlos­sen, uns mit allen Fragen ausein­an­der­zu­set­zen und rasch Schluss­fol­ge­run­gen zu ziehen», sagte er nach der Überga­be der Aufnah­me­an­trä­ge durch den finni­schen Botschaf­ter Klaus Korho­nen und dessen schwe­di­schen Kolle­gen Axel Wernhoff. Grund­sätz­lich seien sich die Verbün­de­ten einig über die Bedeu­tung der Erwei­te­rung. Alle seien sich einig, dass man diesen histo­ri­schen Augen­blick nutzen müsse.

Um zur Lösung der Proble­me beizu­tra­gen, wollen Finnland und Schwe­den in den kommen­den Tagen weiter das Gespräch mit Ankara suchen. Finnlands Präsi­dent Sauli Niinistö und die schwe­di­sche Regie­rungs­chefin Magda­le­na Anders­son werden zudem am Donners­tag in Washing­ton erwar­tet, wo sie mit US-Präsi­dent Joe Biden über den geplan­ten Nato-Beitritt sprechen wollen. Dabei dürften auch Sicher­heits­ver­ein­ba­run­gen für die Übergangs­zeit bis zum Nato-Beitritt eine Rolle spielen. Erst dann greift nämlich Artikel 5 des Nordat­lan­tik­ver­tra­ges, der regelt, dass ein bewaff­ne­ter Angriff gegen einen Bündnis­part­ner als ein Angriff gegen sie alle angese­hen wird.