Die Corona­vi­rus-Infek­tio­nen haben zuletzt wieder deutlich zugelegt. Die briti­sche Mutati­on verbrei­tet sich rasch in Deutsch­land. Gesund­heits­mi­nis­ter Spahn mahnt eindring­lich zu Vorsicht und Abstand.

BERLIN (dpa) — Angesichts schnell steigen­der Corona­vi­rus-Infek­ti­ons­zah­len plädiert Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn für einen erneu­ten Lockdown.

«Wenn wir die Zahlen nehmen, auch die Entwick­lun­gen heute, brauchen wir eigent­lich noch mal 10, 14 Tage mindes­tens richti­ges Runter­fah­ren unserer Kontak­te, unserer Mobili­tät», sagte der CDU-Politi­ker bei einer Online-Diskus­si­ons­ver­an­stal­tung der Bundes­re­gie­rung, bei der Bürge­rin­nen und Bürger Fragen stellen konnten. Er appel­lier­te an die Bürge­rin­nen und Bürger, «im Zweifel auch mehr als die staat­li­chen Regeln» umzusetzen.

Das Robert Koch-Insti­tut (RKI) melde­te am Samstag­mor­gen eine Sieben-Tage-Inzidenz von 124,9. Damit ist der Wert so hoch wie seit dem 19. Januar (131,5) nicht mehr. Am Freitag hatte das RKI die Inzidenz noch mit 119,1 angege­ben, vor zwei Wochen lag sie bei 76,1.

Wenn es gelin­ge, die dritte Welle zu brechen, dann gebe es danach auch die Aussicht auf Öffnungs­schrit­te in Regio­nen mit niedri­gen Infek­ti­ons­zah­len, sagte Spahn. Mehr Tests und Impfun­gen sollen auch helfen. Im April und Mai solle es mehr Impfun­gen geben als im gesam­ten ersten Quartal. Er rechne damit, dass Ende April/Anfang Mail in 80.000 bis 100.000 Arztpra­xen Corona­vi­rus-Impfun­gen verab­reicht werden.

Auch Chris­ti­an Karagi­ann­idis, Präsi­dent der Inten­siv­me­di­zi­ner-Gesell­schaft DGIIN, forder­te angesichts der stark steigen­den Infek­ti­ons­zah­len einen harten zweiwö­chi­gen Lockdown und sofor­ti­gen Stopp aller geplan­ten Öffnungs­schrit­te. «Die Beschlüs­se für Modell­pro­jek­te nach Ostern sind völlig unpas­send und müssen von Bund und Ländern sofort zurück­ge­nom­men werden», sagte Karagi­ann­idis, der auch wissen­schaft­li­cher Leiter des Divi-Inten­siv­re­gis­ters ist, der «Rheini­schen Post».

Trotz der seit länge­rem steigen­den Zahlen hatten Bund und Länder auf der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz zu Beginn der Woche beschlos­sen, dass die Länder in «ausge­wähl­ten Regio­nen» in «zeitlich befris­te­ten Modell­pro­jek­ten» einzel­ne Berei­che des öffent­li­chen Lebens testwei­se öffnen dürfen, «mit stren­gen Schutz­maß­nah­men und einem Testkon­zept». Mehre­re Länder haben angekün­digt, gleich mehre­re Modell­re­gio­nen entspre­chend zu öffnen. Das Saarland will nach Ostern sogar das ganze Land öffnen — bisher auch ohne eine Befristung.

SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach forder­te angesichts stark steigen­der Neuin­fek­ti­ons­zah­len zeitnah erneu­te Corona-Beratun­gen. «Wir müssen rasch nochmal neu verhan­deln», sagte Lauter­bach dem «Tages­spie­gel». «Ohne einen schar­fen Lockdown wird es nicht gehen», beton­te er und vertei­dig­te seine Forde­rung nach bundes­wei­ten Ausgangs­sper­ren. «Ausgangs­be­schrän­kun­gen ab 20 Uhr für zwei Wochen würden wirken — wir haben es in Frank­reich, Großbri­tan­ni­en und Portu­gal gesehen.»

Aus Sicht der Linken-Co-Vorsit­zen­den Janine Wissler muss die Arbeits­welt stärker in die Anti-Corona-Maßnah­men einbe­zo­gen werden. «Im Moment ist es so, dass die Betriebs­be­schrän­kun­gen am Betriebs­tor enden, aber die Corona-Infek­tio­nen enden nicht am Betriebs­tor», sagte Wissler im «Inter­view der Woche» des Deutsch­land­funks. «Wir haben viele Menschen in diesem Land, die ganz normal zur Arbeit gehen, die jeden Tag in Großraum­bü­ros fahren, in Call-Zentren, in Ferti­gungs­hal­len. Und dort finden Infek­tio­nen statt.» Busse und Bahnen seien voll.

«Ich finde, wenn die Zahlen weiter so in die Höhe gehen, dann muss man auch darüber reden, dass nicht dringend notwen­di­ge Produk­ti­on ein paar Tage still­ge­legt werden muss, um einfach die Infek­ti­ons­ket­ten zu brechen», sagte Wissler. Wenn man die Zahlen nicht runter bekom­me und in eine Dauer­schlei­fe gerate, dann sei das auch wirtschaft­lich kurzfris­tig gedacht.

Inzwi­schen sprechen sich auch wieder mehr Menschen für eine Verschär­fung als eine Locke­rung der Maßnah­men aus, wie das ZDF-Polit­ba­ro­me­ter ergab. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) will sie verschär­fen, knapp ein Drittel (31 Prozent) beibe­hal­ten und ein Viertel (26 Prozent) lockern.