MÜNCHEN (dpa) — Drei Tage lang sprechen in München Politi­ker und Exper­ten aus fast 100 Ländern vor allem über ein Thema: Wie geht es weiter in der Ukrai­ne? Die westli­chen Verbün­de­ten sind weitge­hend unter sich.

Knapp ein Jahr nach dem russi­schen Angriff auf die Ukrai­ne wird es ab heute bei der Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz drei Tage lang darum gehen, wie dieser Krieg beendet werden kann. Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj eröff­net das Treffen von Regie­rungs­ver­tre­tern und Exper­ten aus fast 100 Ländern mit einer Video­an­spra­che (ab 13.30 Uhr). Anschlie­ßend reden mit Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) und dem franzö­si­schen Präsi­den­ten Emmanu­el Macron die beiden wichtigs­ten Verbün­de­ten der Ukrai­ne in der Europäi­schen Union.

Wer in München alles dabei ist

Insge­samt werden 40 Staats- und Regie­rungs­chefs und fast 100 Minis­ter beim weltweit wichtigs­ten Treffen von Politi­kern und Exper­ten zum Thema Sicher­heits­po­li­tik erwar­tet. Die von Vizeprä­si­den­tin Kamala Harris angeführ­te US-Delega­ti­on ist mit rund 60 Senato­ren und Mitglie­dern des Reprä­sen­tan­ten­hau­ses so groß wie noch nie. Der Chef selbst ist aber nicht dabei. US-Präsi­dent Joe Biden, der in anderen Funktio­nen in den letzten Jahrzehn­ten sehr häufig in München dabei war, kommt erst nächs­te Woche zu einem Polen-Besuch nach Europa.

Auch viele andere Nato-Staaten sind promi­nent vertre­ten. Der briti­sche Premier­mi­nis­ter Rishi Sunak kommt ebenso nach München wie Polens Staats- und Regie­rungs­spit­zen: Präsi­dent Andrzej Duda und Minis­ter­prä­si­dent Mateusz Morawiecki.

Die Sicher­heits­kon­fe­renz ist aber auch kein reines Klassen­tref­fen des Westens. Der Auftritt eines Gastes aus Fernost wird mit beson­ders großer Spannung erwar­tet: Der obers­te chine­si­sche Außen­po­li­ti­ker Wang Yi redet am Samstag in München.

Wer nicht dabei sein darf

Die russi­sche Führung ist zum ersten Mal seit den 1990er Jahren nicht einge­la­den. Außen­mi­nis­ter Sergej Lawrow zählte lange Zeit zu den Stamm­gäs­ten. Er war auch im letzten Jahr noch einge­la­den, als bereits 150.000 russi­sche Solda­ten im Grenz­ge­biet zur Ukrai­ne aufmar­schiert waren. Lawrow sagte dann aber selbst ab. Vier Tage nach der Konfe­renz begann die russi­sche Invasi­on in der Ukraine.

Diesmal ist Kreml­chef Wladi­mir Putins Regie­rung von vorne­her­ein ausge­schlos­sen. «Wir sind uns zu schade, diesen Kriegs­ver­bre­chern im Kreml mit der Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz eine Bühne für ihre Propa­gan­da zu bieten», lautet die Begrün­dung von Konfe­renz­lei­ter Chris­toph Heusgen — früher außen­po­li­ti­scher Berater von Kanzle­rin Angela Merkel (CDU).

Auch den Iran wollte Heusgen nicht dabei haben. «Einem Regime, das grund­le­gen­de Menschen­rech­te so funda­men­tal verletzt, wollen wir ebenfalls kein Forum bieten», sagt er. Von der Idee seiner Vorgän­ger, dass München auch in extrem schwie­ri­gen Zeiten ein Forum für Dialog bieten soll, weicht Heusgen damit ab — auch innen­po­li­tisch. Erstmals sind nicht alle im Bundes­tag vertre­te­nen Partei­en nach München einge­la­den. Die AfD muss draußen bleiben.

Was in Sachen Ukrai­ne zu erwar­ten ist

Sicher ist, dass der Westen der Ukrai­ne noch einmal demons­tra­tiv den Rücken stärken wird im Kampf gegen die russi­schen Angrei­fer. Es wird darum gehen, wie weite­re militä­ri­sche Unter­stüt­zung ausse­hen kann. Wer ist bereit, die Panzer-Allianz von Scholz zu unter­stüt­zen? Sollten auch Kampf­jets, Kriegs­schif­fe und U‑Boote gelie­fert werden? Gibt es rote Linien? Und wenn ja: welche?

Thema auch: Welche Chance hat derzeit die Diplo­ma­tie? Dazu gibt es bisher kaum Ideen. Die Ukrai­ne sieht den Rückzug der russi­schen Truppen als Voraus­set­zung für Verhand­lun­gen. Sie meint damit auch die von Russland schon 2014 verein­nahm­te Krim. Der Westen will nicht über die Köpfe der Ukrai­ner hinweg tätig werden. Damit ist der Spiel­raum begrenzt. Ideen wie die des brasi­lia­ni­schen Präsi­den­ten Lula, einen «Friedens­club» zur Vermitt­lung zu gründen, werden von den meisten nicht ernst genommen.

Was am Rande des offizi­el­len Programms ansteht

Die Sicher­heits­kon­fe­renz im Hotel «Bayeri­scher Hof» ist vor allem eine riesi­ge Kontakt­bör­se. Was auf den Gängen, in den Salons und Hinter­zim­mern der Luxus­her­ber­ge bespro­chen wird ist oft wichti­ger als das Gesche­hen auf offener Bühne.

Kanzler Scholz nutzt seinen Aufent­halt in München zum Beispiel für eine ganze Serie von Gesprä­chen am Rande der Konfe­renz. Mit Frank­reichs Präsi­dent Emmanu­el Macron und dem serbi­schen Präsi­den­ten Aleksand­ar Vucic will er über den Konflikt zwischen Serbi­en und dem Kosovo sprechen, mit Macron und dem polni­schen Präsi­den­ten Andrzej Duda das sogenann­te «Weima­rer Dreieck» wieder­be­le­ben — ein seit mehr als 30 Jahren bestehen­des Gesprächs­for­mat der drei Länder.

Außer­dem trifft sich Scholz heute mit US-Vizeprä­si­den­tin Harris und Wang Yi. Ob es zwischen dem chine­si­schen Polit­bü­ro­mit­glied und Harris oder auch US-Außen­mi­nis­ter Antony Blinken dann später noch zu einer Begeg­nung kommt, zählt zu den spannends­ten Fragen vor dieser Konfe­renz. Wegen des Abschus­ses eines chine­si­schen Ballons, der über US-Terri­to­ri­um entdeckt worden ist, gibt es massi­ve Spannun­gen zwischen China und den USA.

Was kein Thema wird

Die Bundes­re­gie­rung hatte mal ins Auge gefasst, eine neue Natio­na­le Sicher­heits­stra­te­gie in München vorzu­stel­len. Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock (Grüne) und Scholz konnten sich bisher aber nicht einigen. Das Thema fällt also flach. Und auch die Bemühun­gen um eine Auflö­sung der Blocka­de der Nato-Norderwei­te­rung um Finnland und Schwe­den muss woanders statt­fin­den: Die Türkei wird wegen des verhee­ren­den Erdbe­bens nicht mit Regie­rungs­pro­mi­nenz vertre­ten sein.