MONTREUX — Der italienische Musiker Zucchero ist einer der grössten Stars beim diesjährigen Montreux Jazz Festival. In einem akustischen Set bietet er ganz grosse Emotionen.
«Ihr habt uns gefehlt, deshalb sind wir hier.» Der 65-jährige italienische Sänger Zucchero sagt es, strahlt und umarmt symbolisch seine Zuschauer mit grosser Geste. Hut, buntes Jackett und Gitarre sind seine Markenzeichen, die Reibeisenstimme ist sanfter und leiser als einst in den grossen Stadien.
Bescheiden seine Begleitung: Kathleen Dyson aus Virginia, USA, und Doug Pettibone aus New Orleans, USA, spielen beide – ebenfalls Gitarre. Er habe sich «in diesem Abenteuer» entschlossen, 15 akustische Konzerte auf einer kleinen Tour zu geben, erklärt Zucchero.
Montreux profitiert davon, und die Fans feiern ihren Adelmo Fornaciari, wie er bürgerlich heisst, insgesamt an fünf Auftritten.
Der Italiener ist der grösste Star am heuer vergleichsweise kleinen Festival, dass sich die Montreux-Veranstalter coronabedingt immerhin noch 8 Millionen Franken (bislang jeweils rund 30 Millionen) kosten lassen, während andere Festivals frühzeitig die Segel strichen.
Statt 4000 und 2000 Fans in den beiden grossen Strawinski-Sälen dürfen diesmal an den 16 Festivaltagen nur jeweils 500 auf der Freilichtbühne über dem See und in einem altehrwürdigen Saal des Palace-Hotels je 200 Musikfans dabei sein. Alles Geimpfte oder frisch vor Ort negativ Getestete. Aber die toben lautstark wie die grossen Massen: Endlich wieder Konzerte! Emotionen schwappen da schnell über.
«Wir wollen ein kleines, intimes Setting – dafür mit grosser Nähe zu den Künstlern», erklärte Festival-Chef Mathieu Jaton im Vorfeld.
Das Motto heisst «Small is beautiful», und Improvisation ist im Jazz bekanntlich eine wichtige Ingredienz. Dass diese dann täglich vor allem beim Programm gefragt ist, stellt die Veranstalter auf die Nervenprobe: Absagen und Umorganisationen fanden zuhauf statt – Fans von Stars wie Rag ’n’ Bone Man, Arlo Parks oder der Toggenburger Musikerin Pryia Ragu wurden dabei leider vor den Kopf gestossen.
Nicht aber die Zucchero-Anhänger: Denn so intim hat man den als Bühnen-Berserker bekannten Sänger noch nie erlebt. Im ersten Teil seiner Show erlebt man seine sensible Seite mit unbekannteren Songs, die er unlängst auch auf einem von Don Was produzierten Akustikalbum «D. O. C.» eingespielt hat.
Aufregende Hits wie «Everybody’s gotta learn sometime» oder die beiden Tanzfeger «Baila» und «Diavolo in me». Zuccheros Liebe für den Rhythm and Blues drückt mit der US-Begleitung stets durch, und man fühlt sich wie in den legendären Jam-Nächten des Montreux-Stammgastes B. B. King (1925–2015), der jeweils spielend in der Bühnenmitte sass und eine Schar Gitarristen dirigierte. Bei Zucchero musiziert zwar nur ein Trio, dafür aber an elf kostbaren Gitarren, darunter Dobros und Steel-Guitar sowie eine Unzahl Akustikklampfen.
Ebenfalls ein Highlight des Festivals war das Konzert von Robben Ford mit Bill Evans am Saxofon. Die beiden Ex-Miles-Davis Musiker brachten eine furiose Hommage an ihren früheren Mentor auf die Bühne im Montreux Palace Hotel.
Bilder Oliver Hofmann