HAMBURG (dpa) — Die Zahl der Privat­in­sol­ven­zen steigt im ersten Quartal deutlich. Exper­ten führen dies vor allem auf eine Geset­zes­än­de­rung zurück. Im Laufe des Jahres dürfte aber auch die Corona-Krise durchschlagen.

Ein Jahr nach Beginn der Corona-Pande­mie ist die Zahl der Privat­plei­ten bundes­weit sprung­haft gestie­gen. Nach Angaben der Wirtschafts­aus­kunf­tei Crifbür­gel gab es im ersten Quartal des laufen­den Jahres 31.821 Privatinsolvenzen.

Das waren 56,5 Prozent mehr als im Vorjah­res­zeit­raum. Nach zehn Jahren sinken­der Zahlen erwar­tet Crifbür­gel im Gesamt­jahr 2021 in etwa eine Verdop­pe­lung der Privat­plei­ten auf bis zu 110.000 Fälle. Im vergan­ge­nen Jahr gab es demnach 56.324 priva­te Insol­ven­zen in Deutschland.

Antrag­stel­ler warte­ten auf Bundestag

Den Anstieg zu Jahres­be­ginn führte Crifbür­gel-Geschäfts­füh­rer Frank Schlein vor allem darauf zurück, dass viele Betrof­fe­ne eine Geset­zes­re­form abgewar­tet hätten. Verbrau­cher können inzwi­schen einfa­cher nach drei statt wie bisher nach sechs Jahren von ihren Restschul­den befreit werden. Die Verkür­zung gilt rückwir­kend auch für Insol­venz­ver­fah­ren, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. «Da diese Reform ein großer Vorteil ist, haben viele Antrags­stel­ler auf den entspre­chen­den Beschluss des Bundes­ta­ges gewar­tet», erläu­ter­te Schlein.

Die unmit­tel­bar von der Corona-Pande­mie verur­sach­te Insol­venz­wel­le wird nach Einschät­zung der Wirtschafts­aus­kunf­tei wohl ab dem zweiten Halbjahr 2021 einset­zen und bis in das Jahr 2022 hinein­rei­chen. Die wirtschaft­li­chen Folgen der Pande­mie seien nicht nur für Beschäf­tig­te im Niedrig­lohn­be­reich existenz­be­dro­hend, sondern auch im mittle­ren Einkom­mens­be­reich zum Beispiel durch Kurzar­beit deutlich spürbar. Auf Dauer führe weniger Einkom­men erst in die Überschul­dung und dann in die Privat­in­sol­venz. Verbrau­cher haben vor allem Schul­den bei Kredit­in­sti­tu­ten, Versand­händ­lern, Versi­che­run­gen, Behör­den, Vermie­tern, Energie­ver­sor­gern und Telefongesellschaften.

Alle Bundes­län­der verzeich­nen Zuwachs

Steigen­de Zahlen wurden Crifbür­gel zufol­ge im ersten Quartal in allen Bundes­län­dern festge­stellt. Den stärks­ten Zuwachs verzeich­ne­te Mecklen­burg-Vorpom­mern (plus 86,7 Prozent) gefolgt von Nordrhein-Westfa­len (plus 81,1 Prozent), Hamburg (plus 77,5 Prozent) und Thürin­gen (plus 75,3 Prozent). Einen nur gerin­gen Anstieg von 0,3 Prozent melde­te Sachsen-Anhalt.

Im Bundes­schnitt gab es den Angaben zufol­ge 38 Privat­plei­ten je 100.000 Einwoh­ner. Angeführt wurde diese Statis­tik von Bremen mit 76 Privat­in­sol­ven­zen je 100.000 Einwoh­nern, gefolgt von Hamburg mit 57 Fällen. Über dem Schnitt rangier­ten auch Nieder­sach­sen (52), Schles­wig-Holstein und das Saarland (je 49), Mecklen­burg-Vorpom­mern (47) sowie Nordrhein-Westfa­len (45). Am wenigs­ten Privat­in­sol­ven­zen je 100.000 Einwoh­ner wurden den Angaben zufol­ge in Bayern (26), Hessen (29) und Thürin­gen (30) gemeldet.