KYOTO (dpa) — Der Ukrai­ne-Krieg nimmt weltweit Arbeits­kraft und Geld in Anspruch — Ressour­cen, die nun im Kampf gegen den Klima­wan­del fehlen. In Japan erinnert der Bundes­prä­si­dent deshalb an den «Geist von Kyoto».

Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er hat zum entschie­de­nen Kampf gegen den Klima­wan­del aufge­ru­fen — ungeach­tet des viele Ressour­cen binden­den Krieges in der Ukrai­ne. Es dürfe nicht passie­ren, dass dieser den Kampf gegen den Klima­wan­del entschei­dend verlang­sa­me, sagte er am Donners­tag im japani­schen Kyoto. Zugleich bezwei­fel­te er, dass umstrit­te­ne Aktio­nen von Klima­de­mons­tran­ten, die sich zum Beispiel auf Straßen festkle­ben, in diesem Kampf nützlich sein können.

Bei einem Besuch in der alten japani­schen Kaiser­stadt erinner­te Stein­mei­er an das dort vor einem Viertel­jahr­hun­dert unter­zeich­ne­te Proto­koll zur Treib­haus­gas-Reduzie­rung. «Der Geist von Kyoto muss weiter­le­ben», sagte er in einer Rede in der renom­mier­ten Doshi­sha Univer­si­tät. «Wir dürfen trotz aller Krisen nicht dahin­ter zurück­fal­len, im Gegen­teil: Wir müssen noch darüber hinaus.»

Stein­mei­er äußer­te die Hoffnung, dass die kommen­de Klima­kon­fe­renz in Scharm el Scheich den Ehrgeiz aufbrin­gen werde, die Verab­re­dun­gen der vorhe­ri­gen Konfe­ren­zen von Paris und Glasgow zur Begren­zung der Erder­wär­mung konse­quent umzuset­zen. Die Mensch­heit habe es in der Hand. «Lassen wir uns nicht lähmen von Angst — gehen wir jetzt die Schrit­te hin zum notwen­di­gen Umbau unserer Gesell­schaf­ten», sagte Stein­mei­er. «Nicht in Schock­star­re, nicht mit wüten­dem Protest werden wir Erfolg haben. Sondern im mühsa­men Abarbei­ten der Aufga­ben, die jetzt vor uns liegen.»

Kritik an Protesten

Stein­mei­er spiel­te damit auf die Protest­ak­tio­nen des Bündnis­ses «Letzte Genera­ti­on» an, deren Aktivis­ten sich seit Monaten auf Straßen festkle­ben. Zuletzt beschmier­ten sie Partei­zen­tra­len in Berlin und warfen Kartof­fel­brei auf ein Monet-Gemäl­de im Museum Barbe­ri­ni in Potsdam.

Später sagte der Bundes­prä­si­dent, er sei wirklich froh darüber, dass es in Deutsch­land eine wachsen­de Sensi­bi­li­tät in Umwelt­fra­gen gebe, dass viele überzeugt seien, dass man entschlos­se­ner und entschie­de­ner gegen den Klima­wan­del vorge­hen müsse. «Die Frage ist, ob das, was wir auch sehen in diesen Tagen, dass kostba­re Gemäl­de mit Lebens­mit­teln bewor­fen werden oder Menschen sich auf der Straße festkle­ben, dem Klima­ziel wirklich weiter­hilft», sagte Stein­mei­er. «Ich befürch­te, dass es die breite gesell­schaft­li­che Unter­stüt­zung für mehr und entschie­de­ne­ren Klima­schutz eher in Frage stellt bezie­hungs­wei­se uns die Chance raubt, diese Unter­stüt­zung noch größer werden zu lassen.»

Im 1997 unter­zeich­ne­ten Kyoto-Proto­koll hatte sich die inter­na­tio­na­le Staaten­ge­mein­schaft erstmals in einem völker­recht­li­chen Vertrag verpflich­tet, den Ausstoß von Treib­haus­ga­sen zu verrin­gern. Die Indus­trie­län­der verein­bar­ten, in einem ersten Schritt ihre Emissio­nen von 1990 bis 2012 um insge­samt mindes­tens fünf Prozent zu senken. Die USA ratifi­zier­ten das Proto­koll nicht.

Der Bundes­prä­si­dent und seine Frau Elke Büden­ben­der fuhren am Vormit­tag im Rahmen ihres Japan-Besuches von Tokio nach Kyoto — umwelt­freund­lich mit dem Hochge­schwin­dig­keits­zug Shink­an­sen. Er legte die 513 Kilome­ter lange Strecke in 2 Stunden und 15 Minuten zurück.

Stein­mei­er sagte in der Doshi­sha Univer­si­tät, in einer Welt, in der viele Länder unter dem Eindruck des Ukrai­ne-Krieges stünden und versuch­ten, dessen wirtschaft­li­che Folgen zu bewäl­ti­gen, sei weniger Raum für andere Themen. Auch bewir­ke der Krieg Unsicher­heit und Angst. «Unsicher­heit und Angst aber sind keine guten Voraus­set­zun­gen, um Innova­tio­nen auszu­pro­bie­ren und global neue Wege zu gehen.»