BERLIN (dpa) — Das histo­ri­sche Datum steht diesmal unter beson­de­ren Vorzei­chen: Zum Jahres­tag des Kriegs­en­des herrscht Krieg in der Ukrai­ne. Deutsch­land signa­li­siert ihr weite­re Unter­stüt­zung. Folgen bald weite­re Besuche?

Beim deutschen Geden­ken an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa vor 77 Jahren rückt die Solida­ri­tät mit der Ukrai­ne in den Mittel­punkt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) verur­teil­te Russlands Angriffs­krieg gegen das Land erneut scharf.

Er will an diesem Sonntag eine Fernseh­an­spra­che zum Jahres­tag des 8. Mai 1945 halten. Im Rahmen der deutschen Präsi­dent­schaft schal­ten sich zudem die Staats- und Regie­rungs­chefs der G7-Länder zu einer Konfe­renz zusam­men, an der auch der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj teilneh­men soll. Bundes­tags­prä­si­den­tin Bärbel Bas wird zu einem Besuch in Kiew erwar­tet. Mögli­che Reise­plä­ne von Scholz blieben vorerst offen.

Der Kanzler sagte am Samstag in einer Video­bot­schaft zum Partei­tag der hessi­schen SPD in Marburg, der vom russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin begon­ne­ne Krieg gegen die Ukrai­ne sei brutal und durch nichts zu recht­fer­ti­gen. «Putin, beende diesen Krieg. Die Waffen müssen schwei­gen, ziehe deine Truppen zurück.»

Lindner: Besucht braucht Vorbereitung

Nach wochen­lan­gen Diskus­sio­nen um Besuche deutscher Spitzen­po­li­ti­ker reist Bas auf Einla­dung von Parla­ments­prä­si­dent Ruslan Stefant­schuk nach Kiew. Sie könnte dort mögli­cher­wei­se auch Selen­skyj treffen. Der ukrai­ni­sche Präsi­dent hatte am Freitag wieder­um Scholz für diesen Montag einge­la­den — am 9. Mai feiert Russland den sowje­ti­schen Sieg über das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Deutsch­land im Zweiten Weltkrieg. Scholz könne einen «sehr starken politi­schen Schritt» unter­neh­men und am 9. Mai in die ukrai­ni­sche Haupt­stadt kommen, sagte Selen­skyj bei einer Veran­stal­tung der Londo­ner Denkfa­brik Chatham House.

Ob und wann Scholz reisen könnte, blieb unklar. Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner (FDP) sagte der Deutschen Presse-Agentur am Rande einer Wahlkampf­ver­an­stal­tung in Kiel, er habe größten Respekt vor einer solch sponta­nen Einla­dung. Ein derar­ti­ger Besuch benöti­ge aber Vorbe­rei­tung. Er vermu­te, dass die Sicher­heits­be­hör­den das so kurzfris­tig nicht reali­sie­ren könnten. Zur Frage, ob Scholz generell in die Ukrai­ne reisen sollte, sagte Lindner: «Das entschei­det der Bundes­kanz­ler selbst. Ich weiß, dass er seine Entschei­dun­gen immer in unter­schied­li­cher Hinsicht sorgsam abwägt.»

Scholz hat schon Termine

Die Bundes­re­gie­rung verwies auf Anfra­ge weiter­hin auf schon bekann­te Termi­ne des Kanzlers, andere kurzfris­ti­ge Termi­ne habe man vorerst nicht mitzu­tei­len. Am Montag wird der franzö­si­sche Präsi­dent Emmanu­el Macron zum Antritts­be­such nach seiner Wieder­wahl in Berlin erwartet.

Aus Kreisen des franzö­si­schen Präsi­den­ten­pa­las­tes hieß es am Freitag, Staats­chef Macron werde dann nach Kiew reisen, wenn dies nützlich sei. Dass er mit Kanzler Scholz, mögli­cher­wei­se im Anschluss an das Treffen der beiden, dorthin fahre, sei nicht geplant. «Zum jetzi­gen Zeitpunkt ist dies überhaupt nicht vorge­se­hen.» Sobald eine Reise in Vorbe­rei­tung sei, wolle der Élysé­e­pa­last darüber informieren.

Zwischen Kiew und Berlin hatte es wochen­lang Verstim­mun­gen gegeben, weil ein Besuch von Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er in der Ukrai­ne nicht erwünscht war. Scholz hatte die Ausla­dung als Hinder­nis für eine eigene Reise bezeich­net. Stein­mei­er und Selen­skyj räumten die Irrita­tio­nen in einem Telefo­nat aus. Scholz kündig­te danach an, dass Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock (Grüne) bald reisen werde.

«Beson­de­rer 8. Mai»

Die Fernseh­an­spra­che des Kanzlers soll am Sonntag­abend ausge­strahlt werden. Die Bundes­re­gie­rung hatte dazu vorab erklärt, es sei «ein sehr beson­de­rer 8. Mai in diesem Jahr». Dass zwei Länder, die im Zweiten Weltkrieg Opfer deutscher Aggres­si­on gewor­den seien, jetzt mitein­an­der im Krieg stünden, sei «ein sehr bedrü­cken­der Umstand». Scholz hatte sich bereits kurz nach Beginn des Ukrai­ne-Kriegs am 24. Febru­ar mit einer Anspra­che an die Bevöl­ke­rung gewandt.

Bei der Video­kon­fe­renz der sieben führen­den demokra­ti­schen Wirtschafts­mäch­te (G7) am späten Sonntag­nach­mit­tag soll es laut Bundes­re­gie­rung insbe­son­de­re um die Lage in der Ukrai­ne gehen. Angesichts des histo­ri­schen Datums des 8. Mai sei der Zusam­men­halt der G7 so wichtig wie nie zuvor. Der G7-Gruppe gehören Deutsch­land, Kanada, Frank­reich, Itali­en, Japan, die USA und Großbri­tan­ni­en an.

Am 8. Mai wird an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa durch die bedin­gungs­lo­se Kapitu­la­ti­on der deutschen Wehrmacht erinnert. Der Tag markiert damit auch die Befrei­ung Europas vom Natio­nal­so­zia­lis­mus. Im pazifi­schen Raum ging der Krieg noch weiter. Dort endete er erst mit der Kapitu­la­ti­on Japans am 2. Septem­ber 1945.