STUTTGART (dpa/lsw) — Nach dem Ansturm auf die begehr­ten Impfter­mi­ne bricht die Nachfra­ge nun ein. Dem Gesund­heits­mi­nis­ter macht das mit Blick auf die Delta-Varian­te Sorgen. Wie wollen Land und Verbän­de Tempo in die Impfkam­pa­gne bringen?

Die lahmen­de Impfbe­reit­schaft und die Ausbrei­tung der Delta-Varian­te machen Gesund­heits­mi­nis­ter Manne Lucha (Grüne) Sorgen. «Gerade in der Gruppe der jungen Erwach­se­nen regis­trie­ren wir derzeit vermehrt Anste­ckun­gen und zugleich eine Zurück­hal­tung gegen­über den Impfun­gen», sagte der Minis­ter am Freitag anläss­lich eines digita­len Impfgip­fels in Stutt­gart. In den vergan­ge­nen drei Wochen sei die Zahl der Erstimp­fun­gen in den Impfzen­tren nach Minis­te­ri­ums­an­ga­ben um 70 Prozent einge­bro­chen. «Noch Mitte April haben wir auf dem ersten Impfgip­fel über den großen Mangel und eine gerech­te Vertei­lung des Impfstof­fes disku­tiert», sagte Lucha. «Nun haben wir eine komplett andere Situation.»

Wenn die Menschen nicht in die Impfzen­tren kommen, sollen die Sprit­zen nun zu den Menschen gebracht werden — so lässt sich das Ergeb­nis des Spitzen­tref­fens von unter anderem Vertre­tern von Kommu­nen, Ärzte‑, Indus­trie- und Handwerks­ver­bän­den zusam­men­fas­sen. «Wir machen den Weg zur Impfung überall im Land so einfach wie möglich», kündig­te Lucha an. «Ob eine Impfung im Fußball­sta­di­on, mobile Impfteams auf Markt- und Super­markt­plät­zen oder Impfun­gen ohne Termin in den Zentren – alle Initia­ti­ven sind willkom­men», erklär­te der Minis­ter. Infoteams mit Sprach­mitt­lern in Fußgän­ger­zo­nen und eine landes­wei­te Aktions­wo­che im Juli sollen die Impfquo­te im Südwes­ten weiter erhöhen.

Lucha drohte in diesem Zusam­men­hang auch erneut mehr Druck an: Eine Impfung sei zwar freiwil­lig, sagte er. Aber ungeimpf­te Erwach­se­ne müssten bei steigen­den Fallzah­len künftig mit einer erneu­ten Auswei­tung der Testpflicht rechnen.

Zuletzt hatte der Heidel­ber­ger Virolo­ge Hans-Georg Kräuss­lich der Landes­re­gie­rung geraten, mit Angebo­ten verstärkt in sozia­le Brenn­punk­te zu gehen. «Man kann sich schon vorstel­len, dass dort die Bereit­schaft weniger ausge­prägt ist und der Aufwand zu groß scheint. Auch die Obdach­lo­sen­hei­me werden nicht ganz so leicht erreicht», sagte der ärztli­che Direk­tor des Unikli­ni­kums Heidel­berg den «Badischen Neues­ten Nachrich­ten» (Freitag).

Lucha appel­lier­te an Ungeimpf­te, sich noch vor den Sommer­fe­ri­en die Sprit­ze setzen zu lassen. «Derzeit macht uns vor allem die Verbrei­tung der Delta-Varian­te Sorgen. Perspek­ti­visch werden auch in
Baden-Württem­berg die Fallzah­len und die Inzidenz weiter steigen.»

In Baden-Württem­berg gelten nach Angaben des Sozial­mi­nis­te­ri­ums 45 Prozent der Bevöl­ke­rung als vollstän­dig geimpft (Stand Freitag). 58 Prozent haben bisher eine Impfung erhal­ten. Aus Sicht des Robert Koch-Insti­tuts sollten im Kampf gegen die Delta-Varian­te mindes­tens 85 Prozent der 12- bis 59-Jähri­gen und 90 Prozent der Menschen ab 60 Jahren vollstän­dig geimpft sein.

Aller­dings werden laut Minis­te­ri­um derzeit in den Impfzen­tren weniger als 5000 Erstimp­fun­gen pro Tag verab­reicht. Ein Einbruch um 70 Prozent inner­halb von drei Wochen. Um die erwünsch­ten Quoten zu errei­chen, müssten pro Woche in Impfzen­tren, bei Betriebs­imp­fun­gen und durch die Ärzte im Schnitt 230 000 Menschen geimpft werden.