HANNOVER (dpa) — Hunde haben einen außer­ge­wöhn­li­chen Geruchs­sinn — und können sogar Corona-Infek­tio­nen erschnüf­feln. Das muss man doch nutzen können, und ein Forschungs­pro­jekt in Hanno­ver will tatsäch­lich Corona-Spürhun­de bei Konzer­ten einsetzen.

Cordu­la ist aufge­regt und neugie­rig, die Berner Sennen­hün­din schnüf­felt eifrig und wedelt mit dem Schwanz. Ob sie ahnt, wie wichtig ihre Aufga­be ist? Sie ist eine Corona-Spürhündin.

Cordu­la müsse mit Stress umgehen können und außer­dem mit Futter und Spiel­zeug motivier­bar sein, erklärt der Spreng­stoff-Hunde­füh­rer Daniel Jannett am Donners­tag. Das ist die einsti­ge Famili­en­hün­din und das ist gut: Denn auf der Suche nach Infek­tio­nen sei die Proben­men­ge deutlich größer als bei der Suche nach Spreng­stoff. Erstmals in Deutsch­land sollen Corona-Spürhun­de im Praxis­ein­satz für ein Forschungs­pro­jekt in Hanno­ver dabei helfen, eine Konzert­rei­he siche­rer zu machen.

Ziel sei, «Gefähr­dungs­po­ten­zia­le herun­ter­zu­damp­fen» — und zu klären, ob der Einsatz der Hunde eine Option sei, sagt Nieder­sach­sens Wissen­schafts­mi­nis­ter Björn Thümler. «Es gibt weltweit Inter­es­se an dem Projekt», betont der CDU-Politi­ker. Holger Volk, Leiter der Klinik für Klein­tie­re an der Tierärzt­li­chen Hochschu­le Hanno­ver, spricht von weltweit 26 Studi­en, die alle ergeben hätten, dass Hunde Corona-Infek­tio­nen erschnüf­feln könnten — auch bei Menschen ohne Sympto­me. Zwar gebe das Virus keinen Geruch ab, verän­de­re aber den Stoff­wech­sel befal­le­ner mensch­li­cher Zellen. Das könne der Hund riechen.

Im Praxis­test soll sich zeigen, wie gut das funktio­niert. Die viertei­li­ge Konzert­rei­he startet am Sonntag mit Fury in the Slaugh­ter­house auf der Gilde-Parkbüh­ne in Hanno­ver — gesichert von Corona-Spürhun­den. Die Reihe wird fortge­setzt mit Bosse (27. Septem­ber), Alle Farben (2. Oktober) und Sido (9. Oktober) — und ist Teil des Projekts «Back to Cultu­re» von Tierärzt­li­cher Hochschu­le, Hanno­ver Concerts und ProEvent Hanno­ver, das vom Minis­te­ri­um mit 1,3 Millio­nen Euro geför­dert wird. Die Studie könne einen «Licht­blick für Künst­le­rin­nen und Künst­ler bedeu­ten», betont Thümler.

Jeder Besucher muss beim Einlass Schweiß­pro­ben abgeben, indem er oder sie mit einem Watte­pad über die Armbeu­ge streicht — dort gibt es am wenigs­ten Fremd­ge­ruch, wie Volk sagt. Beim ersten Konzert mit 500 Besuchern sollten fünf bis sechs Hunde im Einsatz sein. Bei den folgen­den Konzer­ten steigen die Besucher­zah­len nach und nach auf bis zu 1500 — und immer mehr Corona-Regeln entfal­len. Beim letzten Konzert müssen nicht einmal mehr Masken getra­gen werden.

Dabei sein dürfen jedoch in jedem Fall nur Menschen, die sich am gleichen Tag in einem Schnell­test­zen­trum in Hanno­ver haben testen lassen: Dort werden zwei Abstri­che für Antigen-Schnell­tests und PCR-Tests sowie ebenfalls eine Schweiß­pro­be für die Hunde entnom­men. Anschlie­ßend werden Tests und Ergeb­nis­se von Geruchs­pro­ben verglichen.

Dabei gilt: Die Hunde laufen nicht durch die Menschen­men­ge, sondern bekom­men die Proben abseits davon präsen­tiert, wie der Leiter der Klinik für Klein­tie­re erklärt. Andern­falls bestehe die Gefahr, dass die Menschen mit den Hunden «positiv inter­agie­ren», also kuscheln, wollten. Teils bekämen die Hunde Sammel­pro­ben über eine Proben­ma­schi­ne, aus deren Löchern Gerüche strömen, teils liefen sie an einer Reihe von Proben entlang. «Das ist für die ein Spiel», sagt Volk.

Bereits im Sommer 2020 hatte ein Forscher­team unter Leitung der Tierärzt­li­chen Hochschu­le eine Studie veröf­fent­licht, für die acht Spürhun­de der Bundes­wehr auf das Erken­nen von Corona-Infek­tio­nen trainiert worden waren. Schon nach achttä­gi­gem Training konnten die Hunde von 1012 Speichel- oder Atemwegs­se­kret-Proben 94 Prozent korrekt identi­fi­zie­ren. Eine Folge­stu­die ergab, dass auch Schweiß und Urin geeig­ne­tes Proben­ma­te­ri­al sind. Es sei die erste Studie überhaupt gewesen, erklärt Volk. Etwa in Helsin­ki und Dubai kommen Corona-Spürhun­de aber schon am Flugha­fen zum Einsatz. Bis Mitte Oktober sollten die Tests abgeschlos­sen sein, sagt Thümler.

Lassen sich Hunde auch bei Großver­an­stal­tun­gen mit 50.000 Menschen und mehr einset­zen? Das sei eine Heraus­for­de­rung, sagt der Präsi­dent der Tierärzt­li­chen Hochschu­le, Gerhard Greif. Er glaube aber nicht, dass Corona-Spürhun­de die Lösung etwa bei Fußball­spie­len seien.

Von Thomas Strün­keln­berg, dpa