Ziehen die Bundes­län­der schon vor Weihnach­ten die Notbrem­se, um die grassie­ren­de Corona-Pande­mie einzu­däm­men? Der Vorsit­zen­de der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz geht von einem harten Lockdown ab dem 4. Advent aus — Seeho­fer will das sogar noch früher.

«Die einzi­ge Chance, wieder Herr der Lage zu werden, ist ein Lockdown, der aber sofort erfol­gen muss», sagte der CSU-Politi­ker dem «Spiegel». Sollte man bis nach den Festta­gen warten, werde man noch Monate mit den hohen Infek­ti­ons­zah­len zu kämpfen haben. Seeho­fer zeigte sich verär­gert, dass Deutsch­land den Vorteil, den es sich im Frühjahr in der Pande­mie erkämpft habe, jetzt verspielt habe. Grund dafür sei nicht die Diszi­plin­lo­sig­keit der Bürger, sondern vor allem unzurei­chen­de Maßnah­men, fügte er an.

Auch Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder drängt auf einen bundes­wei­ten Lockdown noch vor Weihna­chen. «Wir müssen handeln und zwar so schnell wie möglich», sagte der CSU-Chef am Freitag bei einem Termin mit Gesund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) im künfti­gen Corona-Impfzen­trum in Nürnberg. Bund und Länder müssten nun überle­gen, die Ferien vorzu­zie­hen und auch Geschäf­te früher zu schlie­ßen. «Ein Tag weniger verschlech­tert nicht die Lebens­qua­li­tät, er kann aber helfen.»

Grünen-Chefin Annale­na Baerbock fordert bundes­weit einen deutlich härte­ren Lockdown mit geschlos­se­nen Geschäf­ten ab der kommen­den Woche. Schulen sollten ab Klasse 7 auf Fernun­ter­richt umstel­len, sagte Baerbock der Deutschen Presse-Agentur. «Wir sollten eine klare Weihnachts­pau­se einläu­ten, schon jetzt. Wir müssen die Dynamik des Infek­ti­ons­ge­sche­hens brechen», beton­te sie angesichts der Höchst­wer­te bei gemel­de­ten Neuin­fek­tio­nen und Todesfällen.

Berlins Regie­ren­der Bürger­meis­ter Micha­el Müller (SPD), der auch Vorsit­zen­der der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz ist, sagte, es zeich­ne sich ab, auch in den Gesprä­chen mit den Kolle­gen der Bundes­län­der, «dass ab 20. es doch erheb­li­che Einschnit­te gibt» und der Einzel­han­del «deutlich» herun­ter­ge­fah­ren werde. Die Schul­fe­ri­en hätten dann ohnehin begon­nen, viele Menschen gingen nicht mehr arbei­ten und im Nahver­kehr werde es ruhiger. «Zwischen dem 20. Dezem­ber und 10. Januar haben wir praktisch drei Wochen massi­ver Einschrän­kun­gen, die auch mit Sicher­heit auch dazu führen werden, dass die Inziden­zen runter­ge­hen», sagte Müller in der ZDF-Sendung «Markus Lanz».

Müller äußer­te die Erwar­tung, dass sich die Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz darauf verstän­di­gen wird, dass das öffent­li­che Leben in diesen drei Wochen weitest­ge­hend herun­ter­ge­fah­ren wird. Das zeich­ne sich auch ab. Auch jene, deren Länder niedri­ge Infek­ti­ons­zah­len aufwie­sen, sagten nun, man befin­de sich bundes­weit in einer Krisen­si­tua­ti­on, in der man solida­risch sein müsse. Die eindring­li­chen Appel­le von Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) seien hier sehr hilfreich gewesen.

Die Regie­rungs­chefs der Länder werden nach Angaben von Branden­burgs Minis­ter­prä­si­dent Dietmar Woidke (SPD) bis Sonntag gleich mehrmals über schär­fe­re Corona-Regeln beraten. Es gebe «heute Abend nochmal eine Runde der Minis­ter­prä­si­den­ten, am Sonntag die Runde mit der Bundes­re­gie­rung», sagte Woidke im priva­ten BB Radio.

Mehre­re Minis­ter­prä­si­den­ten hatten für eine gemein­sa­me Linie der Bundes­län­der gewor­ben. Schles­wig-Holsteins Minis­ter­prä­si­dent Daniel Günther (CDU) sagte am Donners­tag, er gehe davon aus, dass sich Bund und Länder am Sonntag beraten. Auch der «Spiegel» berich­te­te, dass sich die Länder mit Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) am Sonntag zusam­men­schal­ten wollen.

Einen ähnli­chen Zeitraum wie Müller nannte Nieder­sach­sens Regie­rungs­chef Stephan Weil (SPD). «Ich gehe davon aus, zwischen dem 19. Dezem­ber und dem 10. Januar werden wir ganz generell in Deutsch­land eine sehr, sehr ruhige Phase haben. Und das muss auch sein», sagte Weil in einem ZDF-«spezial». Am Donners­tag hatte sich auch Mecklen­burg-Vorpom­merns Minis­ter­prä­si­den­tin Manue­la Schwe­sig (SPD) dafür ausge­spro­chen, den Einzel­han­del — Lebens­mit­tel­lä­den ausge­nom­men — schon zum vierten Advent zu schließen.

Die rhein­land-pfälzi­sche Minis­ter­prä­si­den­tin Malu Dreyer (SPD) sagte in der ZDF-Sendung «Maybrit Illner»: «Ich glaube, wir müssen auch an Weihnach­ten, auf jeden Fall auch an Silves­ter wirklich auch streng sein». Bundes­fa­mi­li­en­mi­nis­tern Franzis­ka Giffey (SPD) empfahl den Bürgern in der «Rheini­schen Post» (Freitag), «sich nur im kleins­ten Kreis treffen und ansons­ten auf Verwandt­schafts­be­su­che über die Feier­ta­ge möglichst verzichten».

Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Peter Altmai­er zeigte sich in der dersel­ben Sendung besorgt über die aktuel­le Entwick­lung. «Das exponen­ti­el­le Wachs­tum setzt wieder ein. Und das bedeu­tet: Wir müssen dringend handeln». Der CDU-Politi­ker fügte an: «Wir müssen mehr handeln, als bisher geplant war». Altmai­er sagte zugleich mit Blick auf die Infek­ti­ons­zah­len, was er am Abend gehört habe, lasse für die Meldun­gen am Freitag­mor­gen «nichts Gutes erwar­ten». Am Donners­tag­mor­gen hatte das Robert Koch-Insti­tut mit 23 679 Corona-Infek­tio­nen den Höchst­wert binnen 24 Stunden gemeldet.

Der SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach mahnte zur Eile. «Einen harten Lockdown erst nach Weihnach­ten starten zu lassen, wäre zu wenig und zu spät. Wir brauchen bereits in der kommen­den Woche diesen bundes­wei­ten, möglichst harten Lockdown inklu­si­ve Schul­schlie­ßun­gen», sagte Lauter­bach der «Rheini­schen Post». Der Präsi­dent der Bundes­ärz­te­kam­mer, Klaus Reinhardt, mahnte im Inter­view des Redak­ti­ons­netz­werks Deutsch­land (RND): «Angesichts der aktuell sehr hohen Todes­zah­len und einer unver­än­dert hohen Belas­tung in den Klini­ken müssen wir die Kontak­te schnell und deutlich reduzieren.»

Sorgen um das Weihnachts­ge­schäft macht sich der Einzel­han­del. Der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Handels­ver­band Deutsch­land (HDE), Stefan Genth, forder­te in der «Welt» im Fall von Laden­schlie­ßun­gen Entschä­di­gun­gen «analog zur Gastro­no­mie in den Monaten Novem­ber und Dezem­ber». Ansons­ten komme es zu einem Flächen­brand in den Innen­städ­ten, warnte Genth.

Eine ganze Reihe von Bundes­län­dern hat bereits stren­ge Maßnah­men beschlos­sen. Die für den Zeitraum vom 23. Dezem­ber bis zum 1. Januar geplan­ten Locke­run­gen von Kontakt­be­schrän­kun­gen wurden in einigen Ländern bereits eng begrenzt.

Baden-Württem­berg will unter anderem zu Anfang nächs­ter Woche eine nächt­li­che Ausgangs­sper­re sowie tagsüber Ausgangs­be­schrän­kun­gen einfüh­ren, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Stutt­gart nach einem Gespräch der grün-schwar­zen Landes­re­gie­rung mit den kommu­na­len Spitzen­ver­bän­den am Donners­tag. Wer das Haus tagsüber verlässt, soll das nur noch mit einem trifti­gen Grund tun, etwa für die Arbeit.

In Sachsen, zurzeit bundes­weit das Land mit den höchs­ten Infek­ti­ons­zah­len, sollen Schulen, Kitas, Horte und viele Geschäf­te vom kommen­den Montag an geschlos­sen werden. Geplant sind auch nächt­li­che Ausgangs­sper­ren zwischen 22 und 6 Uhr. Das sieht die neue Corona-Schutz­ver­ord­nung vor, die das Kabinett heute beschlie­ßen will. Einkau­fen in Sachsen soll von nächs­ter Woche an nur inner­halb eines 15-Kilome­ter-Radius möglich sein. Ziel der Maßnah­me ist es, Einkaufs­tou­ris­mus in angren­zen­de Bundes­län­der zu verhindern.

Das Kabinett von Thürin­gen, das ebenfalls hohe Infek­ti­ons­zah­len aufweist, beschloss am Donners­tag­abend weite­re Maßnah­men für den Freistaat. So sollen Handels- und Dienst­leis­tungs­be­trie­be mit Ausnah­men von Lebens­mit­tel­lä­den und Geschäf­ten für den Grund­be­darf, «soweit die Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz keine zeitlich davor liegen­den Regelun­gen trifft», mit Ablauf des 18. Dezem­ber schließen.

Auch das saarlän­di­sche Kabinett tagt heute. Minis­ter­prä­si­dent Tobias Hans (CDU) sagte der «Rheini­schen Post», er befür­wor­te einen harten, mindes­tens zweiwö­chi­gen Lockdown. «Entschei­dend ist, dass sich alle Bundes­län­der gemein­sam mit dem Bund auf ein abgestimm­tes, einheit­li­ches und für die Menschen nachvoll­zieh­ba­res Vorge­hen einigen. Der Födera­lis­mus muss zeigen, dass er in der Bekämp­fung der Pande­mie handlungs­fä­hig ist», sagte Hans der Zeitung.

Für Berlin hatte der Regie­ren­de Bürger­meis­ter Müller am Donners­tag ebenfalls deutli­che Einschrän­kun­gen angekün­digt. Der Senat will sich am kommen­den Diens­tag damit befas­sen. Müller will sich dabei auch mit Branden­burg abstimmen.

Auch Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder setzt auf die Gemein­sam­keit der Länder. «Ich rate uns zu einem einheit­li­chen Vorge­hen und hoffe dabei auf die Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz», sagte der CSU-Chef dem Nachrich­ten­por­tal t‑online. In Bayern gelten schon seit Mittwoch stren­ge­re Regeln wie Ausgangs­be­schrän­kun­gen, Alkohol­ver­bot in Innen­städ­ten und Ausgangs­sper­ren in Hotspots. «Es braucht bundes­weit Ausgangs­be­schrän­kun­gen, nächt­li­che Ausgangs­sper­ren in Hotspots, Geschäfts­schlie­ßun­gen, Betriebs­fe­ri­en und überall verlän­ger­te Schul­fe­ri­en», sagte Söder am Donners­tag der Deutschen Presse-Agentur in München. Nur Läden für den alltäg­li­chen Bedarf wie Lebens­mit­teln sollen offenbleiben.