MÜNCHEN (dpa) — Zweiein­halb Wochen vor der Bundes­tags­wahl steuern CDU und CSU auf ein histo­ri­sches Debakel zu. Reicht die Zeit noch, um die Stimmung auf dem anste­hen­den CSU-Partei­tag und im zweiten TV-Triell zu drehen?

Der im histo­ri­schen Umfra­ge­tief stecken­den Union läuft nach Ansicht von CSU-Chef Markus Söder die Zeit für einen Stimmungs­um­schwung vor der Bundes­tags­wahl davon.

«Wenn es noch eine Chance gibt, den Trend zu brechen, dann an diesem Wochen­en­de», sagte Söder der Deutschen Presse-Agentur in München. Die CSU wolle mit ihrem Partei­tag am Freitag und Samstag in Nürnberg «ein Stück» die Trend­wen­de einlei­ten. Ohne es direkt anzuspre­chen, dürfte Söder auch das am Sonntag bei ARD und ZDF anste­hen­de, zweite Triell der Spitzen­kan­di­da­ten von Union, SPD und Grünen zum Wochen­en­de der Entschei­dung hinzuzählen.

Zu dem Partei­tag wird am Samstag auch Unions­kanz­ler­kan­di­dat Armin Laschet (CDU) in Nürnberg erwar­tet. Für Söder ist klar, dass die Union nur gemein­sam die Wahl gewin­nen kann: «Es kommt jetzt nicht auf Stilno­ten an. Wir müssen uns alle unter­ha­ken. Es geht bei der Wahl um das Schick­sal von Millio­nen Menschen in Deutschland.»

Erneut beton­te Söder, er befürch­te, dass sich in Deutsch­land mit einer Links­ko­ali­ti­on unter Führung der SPD die Lage für den Mittel­stand, für Famili­en und Ehepaa­re verschlech­te­re. Es drohten höhere Schul­den und weniger Sicherheit.

Söder setzt auf sozia­le Themen

Doch trotz der schlech­ten Umfra­gen — die Union lag bundes­weit zuletzt zwischen 19 und 25 Prozent, die CSU in Bayern auch nur noch bei 28 Prozent — sieht Söder noch die Chance zum Wahlsieg und dabei insbe­son­de­re sozia­le Themen im Vorder­grund: «Wir als Union müssen klarma­chen, dass wir für die kleinen Leute da sind, für die kleinen Betrie­be, die Selbst­stän­di­gen, die Handwerks­meis­ter, aber auch für die, die in den Großstäd­ten beispiels­wei­se Proble­me mit den Mieten, den Pflege­kos­ten oder der Rente haben. Wir brauchen eine Offen­si­ve für deutlich mehr Wohngeld in den hoch belas­te­ten Regio­nen, um Wohnen neben der Mietpreis­brem­se noch erschwing­lich zu machen.» Die SPD spreche von sozia­ler Gerech­tig­keit, die Wahrheit sei aber, sie habe außer dem Mindest­lohn kein ernst­haf­tes sozia­les Konzept.

Zudem müsse die Union deutlich machen, «was realis­tisch droht», sollten CDU und CSU nicht die nächs­te Bundes­re­gie­rung führen. Dazu passend soll auf dem Partei­tag ein Leitan­trag beschlos­sen werden, in dem sich die CSU bemüht, verun­si­cher­te Stamm­wäh­ler zurückzugewinnen.

«Im Sommer hätte ich ein Links­bünd­nis für unwahr­schein­lich gehal­ten, aber jetzt ist klar: Rot, Grün und Links­par­tei wollen mitein­an­der», sagte Söder. Das bedeu­te höhere Steuern, mehr Schul­den und eine geschwäch­te Bundes­wehr. «Nachdem Olaf Scholz gesagt hat, er will auf jeden Fall ohne die Union regie­ren, heißt es auch, dass eine große Koali­ti­on für die SPD nicht wieder in Frage kommt.» Es blieben dann nur zwei Möglich­kei­ten: eine Ampel oder eine Links­re­gie­rung. «Beides ist links und darauf muss man hinweisen.»

Söder-Wieder­wahl als Nebensache

Angesichts der drama­ti­schen Lage der Union wird der eigent­li­che Anlass des Partei­tags, die Wieder­wahl von Söder als Partei­chef, fast zur Neben­sa­che. 2019 war Söder nach einem langen Macht­kampf mit seinem Vorgän­ger Horst Seeho­fer erstmals an die CSU-Spitze gewählt worden. Damals stimm­ten 87,4 Prozent der Delegier­ten für ihn.

Sorgen vor einem schlech­ten Ergeb­nis bei seiner Wieder­wahl hat Söder trotz der schlech­ten Ausgangs­la­ge keine. «Wir wollen ein Signal der Entschlos­sen­heit und Geschlos­sen­heit setzen. Denn wir haben Bayern gut durch die Corona-Krise gebracht und wir versu­chen, bei der großen Heraus­for­de­rung des Klima­schut­zes einen ehrgei­zi­gen Weg zu gehen, der Klima­neu­tra­li­tät und Wohlstand verbin­det und mehr Klima­schutz vorsieht», sagte er. Natür­lich bedeu­te das eine Verän­de­rung. «Wer sich aber nicht erneu­ert, der wird erneu­ert vom Wähler.»

Aus seiner Gefühls­la­ge macht Söder keinen Hehl: «Wir leben in ernsten Zeiten — und deswe­gen sind auch die Gefüh­le ernst.» Die Corona-Krise sei noch nicht endgül­tig besiegt, es begin­ne eine Klima­kri­se und die inter­na­tio­na­le Sicher­heit sei eher insta­bil. «Vor diesem Hinter­grund findet ein Wahlkampf statt, in dem für die Union eine große Heraus­for­de­rung ansteht.»

Bereits vor Monaten hatte Söder erklärt, im Falle einer Wahlnie­der­la­ge stünde die Union vor einem grund­le­gen­den Erneue­rungs­pro­zess. Was das für die CDU konkret bedeu­ten könnte, will Söder nicht sagen. Für die CSU gelte aber, dass sie sich ja bereits in einem Erneue­rungs­pro­zess befin­de. «Das ist ein noch nicht abgeschlos­se­ner Prozess.»

Von Marco Hadem, dpa