BERLIN (dpa) — Biontech oder Moder­na — in den kommen­den Wochen sollen die Impfstof­fe beider Herstel­ler massiv in Deutsch­land zum Einsatz kommen. Regie­rung und Wissen­schaft­ler versu­chen, mögli­che Zweifel zu zerstreuen.

Den Menschen in Deutsch­land steht nach Einschät­zung von Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) genug Corona-Impfstoff für alle Auffrisch‑, Erst- und Zweit­imp­fun­gen in diesem Jahr zur Verfügung.

Dabei wirke der Moder­na-Impfstoff genau­so gut und habe genau­so wenig Neben­wir­kun­gen wie der von Biontech/Pfizer, beton­te Spahn im Schul­ter­schluss mit Wissen­schaft­lern am Montag in Berlin. «Moder­na ist ein guter, siche­rer und sehr wirksa­mer Impfstoff», sagte der geschäfts­füh­ren­de Minis­ter. Ein Großteil der Booster-Impfun­gen werde aber mit dem von vielen Bürge­rin­nen und Bürgern bevor­zug­ten Impfstoff von Biontech vorge­nom­men werden können.

Das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um hatte in einem Schrei­ben an die Länder für die nächs­ten Wochen Begren­zun­gen bei Bestell­men­gen für den Biontech-Impfstoff angekün­digt. Dafür soll das Präpa­rat von Moder­na bei den Auffri­schungs­imp­fun­gen vermehrt zum Einsatz kommen. Zur Begrün­dung wurde auch darauf verwie­sen, dass andern­falls einge­la­ger­te Moder­na-Dosen zu verfal­len drohten. Aktuell mache der Impfstoff von Biontech über 90 Prozent der Bestel­lun­gen aus.

Spahn: «Biontech-Lager leert sich»

Spahn sagte nun: «Das ist zwar ein wichti­ger Aspekt, aber es ist nicht der entschei­den­de.» Entschei­dend sei, dass sich das Biontech-Lager derzeit rasch leere. Wie aus einer aktuel­len Tabel­le aus Spahns Minis­te­ri­um hervor­geht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sind drei Millio­nen Biontech-Dosen ausge­lie­fert, aber noch nicht verimpft. Spahn sagte, wegen vieler Nachbe­stel­lun­gen der vergan­ge­nen Tage fließe ungewöhn­lich viel Impfstoff ab. So will der Bund laut der Tabel­le in der laufen­den Woche 5,9 Millio­nen Biontech-Dosen ausliefern.

In den kommen­den Wochen bis zum Jahres­en­de sollen es jeweils zwei bis vier Millio­nen Dosen sein. Spahn sagte: «Wir halten nichts zurück.» Unterm Strich soll es bis Jahres­en­de also 24,3 Millio­nen Dosen Biontech/Pfizer geben. Dazu kommen demnach unbegrenz­te Moder­na-Liefe­run­gen je nach Bedarf, wobei 1,2 Millio­nen Dosen bereits gelie­fert wurden oder in der laufen­den Woche werden, der Bund 16,5 Millio­nen Dosen auf Lager hat und 8,4 Millio­nen erwartet.

Von den beiden Impfstof­fen stünden also bis zu 50 Millio­nen Dosen bis Ende Dezem­ber bereit, so Spahn. «Das ist genug für alle anste­hen­den Impfun­gen.» Auszu­ge­hen sei von 25 bis 30 Millio­nen Auffrisch­imp­fun­gen in diesem Jahr. Spahn bedau­er­te, dass sich Praxen und Impfstel­len umstel­len müssten, wenn nun teils das Moder­na-Vakzin statt das von Biontech/Pfizer zum Einsatz komme. Dies bringe «zusätz­li­chen Aufwand und auch Stress». Abläu­fe müssten umgestellt werden, zusätz­li­che Überzeu­gungs­ar­beit sei zu leisten.

PEI-Präsi­dent: «Sitzen im Schlaraffenland»

Der Präsi­dent des für Impfstof­fe zustän­di­gen Paul-Ehrlich-Insti­tuts, Klaus Cichutek, sagte: «Wir sitzen hier in Deutsch­land im Schla­raf­fen­land.» So seien die Impfstof­fe von Moder­na und Biontech/Pfizer hinsicht­lich ihrer hohen Wirksam­keit und extrem selte­ner Wahrschein­lich­keit von Neben­wir­kun­gen gleich­wer­tig. «In dieser Situa­ti­on halte ich die Diskus­si­on für unange­mes­sen», so Cichutek über die Debat­te über die einzel­nen Impfstoffe.

Die Vakzi­ne könnten ohne Proble­me kombi­niert werden, sagte der Leiter der Forschungs­grup­pe für Infek­ti­ons­im­mu­no­lo­gie der Berli­ner Chari­té, Leif Erik Sander. Es sei egal, ob man die Dritt­imp­fung mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer oder Moder­na vorneh­me. «Sie können das nehmen, was gerade da ist.»

Trotz­dem bald mehr Biontech/Pfizer?

Spahn sagte, die Regie­rung bemühe sich um eine Vergrö­ße­rung der Mengen von Biontech/Pfizer. Entspre­chend sagte Biontech-Spreche­rin Jasmi­na Alato­vic der Deutschen Presse-Agentur in Mainz: «Wir prüfen aktuell, ob und wenn ja, wie viele Dosen wir kurzfris­tig und zusätz­lich zu den vertrag­lich verein­bar­ten liefern könnten.»

Die Wissen­schaft­ler und der Minis­ter beton­ten erneut, dass sich alle impfen lassen sollten. «Wahrschein­lich wird am Ende dieses Winters so ziemlich jeder in Deutsch­land (…) geimpft, genesen oder gestor­ben sein», sagte Spahn. Immuni­tät werde immer erreicht — entwe­der durch Infek­ti­on oder Impfung. «Wir empfeh­len die Impfung.»

Vakzin-Abgabe an Covax

Spahn vertei­dig­te, dass über die Initia­ti­ve Covax unter anderem Biontech-Dosen auch an Dritt­staa­ten gingen. Für Covax seien in diesem Jahr 31 Millio­nen Astra­ze­ne­ca-Dosen gedacht, 27 Millio­nen Dosen von Johnson & Johnson und 10 Millio­nen Biontech/P­fi­zer-Dosen. Angesichts des großen Bedarfs in Deutsch­land seien für Dezem­ber geplan­te Biontech/P­fi­zer-Liefe­run­gen für Covax gestoppt worden.

CSU-Chef Markus Söder warf Spahn indes­sen eine «desas­trö­se Kommu­ni­ka­ti­on» vor. «Was ich schade finde und sehr unglück­lich, ist die Kommu­ni­ka­ti­on des Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ters», sagte Söder nach einer Sitzung des CSU-Vorstands in München.

Es sei gut und wichtig, Impfstoff auch an andere Teile der Welt zu geben. Jedoch sei es in der gegen­wär­ti­gen Situa­ti­on in Deutsch­land auch sinnvoll, Impfstoff im Inland bereit­zu­hal­ten. Söder machte deutlich, dass er den Impfstoff von Moder­na für gleich gut mit dem von Biontech/Pfizer halte. Jedoch sei die Wahl des Wortes «Ratio­nie­rung» im Zusam­men­hang mit Impfstoff nicht zielfüh­rend gewesen, wenn es um die Schaf­fung von Sicher­heit unter den Bürgern gehe.

Unter­des­sen rücken die mögli­chen Impfun­gen für Kinder näher. Laut Spahn sollen im Dezem­ber 2,4 Millio­nen Dosen des Biontech/P­fi­zer-Impfstoffs für Kinder ab fünf Jahren zur Verfü­gung stehen. Die Zulas­sung durch die europäi­sche Arznei­mit­tel­be­hör­de EMA werde wahrschein­lich Ende dieser Woche erfol­gen. Die gesam­te Europäi­sche Union erhal­te die erste Liefe­rung am 20. Dezember.