Mit dem ersten Lockdown im März 2020 bleiben auch die Kinos zu. Es folgen Monate voller Unsicher­heit und noch immer ist nicht klar, wie es weitergeht.

BERLIN (dpa) — Es hätte eine spannen­de Kinowo­che werden können. Clint Eastwoods neues Drama über das Olympia-Atten­tat von Atlan­ta sollte starten. Ebenso die Verfil­mung der deutschen Fernseh­se­rie «Berlin, Berlin» und die Fortset­zung des Erfolgs-Horrors «A Quiet Place». Doch dazu kam es nicht.

Statt­des­sen beschloss die Bundes­re­gie­rung am 16. März 2020 wegen der Corona-Pande­mie den Lockdown und damit auch die sofor­ti­ge Schlie­ßung der Kinos. Das ist nun ein Jahr her — ein Jahr voller Still­stand und Unsicher­heit für die Branche, die mittler­wei­le mit mehr und mehr Unver­ständ­nis und Wut reagiert.

«Damit nicht ein zweites Krisen­jahr folgt, benöti­gen wir bundes­weit einheit­li­che, nachvoll­zieh­ba­re und verläss­li­che Regelun­gen für eine Wieder­eröff­nung», fordert etwa Chris­ti­an Bräuer von der AG Kino — Gilde. Der kürzlich angekün­dig­te Stufen­plan zum Neustart hinter­las­se viele Fragen, so dass die erhoff­te Klarheit für die Öffnung der Kinos immer noch fehle. «Es werden Testpflich­ten aufer­legt, ohne dass Testmög­lich­kei­ten bestehen», sagt Bräuer der Nachrich­ten­agen­tur dpa. «Hier benöti­gen wir dringend verständ­li­che Regeln, die sich an der Reali­tät des Kinobe­triebs orien­tie­ren und die dazu führen, dass schnell wieder mit höheren Kapazi­tä­ten gespielt werden kann.»

Hinzu kommen die wirtschaft­li­chen Folgen. «Das Land Berlin und der Bund haben uns in den letzten Monaten zur Seite gestan­den, aber die Heraus­for­de­run­gen lassen nicht nach», beton­te Bräuer. «Aller­dings sind die Hilfs­zah­lun­gen bei vielen Kinos immer noch nicht einge­gan­gen und die angekün­dig­ten Abschlags­zah­lun­gen wurden jetzt einge­stellt. Hier muss weiter dringend nachge­steu­ert werden.» Chris­ti­ne Berg vom Verband HDF Kino ergänzt: «Natür­lich war das letzte Jahr für die Kinos wirtschaft­lich wie emotio­nal ein absolu­ter Ausnah­me­zu­stand und noch längst sind nicht alle Förder­hil­fen geflossen.»

Damit endet das Corona-Kinojahr ein bisschen, wie es anfing. Denn nach dem ersten Lockdown begann schon bald ein bundes­wei­tes Durch­ein­an­der. Selbst wenn ab Mitte Mai Wieder­eröff­nun­gen teilwei­se wieder möglich waren, variier­ten die Daten und Hygie­ne­vor­ga­ben von Bundes­land zu Bundes­land. Wie viele Plätze und Sitzrei­hen müssen zwischen den Besuchern frei bleiben? Wann genau muss man eine Maske tragen? Fragen wie diese blieben im Detail oft noch länger unklar und sorgten weiter für Verun­si­che­rung bei den Besuchern.

Hinzu kam, dass bis auf Ausnah­men wie der starbe­setz­te Thril­ler «Tenet» Block­bus­ter als Publi­kums­ma­gne­ten fehlten, viele wurden auf einen späte­ren Zeitpunkt verscho­ben. Kein Wunder, dass im Corona­jahr die Besucher­zah­len und Umsät­ze auch deutscher Kinos massiv einbra­chen: Die Zahl der verkauf­ten Tickets ging 2020 nach Angaben der Filmför­de­rungs­an­stalt (FFA) um rund 68 Prozent zurück. Ähnlich sah es bei den Umsät­zen aus: etwa 69 Prozent weniger als noch im Jahr 2019.

Trotz­dem gab es nicht nur Verlie­rer. So fielen — wahrschein­lich auch weil es schlicht­weg weniger inter­na­tio­na­le Produk­tio­nen gab — immer­hin 35 Prozent der Kinobe­su­che laut FFA auf deutsche Filme. Die 20 besucher­stärks­ten deutschen Filme kamen 2020 demnach auf zusam­men fast zehn Millio­nen verkauf­te Tickets. Außer­dem hatten ohne die Strahl­kraft der Block­bus­ter auch kleine­re Produk­tio­nen eine Chance, gesehen zu werden. So sicher­te sich «Eine Frau mit berau­schen­den Talen­ten» mit Isabel­le Huppert mehre­re Wochen lang Platz eins der Arthouse-Kinocharts.

Mögli­cher­wei­se geht es jetzt am 22. März wieder los mit den Kinoöff­nun­gen — genau­es weiß man aber mal wieder noch nicht. Der Verband HDF Kino drängt daher auf mehr Planungs­si­cher­heit. Ein bundes­weit einheit­li­cher Eröff­nungs­ter­min sei für den Start neuer Filme notwen­dig, sagt Chris­ti­ne Berg.

Trotz­dem will die Branche den Kopf nicht hängen lassen. Chris­ti­an Bräuer von der AG Kino — Gilde blickt auch optimis­tisch in die Zukunft: «Wir haben in diesem Pande­mie­jahr vor allem gelernt, wie sehr uns das Publi­kum liebt und vermisst». Immer noch gingen täglich viele emotio­na­le Nachrich­ten und Gutschein­be­stel­lun­gen von Gästen ein. «Manch zynische Stimmen haben ja wieder­holt behaup­tet, dass Strea­ming das Ende des Kinos bedeu­ten würde», so Bräuer. «Das Gegen­teil scheint der Fall: Lange haben sich nicht mehr so viele Menschen nach dem gemein­sa­men Kinoer­leb­nis gesehnt.»