WERMSDORF (dpa) — Europa erlebt die schwers­te jemals erfass­te Vogel­grip­pe-Epide­mie. Das bleibt wohl nicht ohne Folgen für das Weihnachts­me­nü. Truthahn, Stopf­le­ber und Weihnachts­gans könnten in vermin­der­ter Zahl zu bekom­men sein.

An Weihnach­ten wird nach Befürch­tung von Geflü­gel­züch­tern wegen der kursie­ren­den Vogel­grip­pe so mancher auf die tradi­tio­nel­le Weihnachts­gans verzich­ten müssen. «Noch nie war die Gans so sehr in Gefahr wie jetzt», sagte Lorenz Eskild­sen, Vorsit­zen­der des Bundes­ver­ban­des Bäuer­li­cher Gänse­hal­tung, der Deutschen Presse-Agentur. In den vergan­ge­nen Monaten hätten Kolle­gin­nen und Kolle­gen in Deutsch­land, Polen und Ungarn wegen der Vogel­grip­pe erheb­li­che Teile ihrer Bestän­de verlo­ren. Dadurch sei nicht nur die Gänse­keu­le auf dem Teller der Deutschen, sondern auch die Existenz vieler Betrie­be in Gefahr.

Etwa 80 Prozent der Gänse kommen Eskild­sen zufol­ge jedes Jahr als Import­wa­re aus Polen und Ungarn nach Deutsch­land. Die übrigen 20 Prozent der Tiere wüchsen in Deutsch­land auf und würden dort geschlach­tet. Vom polni­schen Haupt­ve­te­ri­när­amt hieß es dazu, bislang sei die Vogel­grip­pe in diesem Jahr nur in zwei Gänse­zucht-Betrie­ben erfasst worden. Dies werde voraus­sicht­lich ohne Auswir­kun­gen auf den Markt bleiben. Aller­dings begin­ne die Schlacht­sai­son erst in drei Wochen.

Da mittler­wei­le viele Bestän­de im Zuge der Vogel­grip­pe-Welle starben oder vorsorg­lich getötet wurden, seien auch die Preise für Gänse deutlich gestie­gen, sagte Eskild­sen. Während Käufer im vergan­ge­nen Jahr demnach bei einer im Ausland aufge­zo­ge­nen und geschlach­te­ten Gans für ein Kilogramm etwa 4,50 Euro zahlten, müssten sie in diesem Jahr doppelt so viel zahlen. Bei einer deutschen Gans sei der Preis­sprung kleiner: «Letztes Jahr waren es 15,95 Euro pro Kilo, in diesem Jahr sind es drei Euro mehr», sagte Eskildsen.

In Großbri­tan­ni­en auch Truthäh­ne betroffen

Allein in seinem Betrieb im sächsi­schen Werms­dorf züchte und schlach­te er jährlich etwa 30.000 Tiere, die dann rund um den Heili­gen Abend auf dem Teller lande­ten, sagte der Verbands­vor­sit­zen­de auch. Bisher sei er glück­li­cher­wei­se noch nicht von der Vogel­grip­pe betroffen.

Nicht nur bei der Weihnachts­gans drohen Engpäs­se zu Weihnach­ten. In Großbri­tan­ni­en fürch­ten Geflü­gel­bau­ern um ihre beson­ders in der Weihnachts­zeit begehr­ten Truthäh­ne. Ein Ausbruch in einem Betrieb könne bedeu­ten, dass man bis zu zwölf Monate lang seine Produk­ti­on ausset­zen müsse, hieß es kürzlich von der Natio­nal Farmers Union. In diesem Jahr seien in Großbri­tan­ni­en bereits mehr als drei Millio­nen Vögel infol­ge von Ausbrü­chen gekeult worden.

In Frank­reich wieder­um zeich­net sich ein Engpass bei der Gänse­stopf­le­ber ab, einer dort überaus belieb­ten Weihnachts­de­li­ka­tes­se. Es werde mit einem um bis zu 40 Prozent gerin­ge­ren Angebot gerech­net, hieß es im Septem­ber vom Gänse­le­ber­ver­band. Außer­dem müssten Konsu­men­ten mit deutlich höheren Preisen rechnen. Für Stopf­le­ber wird Enten und Gänsen mit einem Metall­rohr Futter durch den Hals gepumpt — Tierschüt­zer protes­tie­ren deshalb seit Jahren gegen die Herstellung.

ECDC: Schwers­te jemals erfass­te Vogelgrippe-Epidemie

Europa erlebt der EU-Gesund­heits­be­hör­de ECDC zufol­ge die schwers­te jemals erfass­te Vogel­grip­pe-Epide­mie. Auch die geogra­fi­sche Ausdeh­nung sei einma­lig und erstre­cke sich von Spitz­ber­gen bis Portu­gal sowie bis in die Ukrai­ne, hatte die Behör­de Anfang des Monats mitgeteilt.

Seien die Ausbrü­che in frühe­ren Jahren bedingt durch den Vogel­zug vor allem saiso­nal gewesen, träten sie jetzt ganzjäh­rig auf, hatte Timm Harder, der Leiter des Natio­na­len Referenz­la­bors für Aviäre Influ­en­za am Fried­rich-Loeff­ler-Insti­tut (FLI), kürzlich erklärt. Zudem sei auch ganz Nordame­ri­ka betrof­fen. Man könne von einer echten Pande­mie bei Wildvö­geln sprechen. Allein für die Nordsee ist demnach davon auszu­ge­hen, dass in diesem Jahr Zehntau­sen­de Vögel dem Virus zum Opfer fielen.

Für Menschen ist das derzei­tig kursie­ren­de Virus Harder zufol­ge eher ungefähr­lich. Ihm seien nur zwei Infek­tio­nen bei Menschen bekannt: eine aus England und eine aus den USA, beide ohne ernst­haf­te Erkrankung.