BERLIN (dpa) — Die Bundes­an­walt­schaft wertet es als Landes­ver­rat: Ein Mitar­bei­ter des BND soll Russland gehei­me Infor­ma­tio­nen gegeben haben. Die Nachricht schreckt das vorweih­nacht­li­che Berlin auf.

Deutsche Politi­ker sind nach der Festnah­me eines Mitar­bei­ters des Bundes­nach­rich­ten­diens­tes (BND) im Zusam­men­hang mit Russland in großer Sorge. Die Bundes­an­walt­schaft wirft dem Mann Landes­ver­rat vor: Er wird verdäch­tigt, gehei­me Infor­ma­tio­nen an Moskau weiter­ge­ge­ben zu haben.

Der Fall zeigt aus Sicht des CDU-Vertei­di­gungs­exper­ten Henning Otte, «dass Russlands hybri­de Kriegs­füh­rung eine sehr aktuel­le Bedro­hung auch für Deutsch­land ist, Spiona­ge ist zentra­le Waffe in dieser militä­ri­schen Strate­gie». Otte sagte den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Samstag): «Putin und die russi­schen Geheim­diens­te schre­cken nicht vor Gewalt­ta­ten in Deutsch­land zurück.» Die vertei­di­gungs­po­li­ti­sche Spreche­rin der FDP im Bundes­tag, Marie-Agnes Strack-Zimmer­mann, sagte im Bayeri­schen Rundfunk: «Das ist ein Weckruf an alle, dass Russland keine Ausnah­me macht, auch bei uns zu spionie­ren, um unser System, die Bundes­re­pu­blik, zu destabilisieren.»

Dass es in Deutsch­land russi­sche Spiona­ge gebe, sei zugleich «bekannt und auch wenig verwun­der­lich», sagte der Linken-Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te André Hahn der «Rheini­schen Post» (Samstag). Aber: «Wenn nun selbst in den Reihen des Bundes­nach­rich­ten­diens­tes ein Mitar­bei­ter für Russland spioniert haben soll, dann wäre das eine völlig neue und erschre­cken­de Quali­tät.» Das Parla­men­ta­ri­sche Kontroll­gre­mi­um werde sich spätes­tens im neuen Jahr mit dem Vorgang befassen.

Was sagt die Bundesanwaltschaft?

Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grüne) nannte den Fall auf Anfra­ge von RTL/ntv «beson­ders bedenk­lich», gerade weil es um den BND gehe. FDP-Bundes­vi­ze Wolfgang Kubicki sieht eine Gefahr für die Zusam­men­ar­beit mit auslän­di­schen Nachrich­ten­diens­ten: «Es wäre zwar nicht der erste enttarn­te russi­sche Spion in Europa in diesem Jahr, aber wenn wirklich Infor­ma­tio­nen aus dem BND nach Russland gelan­gen konnten, wird das die Zusam­men­ar­beit mit unseren Partnern enorm erschwe­ren», sagte Kubicki dem «Handels­blatt».

Die Bundes­an­walt­schaft hatte den beschul­dig­ten BND-Mitar­bei­ter am Mittwoch in Berlin festneh­men lassen. Der Deutsche soll Infor­ma­tio­nen, die er im Zuge seiner Arbeit erlangt hat, an einen russi­schen Nachrich­ten­dienst übermit­telt haben. Bei dem Inhalt hande­le es sich um ein Staats­ge­heim­nis im Sinne des Straf­ge­setz­buchs, teilte die Karls­ru­her Behör­de mit. Der Mann kam in Untersuchungshaft.

SPD-Außen­po­li­ti­ker Nils Schmid forder­te ein entschlos­se­nes Vorge­hen gegen Russland. Moskau sehe sich seit Jahren in einem Konflikt mit dem Westen und meine, dass alle Mittel zuläs­sig seien wie etwa die Ermor­dung von Opposi­tio­nel­len auf deutschem Boden oder eben auch Spiona­ge, sagte er am Freitag im Deutsch­land­funk. «Und da müssen wir sehr wachsam und entschie­den vorge­hen.» Der hybri­den Kriegs­füh­rung Russlands müsse man «sehr viel aufmerk­sa­mer» entgegenwirken.

Die von Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) angespro­che­ne Zeiten­wen­de bedeu­te auch, dass die militä­ri­sche Kompo­nen­te der inter­na­tio­na­len Bezie­hun­gen deutlich an Gewicht gewin­ne, erklär­te Schmid. Nachdem man 30 Jahre lang auf Dialog mit Russland gesetzt habe, sei nun ein Politik­wech­sel hin zur Abschre­ckung gefragt.

Landes­ver­rat kann nach dem Straf­ge­setz­buch in beson­ders schwe­ren Fällen wie diesem mit einer Freiheits­stra­fe von mindes­tens fünf Jahren oder auch einer lebens­lan­gen Freiheits­stra­fe geahn­det werden. Ein solcher Fall liegt zum Beispiel dann vor, wenn der Täter eine verant­wort­li­che Stellung missbraucht hat, die ihn zur Wahrung von Staats­ge­heim­nis­sen beson­ders verpflichtet.

Wegen laufen­der Ermitt­lun­gen keine weite­ren Details

Mit Rücksicht auf die laufen­den Ermitt­lun­gen will sich der BND zu Einzel­hei­ten des Falles bis auf weite­res nicht öffent­lich äußern. «Zurück­hal­tung und Diskre­ti­on sind in diesem beson­de­ren Fall sehr wichtig», hatte Präsi­dent Bruno Kahl am Donners­tag in Berlin betont.

Mit Russland habe man es auf der Gegen­sei­te mit einem Akteur zu tun, «mit dessen Skrupel­lo­sig­keit und Gewalt­be­reit­schaft wir zu rechnen haben», ergänz­te er. Hinter­grund für diese Äußerun­gen könnte die Sorge vor mögli­chen Gefah­ren für Kontakt­per­so­nen und Zuträ­ger des deutschen Geheim­diens­tes in Russland sein, die durch den mutmaß­li­chen Spion in den Reihen des BND verra­ten worden sein könnten.