BERLIN (dpa) — Das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um deckelt die Biontech-Bestell­men­gen und erntet harsche Kritik. Minis­ter Spahn sieht keine Alter­na­ti­ve — räumt aber ein, dass die Kommu­ni­ka­ti­on nicht optimal lief.

Der geschäfts­füh­ren­de Gesund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn hat die heftig kriti­sier­ten Bestell­ober­gren­zen für Corona-Impfstoff von Biontech erneut verteidigt.

«Ich kann’s deswe­gen nicht zurück­zie­hen, weil es einfach ’ne Frage der verfüg­ba­ren Menge ist», sagte der CDU-Politi­ker am Sonntag­abend in der ZDF-Sendung «Berlin direkt». «Wir halten da nichts zurück. Ich kann ja keinen Impfstoff auslie­fern von Biontech, der nicht da ist.»

Die Nachfra­ge sei wahnsin­nig gestie­gen in den vergan­ge­nen zwei Wochen, «wir werden allein ab morgen sechs Millio­nen Biontech-Dosen auslie­fern», erläu­ter­te Spahn. Durch diese massi­ve Nachfra­ge laufe «unser Biontech-Lager gerade leer». «Und es ist einfach so, dass ich im Moment (…) — also ab übernächs­ter Woche, wenn jetzt die große Liefe­rung war — nicht mehr als zwei bis drei Millio­nen Impfdo­sen Biontech zur Verfü­gung habe.» Er räumte ein: «Das hätten wir klarer noch kommu­ni­zie­ren müssen.»

Es gebe aber mit dem Impfstoff von Moder­na eine gute, genau­so wirksa­me Alter­na­ti­ve. «Also, die entschei­den­de Botschaft ist: Impfstoff ist genug da», unter­strich Spahn.

Das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um hatte in einem Schrei­ben an die Länder für die nächs­ten Wochen Begren­zun­gen bei Bestell­men­gen für den Biontech-Impfstoff angekün­digt. Dafür soll das Präpa­rat von Moder­na bei den Auffri­schungs­imp­fun­gen vermehrt zum Einsatz kommen. Zur Begrün­dung wurde auch darauf verwie­sen, dass andern­falls ab Mitte des 1. Quartals 2022 einge­la­ger­te Moder­na-Dosen zu verfal­len drohten. Aktuell mache der Impfstoff von Biontech über 90 Prozent der Bestel­lun­gen aus.

Praxen sollen demnach vorerst maximal 30 Dosen Biontech pro Woche bestel­len können, Impfzen­tren und mobile Impfteams 1020 Dosen. Für Bestel­lun­gen von Moder­na soll es keine Höchst­gren­zen geben. Bis Jahres­en­de gebe es mit insge­samt rund 24 Millio­nen Dosen von Biontech und 26 Millio­nen von Moder­na genug Impfstoff für alle. Bundes­län­der und Ärzte­ver­tre­ter kriti­sier­ten die Ankün­di­gung scharf. Die Booster-Impfun­gen nehmen inzwi­schen Fahrt auf, es gibt Sorgen, dass die Biontech-Decke­lung das ausbrem­sen könnte.

Auch bei der Gesund­heits­mi­nis­ter­kon­fe­renz der Länder (GMK) soll am Montag über die Bestell­gren­zen gespro­chen werden, wie der bayeri­sche Ressort­chef und GMK-Vorsit­zen­de Klaus Holet­schek (CSU) angekün­digt hat. Spahn will sich am Vormit­tag bei einer kurzfris­tig angekün­dig­ten Presse­kon­fe­renz in Berlin zum Impfen mit Moder­na und Biontech äußern. Mit dabei sind zwei Impfstoff-Exper­ten: der Leiter der Forschungs­grup­pe für Infek­ti­ons­im­mu­no­lo­gie und Impfstoff-Forschung der Berli­ner Chari­té, Leif Erik Sander, und der Präsi­dent des Paul-Ehrlich-Insti­tuts, Klaus Cichutek.

Die Kritik an der Ankün­di­gung riss unter­des­sen nicht ab. Nach Ansicht der gesund­heits­po­li­ti­schen Spreche­rin der FDP-Frakti­on, Chris­ti­ne Aschen­berg Dugnus, hat Spahn «sich und der Impfkam­pa­gne mit seiner Ankün­di­gung keinen Gefal­len getan». «Wir brauchen keine neue Diskus­si­on über Impfstof­fe, sondern müssen möglichst viel impfen», sagte sie der «Welt» (Montag). «Die Ärztin­nen und Ärzte haben durch das angerich­te­te Chaos jetzt zusätz­li­che Aufklä­rungs­ar­beit, die besser beim Impfen einge­setzt wäre.»

Der saarlän­di­sche Minis­ter­prä­si­dent Tobias Hans (CDU) sprach am Sonntag­abend in der ARD-Sendung «Anne Will» von einem «ganz falschen Signal». Es sei ein riesi­ges Problem, «wenn wir im Moment alle Kräfte bündeln, um zu impfen», dass dann der in Deutsch­land belieb­tes­te Impfstoff begrenzt sei in seiner Verfüg­bar­keit. Seine Erwar­tungs­hal­tung an die Bundes­re­gie­rung sei, «dass wir jetzt alles daran setzen, genügend von dem Pfizer/­Bi­ontech-Impfstoff zur Verfü­gung zu haben».

Berlins Gesund­heits­staats­se­kre­tär Martin Matz (SPD) schil­der­te in der «Abend­schau» des RBB, dass er auch Proble­me für die Impfzen­tren der Haupt­stadt erwar­te: «Wir würden dann nicht mal die Zweit­imp­fun­gen nach erfolg­ten Erstimp­fun­gen in der vollen Anzahl durch­füh­ren können. Da kann man auch nicht wechseln. Nach einer ersten Biontech-Impfung müssen wir natür­lich auch eine zweite Biontech-Impfung anbieten.»

Ärzte­ver­tre­ter hatten auf viele prakti­sche Proble­me hinge­wie­sen, die die Entschei­dung mit sich bringen könnte. Befürch­tet wird, dass Menschen, die schon Auffri­schungs­imp­fun­gen mit Biontech verein­bart haben, zögern könnten, wenn ihnen Moder­na angebo­ten wird, und dass in den Praxen durch viele Nachfra­gen und Umbuchun­gen deutli­che Mehrar­beit entsteht. Moder­na wird außer­dem nur für Menschen ab 30 und nicht für Schwan­ge­re empfohlen.

Der General­se­kre­tär der Deutschen Gesell­schaft für Immuno­lo­gie, Carsten Watzl, beton­te, die Impfstof­fe von Moder­na und Biontech seien nahezu «baugleich». «Daher ist es für die meisten Perso­nen unpro­ble­ma­tisch, wenn sie statt Biontech jetzt Moder­na bekom­men, und zwar egal ob Erstimp­fung oder Booster», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Unions­frak­ti­ons­vi­ze Thors­ten Frei (CDU) sagte der «Welt», es gehe jetzt darum, «alles dafür zu tun, dass sowohl die Erst- und Zweit­imp­fun­gen als auch die Auffri­schungs­imp­fun­gen zulegen». Dafür stünden bis Jahres­en­de insge­samt 50 Millio­nen Impfdo­sen zur Verfü­gung. «Wir sollten jetzt alle Diskus­sio­nen unter­las­sen, die die Impfbe­reit­schaft abbrem­sen könnten.»