HANNOVER (dpa) — Der Altkanz­ler, einst das Gesicht der SPD, ist längst bei vielen Genos­sen in Ungna­de gefal­len. Weil er sich trotz des Ukrai­ne-Krieg nicht klar von Russland distan­ziert, drohen ihm Konsequenzen.

Der SPD-Unter­be­zirk Region Hanno­ver verhan­delt heute zum ersten Mal über einen mögli­chen Partei­aus­schluss von Altkanz­ler Gerhard Schrö­der. Aus der Partei waren 17 entspre­chen­de Anträ­ge einge­gan­gen, die die forma­len Krite­ri­en erfül­len, wie der Geschäfts­füh­rer des SPD-Bezirks Hanno­ver, Chris­toph Matter­ne, mitteil­te. Eine Entschei­dung der Schieds­kom­mis­si­on wird am Donners­tag aller­dings noch nicht erwar­tet, ein Partei­aus­schluss wird inner­halb der SPD zudem aus juris­ti­schen Gründen als unwahr­schein­lich eingeschätzt.

Die Verhand­lung im Kurt-Schuma­cher-Haus findet partei­öf­fent­lich statt und dürfte mehre­re Stunden dauern. Schrö­der selbst will Berich­ten zufol­ge nicht persön­lich erscheinen.

Enger Freund des Kremlchefs

Der frühe­re Bundes­kanz­ler (1998 bis 2005) steht seit Jahren wegen seines Engage­ments für russi­sche Staats­kon­zer­ne in der Kritik und gilt als enger Freund von Russlands Präsi­dent Wladi­mir Putin. Vor dem Hinter­grund des Ukrai­ne-Kriegs nahm der Druck auf ihn deswe­gen immer weiter zu. Im Mai kündig­te Schrö­der schließ­lich an, den Aufsichts­rat des russi­schen Energie­rie­sen Rosneft zu verlas­sen. Außer­dem schlug er eine Nominie­rung für einen Aufsichts­rats­pos­ten bei Gazprom aus.

Seinen Draht zu Putin wolle Schrö­der jedoch trotz des russi­schen Angriffs­kriegs weiter aufrecht­erhal­ten, hatte die «Frank­fur­ter Allge­mei­ne Zeitung» vor wenigen Tagen berich­tet. «Ich werde meine Gesprächs­mög­lich­kei­ten mit Präsi­dent Putin nicht aufge­ben», sagte der Altkanz­ler demnach. Dem Bericht zufol­ge erklär­te Schrö­der, er glaube nicht an eine militä­ri­sche Lösung in der Ukrai­ne, und fragte, warum man sich auf die Liefe­rung von Waffen konzen­trie­re. «Der Krieg ist nur durch diplo­ma­ti­sche Verhand­lun­gen zu beenden», wurde er zitiert.

Schieds­kom­mis­si­on ist zuständig

Nieder­sach­sens Minis­ter­prä­si­dent Stephan Weil (SPD) gehen Schrö­ders Äußerun­gen über den Ukrai­ne-Krieg nicht weit genug. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Gerhard Schrö­der hat sich leider bis heute nicht mit der notwen­di­gen Klarheit gegen den bruta­len, durch nichts gerecht­fer­tig­ten Angriffs­krieg Russlands gegen die Ukrai­ne ausge­spro­chen. Das bedaue­re ich persön­lich sehr.»

Mit Blick auf die Anträ­ge zum Partei­aus­schluss Schrö­ders erklär­te Weil, es gehöre sich, die Angele­gen­heit in einem regulä­ren Verfah­ren zu behan­deln: «Dafür gibt es in der SPD eine Schieds­kom­mis­si­on, die nach rechts­staat­li­chen Grund­sät­zen handelt.»

Die Schieds­kom­mis­si­on des SPD-Unter­be­zirks Region Hanno­ver ist für das Partei­ord­nungs­ver­fah­ren zustän­dig, weil Schrö­der Mitglied des dazu gehören­den SPD-Ortsver­eins Oststadt-Zoo ist. Nach dem Unter­be­zirk sind bis zu zwei weite­re Instan­zen möglich: der SPD-Bezirk Hanno­ver sowie die SPD-Bundesschiedskommission.