BERLIN (dpa) — Seit 2017 steht Frank-Walter Stein­mei­er an der Spitze des Staates. 2022 will er für eine zweite Amtzeit kandi­die­ren. Das Staats­ober­haupt will nach der Corona-Pande­mie Brücken bauen.

Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er steht für eine zweite Amtszeit bereit. Das teilte das 65 Jahre alte Staats­ober­haupt am Freitag in Berlin mit.

«Ich möchte mich für eine zweite Amtszeit als Bundes­prä­si­dent zur Wahl stellen», sagte Stein­mei­er. Er wolle das Land auf dem Weg in die Zukunft beglei­ten, eine Zukunft nach der Pande­mie. Er wolle, dass die Pande­mie die Gesell­schaft nicht gespal­ten zurück­las­se und Brücken bauen. «Es sind beweg­te Zeiten», sagte Stein­mei­er. Seine Amtszeit läuft 2022 ab.

Stein­mei­er will Wunden heilen

Deutsch­land stehe an einem Wende­punkt, sagte der Bundes­prä­si­dent. «Auf der einen Seite befrei­en wir uns jeden Tag ein Stück mehr aus den Fängen der Pande­mie, auf der anderen Seite treten ihre Folgen für die Gesell­schaft jetzt umso schär­fer hervor.» Die Pande­mie habe tiefe Wunden geschla­gen. «Sie hat Leid und Trauer gebracht, wirtschaft­li­che und seeli­sche Not und viel, viel Frust und Bitter­keit. Wir haben uns wund gerie­ben im Streit um den richti­gen Weg. Ich möchte helfen, diese Wunden zu heilen. Ich möchte, dass die Pande­mie uns als Gesell­schaft nicht gespal­ten zurück­lässt, nicht misstrau­isch oder ängstlich.»

Ein Bundes­prä­si­dent gebe nicht die politi­sche Richtung vor, sagte Stein­mei­er. «Aber der Bundes­prä­si­dent kann Brücken bauen, Brücken zwischen den Gruppen in der Gesell­schaft, Brücken zu unseren Nachbarn und Partnern in der Welt und Brücken in eine Zukunft, die uns noch große gemein­sa­me Leistun­gen abver­lan­gen wird, vor allem im Kampf gegen den Klimawandel.»

Stein­mei­er sagte weiter: «Ich weiß, dass ich nicht von vornher­ein auf eine Mehrheit in der Bundes­ver­samm­lung bauen kann. Aber ich trete nicht aus Bequem­lich­keit an, sondern aus Überzeu­gung.» Vor fünf Jahren habe es auch keine Gewiss­hei­ten gegeben.

Nachfol­ger von Joachim Gauck

Die Bundes­ver­samm­lung hatte Stein­mei­er am 12. Febru­ar 2017 mit einer Zustim­mung von rund 75 Prozent zum 12. Bundes­prä­si­den­ten gewählt. Gegen­kan­di­da­ten von Links­par­tei, AfD, Freien Wählern und Piraten hatten keine Chance. Vorge­schla­gen und in der großen Koali­ti­on durch­ge­setzt hatte ihn der damali­ge SPD-Vorsit­zen­de Sigmar Gabri­el. Stein­mei­er, der seiner­zeit Außen­mi­nis­ter war, trat die Nachfol­ge von Joachim Gauck an, der auf eine zweite Amtszeit verzich­te­te. Am 22. März 2017 leiste­te Stein­mei­er in einer gemein­sa­men Sitzung von Bundes­tag und Bundes­rat seinen Amtseid ab.

Die SPD-Vorsit­zen­den Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans erklär­ten: «Die Bereit­schaft von Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er, für eine zweite Amtspe­ri­ode zu kandi­die­ren, erfüllt uns mit großer Freude. Gerade jetzt braucht unser Land einen Bundes­prä­si­den­ten, der ein Gespür für die Sorgen und Nöte der Bürge­rin­nen und Bürger hat und Anstö­ße gibt, die Zukunft gemein­sam und zum Wohl aller zu gestal­ten.» Stein­mei­er habe in bislang vier Jahren als Bundes­prä­si­dent bewie­sen, dass er das höchs­te Amt im Staat mit großer morali­scher Autori­tät ausfül­le. «Eine zweite Amtszeit wäre eine große Chance.»

SPD-Frakti­ons­chef Rolf Mützenich hob hervor: «Frank-Walter Stein­mei­er ist ein großar­ti­ger und den Menschen zugewand­ter Bundes­prä­si­dent. Mit einem klaren Kompass hat er vielen Menschen auch in schwie­ri­gen Zeiten Halt und Zuver­sicht gegeben.»

Keine Entschei­dun­gen vor der Bundestagswahl

CSU-Chef Markus Söder erklär­te: «Wir nehmen die Ankün­di­gung des Bundes­prä­si­den­ten mit Respekt zur Kennt­nis. Die Zusam­men­ar­beit mit dem Bundes­prä­si­den­ten ist sehr gut und vertrau­ens­voll. Aber die Entschei­dung und Festle­gung steht erst nach der Bundes­tags­wahl an. Das werden CDU und CSU gemein­sam beraten.»

Die Bundes­vor­sit­zen­den der Grünen, Annale­na Baerbock und Robert Habeck, warnten davor, «dass das Amt des Bundes­prä­si­den­ten in den Wahlkampf gezogen wird». Stein­mei­er fülle «sein Amt mit Weitsicht und Mensch­lich­keit aus», erklär­ten die Grünen-Chefs weiter. Wer aber in der nächs­ten Amtszeit dem Land als Staats­ober­haupt vorste­he, werde erst «nach der Bundes­tags­wahl entschie­den», beton­ten Habeck und Baerbock.

Ein wichti­ges Anliegen

Ein bestim­men­des Thema von Stein­mei­ers Amtszeit wurde die Vertei­di­gung und Stärkung der zuneh­mend unter Druck gerate­nen parla­men­ta­ri­schen Demokra­tie in Deutsch­land und vielen anderen Ländern. Es gebe in Deutsch­land zwar «keinen Grund für Alarmis­mus», sagte Stein­mei­er in seiner Rede nach der Verei­di­gung. «Aber ich sage mit Blick auf das, was sich da am Horizont auftut, mit ganz großer Ernst­haf­tig­keit: Wir müssen über Demokra­tie nicht nur reden – wir müssen wieder lernen, für sie zu streiten.»

Auch bei seinen zahlrei­chen Auslands­rei­sen versuch­te Stein­mei­er regel­mä­ßig, demokra­ti­sche Kräfte zu stärken. So besuch­te er auf dem Rückweg von seiner letzten langen Reise im Febru­ar vergan­ge­nen Jahres nach Kenia den Sudan, um dessen neuen Premier­mi­nis­ter Abdul­lah Hamdok demons­tra­tiv zu unterstützen.

Die zweite Hälfte der Amtszeit Stein­mei­ers war stark geprägt von der Corona-Pande­mie. Mehrfach wandte er sich in Video-Botschaf­ten — ein für das deutsche Staats­ober­haupt neues Format — an die Bevöl­ke­rung und bat um Unter­stüt­zung im Kampf gegen die Pande­mie. Im April richte­te Stein­mei­er einen Gedenk­akt für die Verstor­be­nen in der Corona-Pande­mie aus. «Wir sehen die Wunden, die die Pande­mie geschla­gen hat. Wir geden­ken der Verstor­be­nen. Und wir fühlen mit den Leben­den, die um sie trauern», sagte er damals.

Deutsche Verant­wor­tung für den Holocaust

Ein beson­de­res Anlie­gen waren Stein­mei­er die Bezie­hun­gen zu Israel. Mit dessen Präsi­den­ten Reuven Rivlin ist er eng befreun­det. Im Januar vergan­ge­nen Jahres sprach Stein­mei­er auf dessen Einla­dung als erster Bundes­prä­si­dent in der Holocaust-Gedenk­stät­te Yad Vashem. Stein­mei­er bekann­te sich damals zur deutschen Verant­wor­tung für den Holocaust und sagte, er wünsch­te, die Deutschen hätten für immer aus der Geschich­te gelernt. Das gehe angesichts von Vorfäl­len wir dem Angriff auf die Synago­ge von Halle aber nicht. Zeit, Worte und Täter seien heute nicht diesel­ben wie damals. «Aber es ist dassel­be Böse.»

Auch die jüngs­ten antijü­di­schen Ausschrei­tun­gen in Deutsch­land verur­teil­te Stein­mei­er in aller Schär­fe. «Wir dulden keinen Antise­mi­tis­mus — ganz gleich von wem — in unserem Land», beton­te er.