Der Widerstand gegen die Corona-Einschränkungen treibt weiter viele Menschen auf die Straße. In Leipzig und Berlin sah sich die Polizei zum Eingreifen gezwungen, auch im Südwesten kommen die «Querdenker» zusammen. Zu selten werden deren Verstöße geahndet, sagt Uli Sckerl.
STUTTGART (dpa/lsw) — Bei Verstößen gegen die Corona-Regeln muss die Polizei nach Ansicht des Grünen-Politikers Uli Sckerl konsequenter gegen die «Querdenken»-Bewegung vorgehen und Demonstrationen auch auflösen. «Anfangs konnte man da noch Toleranz walten lassen», sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion der dpa. «Aber mittlerweile werden die Vorschriften zur Maskenpflicht und zur Abstandswahrung vorsätzlich unterlaufen.» Die Polizei bestrafe bei Kontrollen Hunderte von oft jungen Menschen mit Bußgeldern, weil sie keine Masken trügen. Bei den «Querdenkern» lasse sie Verstöße gegen Masken und Abstand dagegen massenweise durchgehen, sagte Sckerl.
Die Bewegung und auch ihre Führungspersonen um den Stuttgarter Unternehmer Michael Ballweg radikalisierten sich zunehmend, warnte Sckerl. «Das ist zuletzt in Berlin und Leipzig übergegangen in Gewalt.» Verantwortlich dafür seien nicht etwa nur Rechtsradikale, die sich den «Querdenkern» anschlössen. «Wir sehen auch eine neue Form der Radikalisierung, wir sehen einen radikaler werdenden Teil der Gesellschaft», sagte Sckerl.
Lauter, häufiger und konsequenter müsse den Kritikern der Corona-Auflagen widersprochen werden, forderte der Grünen-Politiker. Dies gelte vor allem bei Menschen, die gerade erst begännen, sich für die Bewegung zu interessieren. «Wenn sie erst einige Wochen mit dabei sind, sind sie für Argumente kaum noch zu erreichen», sagte Sckerl. Er beobachte eine «schnelle und fast sektenhafte Abkapselung» dieser Menschen.
Der Grünen-Politiker ist auch Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Landtag, das wegen der Gefahr einer Radikalisierung der «Querdenken»-Bewegung am 3. Dezember zu einer Sondersitzung zusammenkommt. Das Gremium hat ein Auge auf die Überwachungsmaßnahmen des Verfassungsschutzes.
Bereits am Mittwoch (14.00) will Innenminister Thomas Strobl (CDU) den Innenausschuss des Landtags über erste Erkenntnisse informieren. Auch er warnt vor dem zunehmenden Einfluss von Extremisten und Verfassungsfeinden in Reihen der «Querdenker». Die Bewegung speise sich aus Reichsbürgern, Selbstverwaltern, Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern, die die Demonstranten instrumentalisierten.
Hinter der Initiative «Querdenken 0711» steckt der Stuttgarter Unternehmer Ballweg. In den vergangenen Monaten sind er und Ableger der Bewegung in zahlreichen deutschen Städten gegen Beschränkungen in der Corona-Krise auf die Straße gegangen. Es gab auch Gegendemonstrationen.
Für Aufsehen sorgte vor allem eine Demonstration in Berlin Ende August und ein völlig aus dem Ruder gelaufener Protest in Leipzig vor Wochen. Mindestens 20 000 «Querdenker» hatten sich dabei in der Innenstadt versammelt und waren nach Auflösung der Kundgebung über den Leipziger Ring gezogen. Obwohl Aufzüge derzeit laut Corona-Schutzverordnung nicht erlaubt sind, ließ die Polizei die Menge gewähren. Am Ende tanzten Menschen in der Innenstadt — von Abstand und Masken war nichts mehr zu sehen.