BERLIN (dpa) — Die Inzidenz sinkt, die Impfun­gen kommen voran: Für die nächs­ten Wochen zeich­net sich ein entspann­tes Corona-Gesche­hen in Deutsch­land ab. Sorgen berei­ten aber Varian­ten — mit Blick auf den Spätsommer.

Nach einem vorüber­ge­hen­den Anstieg in der ersten Wochen­hälf­te ist die Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Neuin­fek­tio­nen in Deutsch­land wieder gesunken.

Das Robert Koch-Insti­tut (RKI) gab die Zahl der Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner binnen sieben Tagen am Donners­tag mit bundes­weit 34,1 an — nach 36,8 am Mittwoch und 35,2 am Diens­tag. Das ist der niedrigs­te Wert seit Mitte Oktober vergan­ge­nen Jahres. Die Gesund­heits­äm­ter melde­ten dem RKI binnen eines Tages 4640 Neuin­fek­tio­nen. Das geht aus Zahlen vom Donners­tag­mor­gen hervor. Vor genau einer Woche hatte der Wert bei 6313 Anste­ckun­gen gelegen — die Inzidenz lag da bei 41.

Am Mittwoch wurden in Deutsch­land fast 1,2 Millio­nen Menschen geimpft. Nach RKI-Angaben vom Donners­tag sind bisher 44,6 Prozent der Menschen mindes­tens einmal und 19,6 Prozent vollstän­dig geimpft.

SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach erwar­tet für die kommen­de Zeit ein entspann­te­res Corona-Infek­ti­ons­ge­sche­hen. «Die Sieben-Tage-Inzidenz wird sich in den nächs­ten Tagen bei einem Wert von rund 35 einpen­deln», sagte er den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Donners­tag). Die Öffnungs­schrit­te führten zwar zu mehr Infek­tio­nen, gleich­zei­tig aber seien immer mehr Menschen durch Impfun­gen geschützt. Hinzu komme, dass sich vieles jetzt draußen abspie­le — das senke ebenfalls das Infektionsrisiko.

Jedoch könnte gegen Ende des Sommers eine neue Infek­ti­ons­wel­le drohen. «Die indische Mutan­te wird sich wahrschein­lich in den kommen­den Monaten in zahlrei­chen europäi­schen Ländern ausbrei­ten. Der Sommer­tou­ris­mus könnte sie schnell über den Konti­nent vertei­len», sagte er. Durch Reise­rück­keh­rer werde sich die Mutan­te spätes­tens im Herbst auch in Deutsch­land großflä­chig ausbrei­ten. Das Ausmaß sei noch unklar. Im Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND) beton­te Lauter­bach, dass sich im Herbst eine neue Virus-Varia­ti­on verbrei­ten könne. «Wir müssen uns auf Booster-Impfun­gen im Herbst vorbereiten.»

Bislang spielt die vor einigen Wochen als besorg­nis­er­re­gend einge­stuf­te Corona-Varian­te Delta (B.1.617.2) in Deutsch­land nach RKI-Daten eine unter­ge­ord­ne­te Rolle. Ihr Anteil an unter­such­ten Proben aus der Woche vom 17. bis 23. Mai betrug 2,1 Prozent. Das geht aus einem RKI-Bericht vom Mittwoch­abend hervor. In den Wochen zuvor hatte der Anteil leicht, aber bestän­dig zugenom­men, auf bis zu 2,4 Prozent. Die zuerst in Indien festge­stell­te Mutan­te hat damit den RKI-Daten zufol­ge in Deutsch­land den zweit­größ­ten Anteil.

Der größte Anteil entfällt auf die Varian­te Alpha (B.1.1.7). Sie kommt auf rund 93 Prozent. Diese in Großbri­tan­ni­en entdeck­te Varian­te breite­te sich seit Ende 2020 inter­na­tio­nal stark aus. Die weite­ren als besorg­nis­er­re­gend einge­stuf­ten Varian­ten Beta (B.1.351) und Gamma (P.1.) wurden in noch gerin­ge­rer Zahl gefun­den. Jedoch werden in Deutsch­land nicht alle positi­ven Proben auf Varian­ten untersucht.

Die besorg­nis­er­re­gen­den Corona-Varian­ten sind neuer­dings nach Buchsta­ben des griechi­schen Alpha­bets benannt. Die neutra­len Namen sollen verhin­dern, dass sie nach den Ländern der Entde­ckung benannt werden. «Das ist stigma­ti­sie­rend und diskri­mi­nie­rend», hatte die Weltge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) am Montag­abend mitgeteilt.

Gesund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) mahnte eine solida­ri­sche Vertei­lung von Impfstof­fen an. «Die Europäi­sche Union hilft gerade, die Welt zu impfen. 50 Prozent der in der Europäi­schen Union herge­stell­ten Impfstof­fe werden und wurden expor­tiert, weil wir sehr genau wissen: Wir sind erst sicher, wenn alle auf der Welt sicher sind», sagte er am Donners­tag in Oxford. Er werde beim Treffen mit seinen G7-Kolle­gen «einmal mehr dafür werben, dass nicht nur die Europäi­sche Union in die Welt expor­tiert». Großbri­tan­ni­en, das die G7-Ratsprä­si­dent­schaft innehat, und die USA haben bisher fast keine Impfstof­fe expor­tiert. Zur G7 gehören außer Deutsch­land, den USA und Großbri­tan­ni­en noch Japan, Kanada, Frank­reich und Italien.

Nach den jüngs­ten RKI-Zahlen zur Pande­mie wurden deutsch­land­weit binnen 24 Stunden 166 neue Todes­fäl­le verzeich­net. Vor einer Woche waren es 269 Tote. Das RKI zählte seit Beginn der Pande­mie 3 692 468 nachge­wie­se­ne Infek­tio­nen mit Sars-CoV‑2. Die tatsäch­li­che Gesamt­zahl dürfte aber deutlich höher liegen, da viele Infek­tio­nen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genese­nen gab das RKI mit 3.518.600 an. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Betei­li­gung einer nachge­wie­se­nen Infek­ti­on mit Sars-CoV‑2 gestor­ben sind, wird mit 88.940 angegeben.