BERLIN (dpa) — Die Bundes­re­gie­rung sieht sich von zahlrei­chen Seiten unter Druck, der Ukrai­ne auch Kampf­pan­zer zu liefern. Was sagt eigent­lich der Bundes­prä­si­dent zur Haltung der Ampel?

Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er hält die zurück­hal­ten­de Linie der Bundes­re­gie­rung bei der Liefe­rung schwe­rer Waffen an die Ukrai­ne für richtig.

«Selbst­ver­ständ­lich muss sich jeder verant­wort­li­che Politi­ker auch mit der Frage beschäf­ti­gen, wann und unter welchen Umstän­den es zu einer drama­ti­schen Auswei­tung des Konflik­tes kommen könnte. Das gehört in die Abwägung, ebenso wie die Folgen­ein­schät­zung über den Preis mangeln­der Unter­stüt­zung», sagte Stein­mei­er der «Wirtschafts­wo­che». Stein­mei­er beton­te zugleich, Deutsch­land unter­stüt­ze die Ukrai­ne «nach Kräften, auch militä­risch, substan­zi­ell und dauer­haft». Er verwies dabei unter anderem auf Gepard-Panzer zur Flugab­wehr und die gerade beschlos­se­ne Liefe­rung von Marder-Schützenpanzern.

Zur Frage, ob es mit Blick auf weite­re Waffen­lie­fe­run­gen eine Grenze gibt, die die Bundes­re­pu­blik nicht überschrei­ten dürfe, sagte Stein­mei­er: «Wenn es diese Grenzen geben sollte, wäre es nicht klug, darüber zu reden.» Die Bundes­re­gie­rung sieht sich von zahlrei­chen Seiten unter Druck, der Ukrai­ne auch Kampf­pan­zer zu liefern.

«Bundes­wehr muss sich auf härte­re Zeiten einstellen»

Stein­mei­er äußer­te sich auch zur Lage der deutschen Streit­kräf­te. «Die Bundes­wehr muss sich auf härte­re Zeiten einstel­len. Landes­ver­tei­di­gung und Bündnis­pflich­ten bekom­men ein ganz anderes Gewicht», sagte der Bundes­prä­si­dent. «Spätes­tens jetzt sehen wir, dass wir entschlos­sen in unsere Armee inves­tie­ren müssen, um Sicher­heit in unsiche­rer Zeit garan­tie­ren zu können», sagte der frühe­re Kanzler­amts­chef und Außenminister.

Die deutsche Politik gegen­über Russland vor dem Angriff auf die Ukrai­ne bewer­te­te Stein­mei­er kritisch. «Es war ein Fehler, nicht früh genug erkannt zu haben, wie funda­men­tal der russi­sche Staats­chef Wladi­mir Putin seinen Blick auf die Welt revidiert hat, und dass er für seine imperia­len Ziele den politi­schen, gesell­schaft­li­chen und wirtschaft­li­chen Ruin seines Landes riskiert. Er hat den Westen zu seinem Feind erklärt. Und daraus müssen wir unsere Schlüs­se ziehen», sagte Steinmeier.

«Neuen Phase der Globalisierung»

Aus den Fehlern im Umgang mit Russland müssten auch Lehren aus dem Umgang mit China gezogen werden, beton­te Stein­mei­er. Deutsch­land sollte «in sensi­blen Berei­chen nicht mehr abhän­gig sein von nur einem einzi­gen Partner weltweit», mahnte der Bundes­prä­si­dent. Im Vergleich zu Russland sei die Abhän­gig­keit von China «um ein Vielfa­ches größer und kompli­zier­ter»: «Hier kommt es darauf an, mehr Partner zu gewin­nen, unsere Liefe­ran­ten und Kunden zu diver­si­fi­zie­ren», sagte Stein­mei­er der «Wirtschafts­wo­che». «Weite­re Partner, auch in Asien zu gewin­nen, bedeu­tet nicht das Ende unserer Bezie­hun­gen mit China. Es ist ein Gebot der Vorsorge.»

Stein­mei­er sprach in dem Inter­view von einer «neuen Phase der Globa­li­sie­rung». Dafür benöti­ge man eine neue Philo­so­phie. «Eine breite­re Zusam­men­ar­beit, die mehr Staaten und Regio­nen gleich­be­rech­tigt einbin­det, ist in dieser neuen Globa­li­sie­rung wichti­ger denn je, aber auch anspruchs­vol­ler denn je, weil das 21. Jahrhun­dert von der Multi­po­la­ri­tät vieler starker, selbst­be­wuss­ter Natio­nen geprägt sein wird. Das bedeu­tet für unser Land: Je stärker wir uns vernet­zen, desto erfolg­rei­cher werden wir sein», erklär­te Stein­mei­er. Zugleich mahnte er: «Abschot­tung dient nicht dem Weltfrie­den, sondern gefähr­det ihn. Mit Abschot­tung erwirt­schaf­tet man keinen Wohlstand.»