WÜRZBURG (dpa) — Sommer­zeit ist Party­zeit: Egal ob auf Mallor­ca oder im Bierzelt zu Hause — Deutsch­land feiert lautstark und grölt die neusten Party­hits mit. In Würzburg hört die Stadt seit gerau­mer Zeit genau­er hin und greift nun durch.

Einfa­che Texte für Jeder­mann, immer schön im Reim, dazu mächti­ge Beats und ganz viel gute Laune: Egal ob in den Kneipen auf den Urlaubs­in­seln oder zu Hause beim Feuer­wehr­fest: Deutsch­land feiert sich durch den Sommer.

Corona und Ukrai­ne-Krieg schei­nen zeitwei­se ganz weit weg. Ein Party­hit jagt den nächs­ten, im Festzelt zwischen Nord und Süd singen viele Besucher die oft eingän­gi­gen Texte lautstark mit.

DJ Robin & Schür­ze stehen mit ihrem Sommer­song «Layla» in der Gunst vieler Feiern­der ganz weit oben und derzeit auf Platz 1 der deutschen Single­charts. Doch der Stadt Würzburg, wo derzeit das rund zweiwö­chi­ge Volks­fest «Kilia­ni» läuft, stößt der Stimmungs­hit im Baller­mann-Style sauer auf. Er sei sexistisch.

Entschei­dung der Stadt

«Wir können entschei­den, was wir auf dem Volks­fest hören wollen», erklärt Stadt­spre­cher Chris­ti­an Weiß. «Wir möchten das nicht mehr hören.» Und so sei der Festzelt­be­trei­ber gebeten worden, den Song nicht mehr zu spielen. Zuvor hatte ein Medien­haus die Mainstadt auf den Text aufmerk­sam gemacht, öffent­li­che Kritik hatte es bis dato laut Weiß nicht gegeben.

Auch Bundes­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann (44) melde­te sich in der Sexis­mus­de­bat­te um den Party­song zu Wort. «Man muss Schla­ger­tex­te nicht mögen. Man kann sie sogar doof oder geschmack­los finden. Sie aber behörd­lich zu verbie­ten, finde ich, ist eins zu viel», schrieb der FDP-Politi­ker am Diens­tag­abend bei Twitter.

Zu rhyth­mus­be­ton­ter, elektro­ni­sche Musik heißt es in dem Lied unter anderem: «Ich hab’ ’nen Puff und meine Puffma­ma heißt Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler (…) Die schöne Layla, die geile Layla. Das Luder Layla, unsre Layla (…).»

Reakti­on der Musiker

DJ Robin kann die Aufre­gung nicht verste­hen, in dem Lied gebe es keinen Sexis­mus. «Früher haben die Leute ‘Skandal im Sperr­be­zirk’ gesun­gen oder ‘Wir fahren in den Puff nach Barce­lo­na’», zitiert ihn die «Bild»-Zeitung. «Also so ganz können wir die Diskus­si­on nicht verste­hen. Es kann jeder seine Meinung haben, aber in jedem Deutsch-Rap-Lied sind die Texte schlim­mer. Da regt sich kein Mensch auf.»

Sein Musik­kol­le­ge, Micha­el Müller alias Schür­ze, sagte der «Heilbron­ner Stimme»: «Heutzu­ta­ge wird schnell aus einer Erbse eine Ananas gemacht.» Es sehe, dass die Leute hinter ihnen stünden. Den Sexis­mus-Vorwurf wies er zurück. Aufnah­men in sozia­len Netzwer­ken zeigten, dass die Festzelt­be­su­cher in Würzburg das Lied selbst mehrmals anstimm­ten — auch ohne musika­li­sche Unterstützung.

Musik­fach­mann: «Natür­lich ist das Lied sexistisch»

Für Musik­fach­mann Micha­el Fischer von der Univer­si­tät Freiburg ist klar: «Natür­lich ist das Lied sexis­tisch.» In dem Song werde eine Frau namens Layla beschrie­ben und «in sexis­ti­scher Weise besun­gen, und das Video unter­stützt das natür­lich auch in seiner Bildspra­che», erklärt der Direk­tor des Zentrums für Populä­re Kultur und Musik der Deutschen Presse-Agentur.

«Es ist ein Party­schla­ger. Da haben in der Regel die Leute vorher fünf Bier getrun­ken.» Bei Party­hits gehe es nie um erheben­de Themen, meint Fischer. «Da geht es ganz oft um sexuel­le Inhal­te, Trinken, also das, was man bei manchen Partys macht.» Man müsse den Rahmen, das Setting beach­ten, «also wo werden diese Dinge aufgeführt».

Ist das Ironie?

Dass die Protago­nis­tin des Video­clips offen­sicht­lich ein Mann in High Heels, schwar­zem Minirock und mit blonder Perücke ist, ändere nichts am Charak­ter des Liedes. Dies sei jenseits von Ironie oder Trans­aspek­ten. «Das ist einfach ein sexis­ti­scher Song», so das Urteil des Experten.

Würzburg hatte im vergan­ge­nen Jahr beschlos­sen, grund­sätz­lich rassis­ti­sche und sexis­ti­sche Lieder nicht mehr auf städti­schen Volks­fes­ten zuzulas­sen. Dies gilt auch für das umstrit­te­ne «Donau­lied» — dessen Text sich um eine Verge­wal­ti­gung dreht.

Frauen­feind­lich, diskri­mi­nie­rend, gewalt­ver­herr­li­chend, jugend­ge­fähr­dend — manche Musiker ecken mit ihren Songs immer wieder an. Kriti­ker sprechen von geschmack­lo­ser Ausnut­zung der Kunst­frei­heit. Medien­wis­sen­schaft­ler geben aber zu beden­ken, Heran­wach­sen­de müssten sich selbst­stän­dig mit frauen­feind­li­chen oder antise­mi­ti­schen Inhal­ten reflek­tiert ausein­an­der­set­zen, Zusam­men­hän­ge verste­hen und eine eigene Haltung entwickeln.

«Lieder zu verbie­ten ist immer das aller­letz­te Mittel», sagt Fischer. Oft sei es vielmehr die Frage: «Was wollen wir als Gesell­schaft?» Ein Song möge recht­lich einwand­frei sein, aber «ich finde schon, dass der Träger einer Veran­stal­tung wie die Stadt Würzburg auch das Recht oder vielleicht schon die Pflicht hat zu sagen: Wir wollen das nicht», so der Musik­ex­per­te. «Das ist eine ethische Frage. Wir wollen nicht, dass so über Frauen gespro­chen wird.»

Von Angeli­ka Resen­hoeft, dpa